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Wirtschaft: Volkswagen: Aus 5000 Mitarbeitern werden Unternehmer

Ferdinand Piëch, der Chef des größten europäischen Autoherstellers, will sich auf keinen Fall mit der größten europäischen Gewerkschaft anlegen. Deshalb haben VW und IG Metall vor Jahren die Vier-Tage-Woche erfunden und damit rund 30 000 Arbeitsplätze retten können.

Ferdinand Piëch, der Chef des größten europäischen Autoherstellers, will sich auf keinen Fall mit der größten europäischen Gewerkschaft anlegen. Deshalb haben VW und IG Metall vor Jahren die Vier-Tage-Woche erfunden und damit rund 30 000 Arbeitsplätze retten können. Und deshalb will Piëch jetzt einvernehmlich mit der Gewerkschaft das Projekt "5000 mal 5000" realisieren: VW stellt 5000 Personen für die Produktion eines Minivan ein. Diese Arbeitskräfte sollen 5000 Mark monatlich erhalten und dafür sehr flexibel arbeiten - wenn erforderlich, bis zur gesetzlichen Höchstgrenze von 48 Stunden die Woche. Am heutigen Montag wird über das Projekt verhandelt. Wie die Dinge stehen, treibt VW die IG Metall vor sich her: Entweder die Gewerkschaft kommt dem Konzern entgegen oder die Autos werden in Tschechien oder Portugal gebaut.

Piëch kennt seine Belegschaft und er kennt den Einfluss der IG Metall. "Wir haben gewisse Schwierigkeiten, die Altbelegschaft für solche Dinge zu begeistern", sagt der Vorstandsvorsitzende im Interview der "Wirtschaftswoche". "Wir fangen deshalb mit jungen, neu einzustellenden Leuten an: Das Neue wächst mit der Zeit in das Preiswerte hinein." Genau das befürchtet die IG Metall. Zum einen sperrt sich die Gewerkschaft gegen eine Arbeitszeit, die allein vom Markt bestimmt wird. Wenn viele Autos nachgefragt werden, müssen die Leute 48 Stunden arbeiten, wenn nichts los ist, kann die Wochenarbeitszeit bei Null liegen. Eine vorausschauende Freizeit-, Familien- oder Urlaubsplanung wird da schwierig.

Schließlich ist das geplante Entlohnungsmodell aus Sicht der IG Metall ein Systemwechsel. Das Unternehmen überträgt die Verantwortung für Stückzahl und Qualität der Fahrzeuge an Mitarbeiter-Gruppen. Die Mitarbeiter beziehen ein "Programmentgelt", also 5000 Mark im Monat, und gewährleisten im Gegenzug ein vorab definiertes Volumen an Autos in der geforderten Qualität. VW, so stöhnt die IG Metall, wolle nicht mehr eine zeitlich begrenzte Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung von Produktionsvorgaben bezahlen. "Das wäre die Rückkehr vom Arbeitsvertrag zum Werkvertrag, mit dem ein Großteil der unternehmerischen Risiken auf die Arbeitnehmer abgewälzt würden", meint IG Metall-Chef Klaus Zwickel. Mit seiner Gewerkschaft nicht zu machen.

Abwarten. Bei 5000 Arbeitsplätzen wird selbst der Tanker IG Metall zur Jolle. Zumal VW die Strategie, aus 5000 Mitarbeitern quasi 5000 Unternehmer zu machen, mit attraktiven Zusätzen flankiert. Personalvorstand Peter Hartz teilt die betriebliche Anwesenheit in drei Kategorien. Arbeit, Qualifizierung und Kommunikation. Weiterbildung soll künftig permament direkt am Band stattfinden. "Früher liefen die Dinge hintereinander ab: Arbeit, Lernen, private Tätigkeiten. Wir wollen künftig die Qualifizierung möglichst nah an die Produktion heranrücken oder gar integrieren."

Viel Innovation auf einmal

Hartz hat ungewöhnliche Vorstellungen. Dass jeder Mitarbeiter einen mobilen PC bekommt und damit während der Arbeit Bankgeschäfte oder Reisebuchungen erledigen darf, ist ja noch nachvollziehbar. Aber Hartz will in die Arbeitskleidung "Hightech-Sensoren" integrieren, "mit deren Hilfe wir die Gesundheitsdaten überprüfen lassen. "Dies alles ergibt eine Neudefinition von Anwesenheitszeit im Unternehmen, ist ein Ventil für Stressfaktoren und ermöglicht erweiterte Mitbestimmung", sagte der Personalchef gegenüber der "Frankfurter Rundschau". Und räumt gleichzeitig ein, es sei "ziemlich viel Innovation auf einmal".

Den potenziellen Innovationsträgern, also den 5000 Arbeitnehmern, ist offenbar vor dem Modell nicht bange. Nach VW-Angaben liegen gegenwärtig etwa 10 000 Bewerbungen vor. Diese Leute wird die IG Metall nicht vor den Kopf stoßen können. Der Weltkonzern VW ist da wesentlich flexibler: Das neue Auto wird auf der so genannten A-Plattform gebaut, auf der zum Beispiel der Golf und der Audi A 3, aber auch entsprechende Modelle der Konzerntöchter Skoda und Seat gefertigt werden. Mit dem Begriff Plattform wird eine Strategie gleicher Teile beschrieben: Zum Beispiel sind Bodengruppe, Fahrwerk oder Getriebe in allen Autos identisch. Das drückt die Kosten und erhöht die Flexibilität. Im aktuellen Fall des geplanten Minivans kann das Auto also überall dort ziemlich schnell gebaut werden, wo es die A-Plattform gibt. Und da gibt es nach VW-Angaben in Europa Konzernstandorte, wo die Personalkosten bei acht bis neun Mark die Stunde liegen - Urlaub, Krankheit und Prämien inklusive. VW zufolge sind es in Deutschland 90 Mark.

Ein Teil der Differenz holt das "5000 mal 5000" Modell wieder auf, unter anderem auch deshalb, weil es keine Nacht- oder Überstundenzuschläge mehr gibt. "Mit dem Projekt sollen Bedingungen geschaffen werden, um in Wolfsburg einen Minivan vom Schlage eines Opel Zafira unter den Herstellungskosten Spaniens bauen zu können", sagt Piëch. Ende kommenden Jahres soll das neue Auto auf den Markt kommen. Zumindest in diesem Punkt hat Piëch Druck: Andere Hersteller verdienen prima mit den Minivans. VW hat diesen Trend verpennt und muss sich nun beeilen.

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