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Wirtschaft: Vom Nachwuchs abgeschnitten

Private kritisieren die Regierung

Die privaten Krankenversicherer fühlen sich von der Bundesregierung schlecht behandelt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die „Privaten“ durch eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze vom jungen, gesunden Nachwuchs abgeschnitten hat. Um den gesetzlichen Krankenkassen höhere Beiträge zu verschaffen, hatte Schmidt zum 1. Januar 2003 die Versicherungspflichtgrenze, die darüber entscheidet, wer in die private Krankenversicherung wechseln darf, drastisch heraufgesetzt. Arbeitnehmer, die sich von AOK und Co. verabschieden und in eine Privatkasse eintreten wollen, durften das 2003 erst dann, wenn sie mehr als 3825 Euro im Monat verdienten. Zuvor waren es 3375 Euro gewesen. Für 2004 ist die Grenze mittlerweile auf 3862,50 Euro gestiegen.

50 000 Neukunden habe die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze die privaten Krankenversicherer gekostet, sagte Christian Weber, Geschäftsführer des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV), in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel. Gebracht habe die Maßnahme nichts – auch nicht den Kassenpatienten: Es sei nicht erkennbar, „dass dadurch auch nur eine einzige Beitragserhöhung bei den gesetzlichen Krankenkassen verhindert worden wäre“, kritisiert der PKVGeschäftsführer.

Auch die Gesundheitsreform stellt den Verband vor Probleme, Stichwort Zusatzversicherungen (siehe nebenstehenden Artikel). „Wir hatten vor der Reform einen funktionierenden Markt mit Zusatzversicherungen“, sagt Weber. Durch die neuen Kooperationen mit den gesetzlichen Kassen sei die Wettbewerbsintensität gesunken, weil sich viele Versicherte „einseitig“ auf die Empfehlungen ihrer Krankenkasse verließen und sich selber nicht mehr auf dem Markt umsähen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere private Versicherer, der sich an solchen Kooperationen nicht beteiligt, vor Gericht klären lassen wird, ob die neuen Modelle wettbewerbsrechtlich überhaupt zulässig sind“, kündigte der PKV-Vertreter mögliche Klagen an.

Einen Vorstoß aus der Politik will der Verband jetzt jedoch aus eigenem Antrieb weiterführen: das Problem der Alterungsrückstellungen. Gesundheitsministerin Schmidt hatte vor einigen Monaten laut überlegt, wie man PKV-Versicherten den Wechsel von einer privaten in eine andere private Kasse erleichtern könnte. Bisher können langjährig Versicherte ihrer Versicherung kaum den Rücken kehren, weil man das in der so genannten Alterungsrückstellung angesammelte Ersparte nicht mitnehmen kann. Konsequenz: Da ältere Neukunden hohe Prämien zahlen müssen, lässt sich ein Wechsel kaum finanzieren. „Wenn jeder seine Alterungsrückstellung mitnehmen würde, würde das zu einer Entsolidarisierung zulasten kranker Versicherter in der PKV führen“, warnt Weber. Viele Wissenschaftler und Kommissionen seien bereits an dem Versuch gescheitert, ein tragfähiges Modell zu finden. Jetzt will der Verband aber noch einmal intern „intensiv an einer Lösung arbeiten und versuchen, doch noch einen Wechsel leichter möglich zu machen“, kündigte Weber an. hej

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