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Täuschend echt. Mitarbeiter:innen können von sich digitale, dreidimensionale Versionen erstellen.

© Getty Images

Virtuelle Konferenzen: Werden wir bald als Hologramme miteinander sprechen?

Die großen Techkonzerne arbeiten daran, dass sich Mitarbeiter als dreidimensionale Wesen zum virtuellen Meeting treffen. Was für Folgen könnte das haben?

Alle sitzen an einem Tisch, obwohl sich jeder in einer ganz unterschiedlichen Stadt aufhält. Die Personen können sich berühren, doch spüren nichts davon. Was widersprüchlich klingt, könnte bald normal sein.

Vor wenigen Wochen stellte Microsoft seine Mixed-Reality-Plattform „Mesh“ vor. Damit können Mitarbeiter:innen von sich digitale dreidimensionale Versionen erstellen und in dieser Form an virtuellen Besprechungen teilnehmen. Über Virtual-Reality-Brille nehmen sich die Kolleg:innen gegenseitig so wahr als wären sie tatsächlich nah beieinander.

Microsoft will die Zusammenarbeit auf Distanz von der Videokonferenz auf die nächste Ebene hieven. Zunächst können Avatare genutzt werden – Figuren, die einen so repräsentieren, wie man es gerne möchte. Bald soll es möglich sein, sich als lebensechtes Selbst in den virtuellen Raum zu projizieren. Wie? Bestimmte Microsoft-Kameras können Objekte in ihrem Sichtfeld scannen und in ein 3D-Modell umrechnen. Dieses Modell wird anschließend zum Gesprächspartner übertragen und in dessen VR-Brille dargestellt. Die Consultingfirma Accenture entwickelte mit Microsoft bereits eine virtuelle Büroetage.

Hologramme sind bislang aus Science-Fiction-Filmen wie Star Wars oder Blade Runner bekannt. Ein anderer prominenter Einsatz war der „Auftritt“ des verstorbenen Rappers Tupac Shakur auf dem Coachella-Festival von 2012. Doch spätestens seit der Pandemie denken Unternehmen über die Technologie nach.

Digitale Konferenzen werden langfristig bleiben

In den vergangenen Monaten haben Chef:innen gelernt, auf die physische Präsenz ihrer Angestellten zu verzichten. Digitale Konferenzen über Teams oder Zoom haben den direkten Austausch ziemlich schnell ersetzt. Und selbst wenn sich Büros in Zukunft wieder füllen, werden sich Kollegen seltener in vollen Konferenzräumen begegnen – entweder, weil sie das Homeoffice schätzen oder Firmen Kosten für Flüge, Hotels und Mietflächen einsparen.

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Daher investieren die großen Tech-Firmen gerade viel Geld, um den digitalen Raum attraktiver zu machen. Immerhin sind Videokonferenzen nach einem Jahr so ermüdend, dass es einen Begriff dafür gibt – Zoom Fatigue. Was viele Menschen laut Studien daran stört: Alle beobachten einander, aber niemand schaut den anderen richtig an. Außerdem sind es Menschen gewohnt, in Gesprächen auch nonverbale Ausdrücke wahrzunehmen. Ziel der Tech-Konzerne ist es, die Arbeitswelt so ins Digitale zu übertragen, dass sich die Beschäftigten dort wohl fühlen und länger verweilen.

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„Ich bin unsicher, ob es für Virtual Reality wirklich irgendwann einen Massenmarkt wie etwa bei Fernsehern geben wird“, sagt Jonathan Harth, Soziologe an der Universität Witten/Herdecke. „Entscheidend wird es sein, ob das Medium einen wirklichen Alltagsnutzen bringt, der es egal werden lässt, dass die Geräte immer noch relativ unbequem sind.“

Mark Zuckerberg arbeitet mit Ray Ban an einer Brille

Die von Microsoft verkaufte Digitalbrille Hololens 2 ist recht klobig und kostet fast 4000 Euro. Doch der Markt wächst – und damit die Optionen: Facebook entwickelte vor einigen Jahren die Oculus-Brille, die in der jüngsten Generation nur noch 350 Euro kostet. 2007 machte die dafür zuständige Abteilung einen recht kleinen Anteil am Gesamtkonzern aus. Rund 1000 Mitarbeiter zählte sie. Inzwischen ist der Anteil von rund fünf Prozent auf rund 20 Prozent aller Angestellten gewachsen.

Mark Zuckerberg kündigte außerdem eine AR-Datenbrille in Zusammenarbeit mit dem bekannten Brillenhersteller Ray Ban an. Zur Erklärung: Bei virtueller Realität (VR) taucht ein Nutzer mit kleinen Bildschirmen in der Brille vor den Augen komplett in eine digitale Welt ein. Bei erweiterter Realität (Augmented Reality, kurz AR) werden künstliche Objekte in die reale Umgebung eingeblendet.

