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Wirtschaft: Von Migranten lernen

Im Bildungswerk werden Ausbilder trainiert

Will schwänzt – und das schon seit zwei Tagen. Deshalb fährt der Chef zu dem säumigen Lehrling nach Hause und schickt ihn erst einmal ohne viele Vorwürfe an die Arbeit. Erst später wird er ein klärendes Gespräch führen. „Diskutieren Sie in der Gruppe über das Vorgehen aus rechtlicher und berufspädagogischer Sicht“, sagt Serkan Sternberg, während er Arbeitsblätter verteilt. Und 16 Unternehmer und Angestellte beginnen, sich über Abmahnungen, Probezeit, Kündigungsschutz und Schamgefühl zu unterhalten – auf Deutsch, Türkisch und Arabisch. Alle haben einen Migrationshintergrund.

Es ist schon spät an diesem Mittwochabend. Und alle 16 haben einen langen Arbeitstag hinter sich. Trotzdem sitzen sie wie jede Woche an zwei Abenden im Bildungswerk Kreuzberg (BWK) und lernen, wie man ausbildet. Wirtschaftsjurist Serkan Sternberg leitet den Kurs und bereitet sie auf die Ausbildereignungsprüfung vor, die sie bei der Industrie- und Handelskammer machen werden. Mindestens ein Mitarbeiter eines Ausbildungsbetriebs muss diese Prüfung ablegen – ein Jahr ist Zeit, sie zu machen, nachdem der erste Azubi angefangen hat. Der Kurs ist kostenlos. Denn wenn der „Kreis der Ausbilder“ erweitert werde, sei das ein „Fortschritt der Integration“, sagt Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregierung für Migration (CDU). Das Problem, das sie lösen will: Nur 32 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund machen eine Ausbildung. Böhmer nennt sie die „verlorene Generation“.

Ob sein Auszubildender aus „dem Irak oder aus Deutschland“ kommt, ist Orhan Yüksel hingegen relativ egal. Der 43-Jährige ist Inhaber einer Bäckerei in Kreuzberg: „Mir ist klar geworden, dass man nur dann gute Leute bekommt, wenn man sie ausbildet“, sagt er. „Und gleichzeitig kann man einem Jugendlichen etwas mitgeben, ihm Halt bieten.“

Die meisten Teilnehmer oder ihre Chefs seien vom BWK angesprochen worden, ob sie bereit wären, Auszubildende einzustellen, erklärt Kursleiter Sternberg. „Deshalb gehört es dazu, dass das BWK ihnen die entsprechende Qualifikation bietet.“ Er gehe anders vor als die IHK in deren Kursen. „Denn das Deutsch ist nicht bei allen perfekt, und es kommt in der Prüfung oft auf einzelne Formulierungen an.“ Zwar sprechen fast alle ohne den Akzent eines anderen Landes, aber dennoch machen sie im Eifer des Gesprächs öfter Grammatikfehler.

Einzelhandelskauffrau Zeynep Yilmaz, 23, trägt ein Kopftuch mit Rosen und arbeitet in einem türkischen Supermarkt. Sie ist selbst nur angestellt, aber für den Auszubildenden des Betriebs zuständig. Sie habe schon viel gelernt: etwa Details über die Ausbildungsverordnung und den Ausbildungsrahmenplan. Aber nicht nur um Paragrafen geht es, sondern auch um Pädagogik: „Ich bin doch nicht die Supernanny des Azubis “, argumentiert ein Teilnehmer. „Doch“, sagt ein anderer. „Er ist ja nicht nur eine Arbeitskraft, sondern auch jemand, der lernt.“ Genau wie die Ausbilder.Daniela Martens

Informationen des Bildungswerks:

www.bwk-berlin.de

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