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Zwei Männer vor Schichtbeginn im Volkswagenwerk in Wolfsburg.

© Sebastian Gollnow/dpa

Volkswagen: Wie mächtig ist die Zulieferindustrie in der Automobilbranche?

Der Rechtsstreit von Volkswagen mit einem einzigen Lieferanten bereitet dem Wolfsburger Konzern erhebliche Probleme.

Sie sind aufeinander angewiesen und machen sich trotzdem gegenseitig das Leben schwer. Automobilhersteller und ihre Zulieferer verbindet eine schwierige Geschäftsbeziehung. Sie ist geprägt von steigendem Kostendruck, komplexen Planungsprozessen und – das zeigt der VW- Fall – wachsenden Abhängigkeiten.

Die Bedeutung der Lieferanten für die Wertschöpfung der weltweiten Automobilindustrie hat in den vergangenen 30 Jahren massiv zugenommen. Lag der Anteil 1985 noch bei gut 50 Prozent, ist er im Jahr 2015 auf 75 Prozent gestiegen. Geliefert wird alles, von der Software über Fahrassistenten bis zu Sitzen, Türschlössern oder ganzen Getrieben. Ein riesiges Geschäft: 2015 steigerten allein die deutschen Zulieferbetriebe ihren Umsatz auf gut 75 Milliarden Euro, die Unternehmen beschäftigen mehr als 300.000 Mitarbeiter im Inland.

Die Zulieferer sind eng in den Produktionsprozess eingebunden. Um Lagerhaltung zu vermeiden, wird in hoher Schlagzahl „just in sequence“ geliefert. Das bedeutet, die Bauteile kommen nicht nur pünktlich zur Montage in die Fertigung, sondern auch in der richtigen Reihenfolge („Sequence“) der produzierten Fahrzeuge. Fällt hier ein Glied in der Kette aus, kann die gesamte Produktion lahmgelegt werden. Noch schlimmer ist es, wenn es kurzfristig keinen Ersatz gibt, weil ein Hersteller sich nur auf einen Lieferanten verlässt. Das ist zwar selten, kommt aber vor.

Hersteller drücken die Preise und verlangen gleichzeitig herausragende Qualität

Die größten der Branche – Bosch, Continental oder ZF Friedrichshafen – sind selbst globale Konzerne, die für viele verschiedene Hersteller arbeiten. Entsprechend stark ist ihre Verhandlungsposition, wenn es um Kosten und Konditionen geht. Die Mittelständler hingegen, die die deutsche Industrie prägen, haben selten mehr als einen oder zwei Großkunden aus der Autoindustrie. Gehen Aufträge verloren oder kommt es wie bei Volkswagen und Prevent gar zum Streit, kann die Zulieferfirma schnell in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.

64 Prozent der kleinen und mittleren Zulieferfirmen sagen, dass steigender Kostendruck ihre Existenz nachhaltig gefährdet. Dies ergab eine Umfrage des Center of Automotive Management (CAM) Anfang des Jahres. 42 Prozent der befragten Zulieferer glauben, dass ihre Kunden „kein wirkliches Interesse daran haben, dass sie nachhaltig wirtschaften und ihre Existenz dadurch sichern können“.

Die Hersteller drücken die Preise – sie verlangen aber zugleich herausragende Qualität. Die häufigen Rückrufaktionen wegen Qualitäts- und Sicherheitsmängeln zeigen, dass dies nicht immer zusammenpasst. Knapp 70 Prozent der Zulieferer gaben in der CAM-Umfrage an, dass die Einkäufer der Autoindustrie „preisgetrieben“ seien und dies zwangsläufig zu Qualitätsproblemen führen werde. CAM-Leiter Stefan Bratzel glaubt, „dass sich die Polarisierung der Branche zwischen kleinen und großen Automobilzulieferern zugunsten Letzterer fortsetzt“.

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