Welche Konzerne noch an Digitalbrillen arbeiten, die für virtuelle Meetings derzeit noch unerlässlich sind? Google kaufte den Smartglass-Hersteller North und soll an einer Neuauflage der Google Glass arbeiten. Apple entwickelt laut mehreren Berichten eine „Apple Glass“ genannte AR-Brille, die nächstes Jahr präsentiert werden könnte. Die Marktforscher von Strategy Analytics rechnen damit, dass sich 2025 weltweit 27 Milliarden Dollar mit Hardware für Augmented und Virtual Reality umsetzen lassen. Der Trend zum Homeoffice, so die Analysten, werde dies beschleunigen.

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Harth hofft darauf. „Beim Beispiel von Klimakonferenzen wird besonders deutlich, wie klimaschädlich das Jetten um die Welt für ein internationales Treffen sein kann“, sagt er. Im Vergleich zu Videogesprächen würde bei Holokonferenzen außerdem die Beziehungsebene gestärkt. „Man nimmt sich hier einfach gegenseitig körperlich wahr“, erklärt Harth. „Solche Treffen fühlen sich intensiver, realer und persönlicher an.“ Manche Systeme sind so konzipiert, dass man einander lauter hört, wenn sich die Avatare oder Hologramme näherkommen.

Werden wir die Realitäten noch auseinanderhalten?

Beim Pharmakonzern Pfizer können Forscher virtuell um Moleküle herumlaufen. Die dafür eingesetzte App „Spatial“ lässt außerdem Unterhaltungen im Digitalen zu. Auf Basis eines Selfies wird ein Avatar geschaffen. Mit diesem virtuellen Alter Ego kann man sich mit anderen Nutzern in virtuellen Räumen treffen, unterhalten, arbeiten. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sei die Nachfrage laut dem Unternehmen enorm gestiegen. Zu den Kunden gehören neben Pfizer bereits Ford, Telekom, Mattel, Nestlé.

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Schon bald könnten bewegte Hologramme sogar auf den Displays von Smartphones, Computern und Fernsehern flimmern. Südkoreanische Wissenschaftler von der Firma Samsung Electronics haben einen flachen Bildschirm konstruiert, der bewegte computergenerierte 3D-Hologramme erzeugt. Diese tauchen direkt vor den Augen des Betrachters auf. Noch erscheinen die virtuellen 3D-Videos zwar auf einem 25 Zoll großen Display. Die Forscher:innen wollen den Aufbau aber so weit verkleinern, dass er in ein Smartphone oder einen Laptop passt. Die Darstellung von realistischen dreidimensionalen Videos könnte also bald mit einem handelsüblichen Gerät möglich werden.

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Erst sind die Grenzen zwischen privat und beruflich in den letzten Jahren – und besonders den letzten Monaten – verschwommen. Nun scheint auch die Barriere zwischen wirklich und virtuell aufgebrochen zu werden. Die Realität wird relativ.

„Ich glaube nicht, dass wir verwechseln, was echt ist und was nicht“, sagt Harth. „Immerhin ist uns ja ganz grundlegend bewusst, dass wir eine VR-Brille aufgesetzt haben.“ Anders könnte es bei einer Verbreitung von AR-Brillen aussehen, wenn diese den ganzen Tag über auf der Nase getragen werden. Aber auch hiermit würden die Menschen seiner Meinung nach einen Umgang erlernen. „Eine andere Frage ist aber, was die massenhafte Nutzung von Telepräsenzmedien mit uns macht. Vielleicht führt dies zu der Anspruchshaltung, dass soziale Kontakte bitteschön immer verfügbar sind.“

Möglich sind auch Hologramme von Toten

Auch der Informations- und Maschinenethiker Oliver Bendel sieht viele Vorteile in der Technologie und könnte sich durchaus vorstellen, in Zukunft eine Hologramm-Variante von Alexa zu besitzen, die sein Smart Home steuert. Welche Risiken er dennoch erkennt? „Es kann eine Beziehung zu einem Hologramm aufgebaut werden, die nur eine Illusion ist“, sagt er. Und es könnte passieren, dass Menschen ihre Scheinwelt nicht mehr verlassen möchten und sich von der wirklichen Realität entfernen. Besonders, wenn die virtuelle Welt immer detaillierter und überwältigender wird.

Möglich ist es sogar, Hologramme von Verstorbenen zu entwickeln, kombiniert mit Sprachassistenten. „Die digitale Wiederbelebung von Toten in dieser Form wird bestimmt kommen“, sagt der Wirtschaftsinformatiker. „Es genügen schon heute wenige Minuten der Originalstimme, um Sprachassistenten Sätze sprechen zu lassen, die dem Original täuschend ähnlich sind.“ Aber was ist, wenn den Toten Worte in den Mund gelegt werden, die nicht ihren Überzeugungen entsprochen hätten? Oder wenn der Wiederbelebte anders programmiert wird, als der Lebende in Wirklichkeit war? All solche moralischen Fragen müssten dann geklärt werden.

Im vergangenen Jahr war es schon einmal so weit. In einer südkoreanischen Fernsehdokumentation wurde eine Mutter in einer virtuellen Realität mit ihrer sechsjährigen Tochter Nayeon „wiedervereint“, die 2016 an Leukämie gestorben war. „Ich habe dich vermisst“, schluchzt die Mutter und will ihr Kind streicheln. Doch sie greift bloß ins Nichts.

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