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Bittet um Geduld: Der seit drei Jahren amtierende Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger sieht den Konzern auf dem richtigen Weg. Der Umbau brauche aber Zeit. Foto: dpa

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Wirtschaft: Viel Verständnis für den Chef

Thyssen-Krupp geht es immer noch schlecht, doch die Aktionäre vertrauen Vorstand Heinrich Hiesinger.

Bochum - Die Aktionäre von Thyssen- Krupp sind Kummer gewohnt. Nach milliardenschweren Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und den USA sowie massiven Verstößen gegen eine saubere Unternehmensführung schrieb der Industriekonzern im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro. Erneut müssen die Aktionäre auf eine Dividende verzichten. „Das muss und das wird sich ändern“, versprach Vorstandschef Heinrich Hiesinger am Freitag auf der Hauptversammlung in Bochum.

Hiesinger selbst ist für die Misere nicht verantwortlich, hatten doch seine Vorgänger die fatalen Fehlentscheidungen gefällt. Seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren arbeitet er daran, Thyssen-Krupp auf einen neuen Kurs zu bringen. Dass der Umbau nicht mit einem schnellen Befreiungsschlag gelingen würde, zeigte sich im vergangenen November. Auf der Bilanzpressekonferenz musste Hiesinger damals bekannt geben, dass Teile der zuvor verkauften Edelstahlsparte zurückgenommen werden und der Verkauf des Stahlwerkes in Brasilien nicht klappen würde. In der Bochumer Kongresshalle bat der Vorstandsvorsitzende nun am Freitag die rund 2500 anwesenden Aktionäre um Geduld. „Die grundlegenden Veränderungen, die alle Unternehmensteile betreffen, werden Zeit brauchen“, sagte Hiesinger. Unverändert hält er an einem Verkauf der defizitären Hütte vor den Toren von Rio de Janeiro fest.

Ein wichtiger Baustein bei der Neuausrichtung ist eine neue Firmenkultur. Galt es früher, Probleme und Missstände zu unterdrücken, so kämpft die Mannschaft um Hiesinger für Transparenz. Dies soll sich künftig auch im Management niederschlagen. Mit Donatus Kaufmann berief der Aufsichtsrat einen Vorstand für Recht und Compliance. Der frühere Metro-Manager soll dafür sorgen, dass Geschäfte bei Thyssen-Krupp sauber angebahnt und abgewickelt werden.

In den vergangenen Jahren war der Konzern wegen Schmiergeldzahlungen und der Beteiligung an Kartellen auf dem Schienenmarkt und bei Aufzügen in die Schlagzeilen geraten. Mit Hiesinger hatte Thyssen-Krupp einen harten Kurs gegen die Verfehlungen in den eigenen Reihen eingeleitet und bislang über 60 Mitarbeiter entlassen, darunter einige Vorstände.

Das Thyssen-Krupp sich auf dem Weg befindet, ein normales Unternehmen zu werden, zeigte sich schon vor dem Start der Hauptversammlung. Bevor der Aufsichtsratsvorsitzende die Veranstaltung eröffnet, treffen traditionell Management und Aufsichtsräte vor der Bühne zum Plausch zusammen. War noch im vergangenen Jahr, als Gerhard Cromme Aufsichtsratschef war, dieses informelle Zusammentreffen steif und von offensichtlichem Misstrauen geprägt, so war die Stimmung dieses Mal gelöst. Dies liegt wohl auch daran, dass mit dem früheren Telekom-Chef René Obermann und Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr neue, jüngere Manager in den Aufsichtsrat berufen wurden.

Im Gegensatz zu früheren Hauptversammlungen hielten sich die Aktionäre mit Kritik zurück. „Die Lage von Thyssen-Krupp ist nach wie vor nicht schön“, sagte Thomas Hechtfischer von der Aktionärsvertretung DSW. Zugleich betonte er aber, dass er dem Vorstand zutraut, den Wandel zu schaffen. „Sie sind mit viel Vorschusslorbeeren ins Amt gekommen und haben die Erwartungen vielleicht zu hoch gesteckt“, sagte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. Der übertriebene Aktionismus des Managements, alles sofort umkrempeln zu wollen, sei fehlgeschlagen.

Manche Aktionäre äußerten sich enttäuscht, dass der Verkauf des Krisen-Stahlwerks in Brasilien gescheitert ist. Auch dass das längst gelöst geglaubte Problem im Edelstahlbereich dem Konzern wieder vor die Füße gefallen ist, stößt vielen übel auf. Doch „dem Management um Herrn Hiesinger trauen wir zu, den notwendigen Wandel zu vollziehen. Nach all den Rückschlägen erwarten wir nicht den großen Wurf, sondern eine Strategie der kleinen Schritte, mehr Beständigkeit und Verlässlichkeit, damit verlorenes Vertrauen zurückgewonnen und langfristig auch wieder Wert für die Aktionäre geschaffen wird“, sagte Speich von Union Investment.

Der Aktionär Bernd Günther hatte eine gelbe Karte nach Bochum mitgebracht, die er dem Vorstand zeigte. „Sie haben in den vergangenen drei Jahren viele taktische Fehler gemacht“, sagte er. Jetzt müsse es endlich aufwärtsgehen. „Wir wollen in zwei Jahren wieder eine Dividende haben“, forderte er. Sonst gebe es die rote Karte. HB/mit dpa

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Martin Murphy

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