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Wirtschaft: Visionen einer Bäuerin

Die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel über moderne Landwirte und den Sinn von Ökoanbau

Berlin - Dass das Erbe ihres Vorgängers Franz Fischler mächtig ist, dass hat Mariann Fischer Boel gewusst. Seit November vergangenen Jahres ist sie nun Agrarkommissarin der Europäischen Union, und muss sie Fischlers Agrarreform (siehe Kasten) umsetzen. Die Reform ist ein Meilenstein in der Geschichte der Europäischen Agrarpolitik, weil sie die Finanzhilfen für die Bauern von der Mengenproduktion entkoppelt hat. „Inzwischen sind 90 Prozent der Beihilfen entkoppelt“, sagt Fischer Boel im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Ihre Aufgabe sei es nun, sicherzustellen, dass die Bauern sich auch an die neuen Regeln halten. „Denn im Gegenzug für ihr Geld müssen sie sich an Umweltstandards halten“, so die Agrarkommissarin.

Mariann Fischer Boel will aber auch eigene Akzente setzen – die langfristige Umstrukturierung der ländlichen Gegenden. „Die ländlichen Gegenden dürfen nicht entvölkert werden. Wir müssen hier Infrastruktur und neue Jobs schaffen, die unabhängiger von der Landwirtschaft sind“, sagt Fischer Boel. Schließlich gehe es darum, die europäischen Bauern wettbewerbsfähig und fit für die Zukunft zu machen. Hintergrund ist, dass die Bauern in der EU in den kommenden Jahren immer weniger Unterstützung dafür bekommen, dass sie viel produzieren und die Konkurrenz durch günstigere Produkte aus den Entwicklungsländern wächst. Denn im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) sollen die Exportbeihilfen, die bisher den Absatz der US- und EU-Produkte gefördert haben, vollständig abgebaut werden.

Fischer Boel aber hat ohnehin ihre eigene Vision vom modernen Bauern: „Die Mitgliedstaaten sollen einen Teil des EU-Geldes für die Förderung von Innovationen ausgeben, die nicht direkt mit der Landwirtschaft in Verbindung stehen. Wie zum Beispiel die Bereitstellung von schnellen Internetzugängen auf dem Lande, oder der Entwicklung von Jobs im Service- und Tourismussektor“, findet die EU-Agrarkommissarin.

Allerdings werden da die meisten Mitgliedstaaten der EU wohl nicht mitmachen, denn sie wollen an der Agrarpolitik sparen. Zwar ist die Budgetbasis für die Agrarpolitik von 2007 bis 2013 schon beschlossen worden, aber für die ländliche Entwicklung braucht Fischer Boel zusätzliches Geld. 88 Milliarden Euro will sie dafür haben. Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, wollen aber ihren Beitrag zum EU-Budget auf ein Prozent des Bruttoinlandproduktes begrenzen. Für diesen „Ein-Prozent-Club“ hat Fischer Boel gar kein Verständnis. „Wenn Länder wie Deutschland sich durchsetzen, dann werden in den ländlichen Regionen weniger Jobs entstehen“, sagt sie. Dabei sei es eine Riesenchance, mit den Geldern in diesen Gegenden Arbeitsplätze zu schaffen. „Ansonsten werden dort nach und nach Schulen, Metzger und Bäcker verschwinden – nur die Kirche wahrscheinlich nicht“, sagt die Agrarkommissarin, die selbst Bäuerin ist und einen Hof in Dänemark hat. „Den bewirtschaftet mein Mann jetzt ganz allein, ich habe damit nichts mehr zu tun“, sagt sie. Das klarzustellen ist ihr wichtig, schließlich ist ihre Eignung für den Posten in Brüssel heftig diskutiert worden, weil sie als Landwirtin selbst Subventionen aus dem europäischen Budget empfangen hat.

Bevor Fischer Boel nach Brüssel gegangen ist, war sie Agrarministerin in Dänemark. Dass sie aus einer liberalen Partei kommt, fällt besonders auf, wenn sie über die Rechte des Verbrauchers spricht: „ Ich bin dafür, dass der Anteil des ökologischen Anbaus steigt, aber ich finde es sehr wichtig, dass diese Entwicklung ausschließlich von den Verbrauchern getrieben wird und nicht von der Politik“. Denn sonst „ermutigt man die Bauern, sich umzustellen, und am Ende gehen sie womöglich wegen der fehlenden Nachfrage pleite“.

2005 wird für Fischer Boel ein anstrengendes Jahr werden. Sie muss die Reform des Zuckermarktes auf den Weg bringen, gegen die die Zuckerbauern sich massiv wehren, weil ihre Subventionen gekürzt werden sollen. Und dann erwarten die EU-Agrarkommissarin noch die WTOVerhandlungen, bei denen die Exporthilfen abgeschafft und die Einfuhrzölle gesenkt werden sollen. Einer Sache aber ist sich Fischer Boel schon jetzt ganz sicher: „Am Ende des Jahres werden die Entwicklungsländer mehr Zugang zum Europäischen Markt haben“.

Flora Wisdorff

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