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Rat gefragt: Egal ob Versicherung, Stromrechnung oder Handyvertrag, viele Verbraucher blicken nicht mehr durch.

© picture alliance / dpa-tmn

Vor dem Deutschen Verbrauchertag: Verbraucherzentralen fordern mehr Geld

Vor dem Deutschen Verbrauchertag schlagen Verbraucherschützer Alarm: Sie brauchen dringend Geld. Die Kapazitäten reichen bei weitem nicht.

„Ich benutze mein Handy eigentlich nie, und jetzt soll ich für den letzten Monat über 120 Euro zahlen“, klagt Chrissi Vasiliadou. Sie sitzt in der Rechtsberatung der Verbraucherzentrale Berlin und zeigt dem Juristen Bernd Ruschinzik die Rechnung. Sie soll teure „Grußworte“ über ihr Handy verschickt haben. „Dabei weiß ich gar nicht, wie das geht“, sagt die 54-jährige Zahnärztin.

Probleme mit dem Telefon, Stromanbietern, Banken oder Versicherungen gehören zum Verbraucheralltag. Auf dem Deutschen Verbrauchertag, der an diesem Montag in Berlin stattfindet, wird davon die Rede sein. Auch dass die Verbraucher Hilfe brauchen, werden die Verbraucherschützer Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück sagen, die beide ihren Besuch angekündigt haben. Doch nicht immer kommt die Hilfe so schnell wie bei Chrissi Vasiliadou. Sie bekam umgehend einen Termin bei der Verbraucherzentrale. Auf eine  Mieter- oder Urheberrechtsberatung müssen Ratsuchende in Berlin dagegen zum Teil mehrere Wochen warten.

„Wir möchten niemanden wegschicken, aber manchmal können wir einfach keine neuen Fälle mehr annehmen“, sagt Ruschinzik, der den Bereich Recht leitet. Die Arbeitsbelastung sei immens: „Ich könnte mich zerteilen und hätte am Abend immer noch nicht das Gefühl, alles geschafft zu haben.“

Um den Andrang bewältigen zu können, beschäftigt die Verbraucherzentrale zusätzlich zu den insgesamt 34 festangestellten Mitarbeitern Honoraranwälte. „Mit unserer finanziellen Ausstattung können wir den Beratungsbedarf aber nicht decken“, betont Geschäftsführerin Eva Bell. Rund 2,2 Millionen Euro Einnahmen hatte die Verbraucherzentrale Berlin im Jahr 2011. Neuere Zahlen gibt es nicht. Das Geld stammt überwiegend vom Senat, aber auch aus Projektmitteln des Bundes, hinzu kommen Gebühren für die Beratung und Einnahmen aus dem Verkauf von Ratgebern.

Weil die Länder die Verbraucherzentralen nach eigenem Gusto unterstützen, gibt es bundesweit große Unterschiede. Während die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen 2011 insgesamt 35 Millionen Euro eingenommen hat, standen Mecklenburg-Vorpommern nur 1,4 Millionen Euro zur Verfügung. 2010 untersuchte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) zum letzten Mal, wie viel Geld die Verbraucherzentralen gemessen an den Einwohnern zur Verfügung haben. Spitzenreiter war damals Hamburg mit mehr als einem Euro pro Einwohner, gefolgt von Sachsen mit 0,77 Euro und Nordrhein-Westfalen mit 0,65 Euro pro Einwohner. In Brandenburg waren es 0,57, in Berlin 0,37 Euro.

Aus Sicht der Verbraucherschützer reicht das nicht. „Die Verbraucherarbeit in Deutschland ist strukturell unterfinanziert“, sagte VZBV-Chef Gerd Billen dem Tagesspiegel. „Um in der heutigen Markt- und Konsumgesellschaft auf Augenhöhe agieren zu können, brauchen wir eine professionell aufgestellte, unabhängige Infrastruktur für Verbraucherarbeit.“ Doch die Ausstattung der meisten Verbraucherzentralen reiche nicht aus, um die Rolle zeitgemäß wahrnehmen zu können, beklagt Billen.

Der VZBV ist das politische Sprachrohr der 16 unabhängigen Verbraucherzentralen der Länder. Auch er finanziert sich durch öffentliche Gelder. In diesem Jahr erhielt der Verband vom Bundesverbraucherministerium rund 9,4 Millionen Euro. Der Bund hat außerdem mit zehn Millionen Euro die Gründung der Stiftung Verbraucherschutz unterstützt, die sich für Verbraucherbildung einsetzt. Zudem werden Einzelprojekte mit zusätzlichen Mitteln gefördert.

Der verbraucherpolitische Sprecher der FDP-Bundestagfraktion, Erik Schweickert, hält die Finanzierung der Verbraucherarbeit damit für zufriedenstellend. „Dass jede Organisation möglichst mehr Geld haben möchte, ist nachvollziehbar. Ich denke aber, dass der Bund ausreichend Mittel zur Verfügung stellt“, sagte Schweickert dem Tagesspiegel. In manchen Bundesländern gebe es aber sicherlich noch Nachbesserungsbedarf bei der Finanzierung der Verbraucherzentralen, räumt der Liberale ein.

In Berlin rechnet die Verbraucherzentrale für das kommende Jahr mit einer Aufstockung ihrer Mittel. „Zur Zeit laufen die Verhandlungen mit dem Senat und wir haben bereits positive Signale erhalten“, sagt Eva Bell. Chrissi Vasiliadou würde das freuen. Sie weiß jetzt, wie sie den Brief an die Telefongesellschaft formulieren soll, um die Forderungen zurückzuweisen. Und wie sie das bereits abgebuchte Geld zurückholt.

Frederike Roser

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