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Abgrund. Dieselgate kostet den VW-Konzern mindestens 20 Milliarden Euro.

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Volkswagen und der Dieselskandal: Der Größenwahn von VW hat den Betrug erst möglich gemacht

Jenseits juristischer Kategorien ist klar: Der autoritäre Führungsstil der Ex-VW-Spitze, ihr Größenwahn und ihr Glaube an die Allmacht der Ingenieure haben Dieselgate möglich gemacht. Ein Kommentar.

Das Wort „Dieselkrise“ hatte VW- Chef Matthias Müller nie öffentlich ausgesprochen. Stets ließ er sich über die „Diesel-Thematik“ aus. So, als spreche er über etwas Abstraktes, Fernes, nicht zu Volkswagen Gehörendes. Diese Woche tauchte die „Dieselkrise“ zum ersten Mal in einem Müller-Satz auf. Versteckt in einer Mitteilung, die Volkswagen veröffentlichte, nachdem sich der Konzern mit dem US-Justizministerium geeinigt hatte. Darin enthalten: ein Schuldbekenntnis. Das erste seit Bekanntwerden des Abgas-Skandals vor fast anderthalb Jahren.

Die verklemmte Wortakrobatik zeigt, wie missraten und bisweilen unverschämt das Krisenmanagement in Wolfsburg ist. Erst die deutliche Sprache der US-Ankläger hat in dieser Woche nicht nur Demutsgesten der VW-Spitze provoziert. Sie hat auch in Erinnerung gerufen, welche Dimensionen der Skandal hat: Der größte Industriekonzern Europas muss zugeben, dass er weltweit mehr als elf Millionen Kunden betrogen, die Behörden belogen, seine Mitarbeiter beschämt, das Klima verpestet und das eigene Renommee schwer beschädigt hat. Mindestens 20 Milliarden Euro wird Dieselgate das Unternehmen kosten, 20000000000 Euro.

Nun stehen auch andere Autobauer unter Verdacht

Die Konsequenz, die man schön zu reden versuchte: Dieselgate macht die gesamte Autoindustrie unglaubwürdig, die sich so angestrengt hat, sauber und innovativ zu wirken – mit Elektroautos, Roboterwagen und digitalem Entertainment. Stattdessen stehen nun auch andere unter Verdacht, bei den Abgaswerten betrogen zu haben: Fiat Chrysler, Renault…

Und einer freut sich, dass er im Ruhestand ist: Martin Winterkorn. 3100 Euro Rente zahlt ihm – pro Tag! – das Unternehmen, das er geführt hat, als die Softwaremanipulationen geplant, vollzogen und gebilligt wurden. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt für ihn die Unschuldsvermutung; so unplausibel es auch sein mag, dass der Autokrat nichts wusste. Gleiches gilt für amtierende Entscheidungsträger, etwa der langjährige Finanzvorstand und jetzige Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch oder auch Matthias Müller, der jeden VW-Winkel kennt. Niemand glaubt im Übrigen, dass mit dem in den USA verhafteten Manager Oliver S. eine Schlüsselfigur festgesetzt wurde. Das wäre so absurd wie die ihm angedrohte Haftstrafe von 169 Jahren.

Winterkorn und Piëch tragen Verantwortung

Schon jetzt (und lange) ist jenseits juristischer Kategorien klar: Winterkorn – und nicht zu vergessen: Ferdinand Piëch – tragen Verantwortung für ein VW-System, in dem sich kriminelle Energie derart entladen konnte. Ihr autoritärer Führungsstil, ihr Größenwahn und ihr Glaube an die Allmacht der Ingenieure haben Dieselgate möglich gemacht.

Dieselgate war aber auch aus einem anderen Grund möglich: Die Autobosse konnten und können sich sicher sein, es mit wohlwollenden Gesetzgebern und Industriepolitikern zu tun zu haben. Zumindest in Deutschland und in Europa. Die Konzerne pokern mit Millionen Jobs und ihrer Wertschöpfung, um moderate Abgasnormen oder laxe Kontrollen zu erreichen. Dass Volkswagen glaubte, auch die schärferen US-Gesetze umgehen zu können, zeugt von der Wolfsburger Hybris. Ihr ein Ende zu bereiten, sollte oberstes Ziel der neuen Mächtigen sein. Vielleicht möchte auch Martin Winterkorn einen (finanziellen) Beitrag leisten. Am Donnerstag könnte er sich vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages dazu erklären.

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