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Wirtschaft: Vitamine für den deutschen Film

Seit 2007 fördert der Bund Kinoproduktionen mit jährlich 60 Millionen Euro. Das weckt Hoffnungen

Der Führer spricht deutsch. Helge Schneider ist ein deutscher Schauspieler. Gedreht wurde in Berlin. Und der Stoff könnte deutscher nicht sein. Die X-Filme-Produktion „Mein Führer“ (Budget: eine Million Euro) hat alles, was der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, für förderungswürdig hält. Doch Dany Levys Nazikomödie, die sich seit dem Kinostart am 11. Januar zum Kassenschlager entwickelt, kam für Neumanns neuen 180 Millionen Euro schweren Filmförderfonds zu früh. Stattdessen musste sich die Berliner Produktionsfirma X-Filme noch durch den Förderdschungel schlagen: Geld kam von der Filmstiftung NRW, der Filmförderungsanstalt FFA, dem Medienboard Berlin-Brandenburg, der Investitionsbank Hessen. Koproduzenten waren der WDR, der Bayerische Rundfunk und Arte.

Mit der Patchwork-Finanzierung des deutschen Films soll seit dem 1. Januar 2007 Schluss sein. Zumindest verspricht Staatsminister Neumann Erleichterung. Sein bestes Argument: Geld – viel Geld. Für die chronisch klamme Filmwirtschaft bedeutet dies eine seltene, lang erhoffte Wende. Jeweils 60 Millionen Euro stellt ein neuer, auf den Koalitionsvertrag zurückgehender Förderfonds der Bundesregierung in den kommenden drei Jahren zur Verfügung. Unbürokratisch, schnell und in bar.

Was in den klassischen europäischen Filmländern Frankreich, Großbritannien oder Italien seit Jahren üblich ist, geht jetzt auch in Deutschland. Zwischen 16 und 20 Prozent ihrer in Deutschland entstandenen Kosten können sich Kinofilmproduzenten künftig erstatten lassen. Wichtigste Voraussetzung: Mindestens 25 Prozent des Produktionsbudgets von mindestens einer Million Euro müssen in Deutschland ausgegeben werden und der Spiel-, Animations- oder Dokumentarfilm muss bestimmte kulturelle Eigenschaften erfüllen. Letzteres machte die EU zur Auflage.

Die Branche jubelt. „Der Fonds löst die gröbsten Probleme der unterfinanzierten deutschen Filmwirtschaft“, sagt Sytze van der Laan, Chef der Produktionssparte von Studio Hamburg. „Das Modell ist absolut wettbewerbsfähig“, meint auch Carl Woebcken, Vorstand von Studio Babelsberg. Und Georgia Tornow, Vorsitzende der Produzenten-Lobby Film20, glaubt: „Das ist ein Signal für ausländische Produzenten: Kommt nach Deutschland!“

Der Neumann- Fonds, darin sind sich alle einig, wird der deutschen Filmindustrie einen Schub geben. „Das ist wie eine Vitamin-C-Infusion“, sagt David Groenewold, Vorstand und Großaktionär von Odeon Film. Gerade bei kleineren Produktionen fehlten oft die letzten 15 bis 20 Prozent der Finanzierung. „Daran scheitern viele Projekte.“ Nun springe genau hier der Fonds ein. Insgesamt, so glaubt Groenewold, könnten die jährlich 60 Millionen Euro des Bundes ein Produktionsvolumen von insgesamt 300 bis 400 Millionen Euro pro Jahr anstoßen. Eine mutige Prognose. Liegt doch das derzeitige Volumen aller deutschen Filmproduktionen bei rund 200 Millionen Euro pro Jahr. „Ich schätze, dass im Schnitt 40 zusätzliche Filme mit Budgets zwischen vier und acht Millionen Euro pro Jahr in Deutschland realisiert werden können“, sagt der Odeon-Vorstand.

Möglich scheint der Sprung, wenn der Fördertopf auch das Interesse Hollywoods am Standort Deutschland weckt. „Wir haben zwei US-Studios mit großen Kinofilmproduktionen für Babelsberg gewonnen, die ohne das neue Modell nicht gekommen wären“, sagt Studiochef Woebcken. Beide Großprojekte sollen 2007 die Hallen zu 70 Prozent auslasten. „15 bis 20 Millionen Euro der Budgets bleiben in Babelsberg hängen“, schätzt er.

„Die Großen werden kommen“, ist sich Georgia Tornow sicher. Das Volumen der Förderung und die Auswahlkriterien machten das deutsche Modell mindestens so attraktiv wie das in Großbritannien. Dort hat die Filmwirtschaft mithilfe staatlicher Förderinstrumente einen beispiellosen Boom erlebt. „Deutsche Produzenten werden als Koproduzenten wieder interessant“, sagt Tornow. Und: Der Standort werde auch für größere deutsche Produktionsfirmen attraktiver, die sonst ins Ausland gingen, um Kosten zu sparen. Etwa Bernd Eichinger, der „Das Parfum“ in Spanien drehte.

Ob es den erhofften Run gibt, ist an den Zahlen noch nicht abzulesen. Dem Vernehmen nach sind bei der Filmförderungsanstalt FFA im Januar rund zehn Anträge eingegangen. „Es waren auch schon größere Produzenten da“, deutet Projektleiterin Christine Berg an. Details sollen am kommenden Mittwoch zum Auftakt der Berlinale verraten werden.

Ungelöst bleibt vor allem die Frage, wie nach der Abschaffung der Filmfonds im Jahr 2005 privates Kapital für den deutschen Film mobilisiert werden kann. David Groenewold, der mit seiner Firma Promedium für den „ersten Filmfonds der neuen Ära“ trommelt, hofft, dass sich das Neumann’sche Fördermodell zumindest als Baustein für neue Fondskonstruktionen eignet. Denn eines will die Branche unter allen Umständen vermeiden: dass deutsche Anleger-Milliarden wie früher in Hollywood versickern.

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