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Sparer leiden unter der aktuellen Zinspolitik besonders.

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Vor dem Urteil zum Negativzins: Wenn Sparen Geld kostet

Selbst Riester-Sparer wollte eine Sparkasse mit Strafzinsen belasten. Heute ist die Sache vor Gericht.

Parken Banken Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB), zahlen sie dafür Strafzinsen. 2,2 Milliarden Euro mussten sie der EZB dafür allein 2017 überweisen. Viele Banken geben diese Belastung inzwischen an ihre Kunden weiter. Vor allem von Vermögenden und Unternehmen nehmen die Institute inzwischen eine „Verwahrgebühr“ – oft allerdings erst ab 500000 oder einer Million Euro. Kleinere Banken reichen die Kosten inzwischen aber an Kleinsparer weiter. Besonders dreist ist dabei die Kreissparkasse Tübingen vorgegangen. Sie wollte selbst auf ihren Riester-Banksparplan zur Altersvorsorge einen Negativzins von minus 0,5 Prozent einführen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat dagegen geklagt. An diesem Freitag muss das Landgericht Tübingen entscheiden, ob die Praxis rechtens ist.

Gegen ein anderes Institut haben die Verbraucherschützer kürzlich bereits einen Teilerfolg erzielt. Das Landgericht Tübingen verbot der Volksbank Reutlingen, bestehende Tagesgeld- und Girokonto-Verträge rückwirkend um eine Negativzinsklausel zu ergänzen und Kunden Minuszinsen aufzubürden. Betroffene haben nun einen Anspruch auf Erstattung der Abzüge.

Welche Banken Strafzinsen verlangen

Auch in Berlin verlangen inzwischen viele Banken Negativzinsen. So nimmt die Sparda-Bank Berlin Kunden, die mehr als 100000 Euro anlegen, 0,4 Prozent ab. Die Berliner Sparkasse verlangt von allen gewerblichen Kunden ab einer Million Euro ein „Verwahrentgelt“ von 0,4 Prozent. Ob es weiter gelinge, Negativzinsen auch für private Kunden zu verhindern, hänge von der EZB ab, so ein Sprecher der Sparkasse. Auch private Banken wie die Commerzbank haben bereits 2014 Minuszinsen für Geschäftskunden, Institutionen und Kommunen mit hohen Guthaben eingeführt. Minuszinsen oder Verwahrentgelte gibt es unter vielen anderen auch bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, bei der Skatbank und beim Onlinebroker Flatex. Letzterer versieht seine sogenannten Cashkonten bereits ab dem ersten Euro mit einem Minuszins.

Dabei erwirtschaften die deutschen Sparer real, also nach Abzug der Inflation, ohnehin keine positiven Renditen mehr. Nach den Berechnungen der Comdirect Bank haben Sparer im ersten Quartal im Schnitt einen Realverlust von 1,3 Prozent oder 7,1 Milliarden Euro auf ihre Spareinlagen hinnehmen müssen. Von Negativzinsen betroffen sind auch öffentliche Kassen und Institutionen, etwa die deutsche Rentenversicherung, die 2017 zehn Millionen Euro Strafzinsen zahlen musste. Schätzungen zufolge könnte die Summe in diesem Jahr auf 50 Millionen steigen.

Die EZB will erreichen, dass mehr Kredite vergeben werden

Allerdings ist Entspannung in Sicht: Im späten Sommer, glauben Zinsexperten, könnte die EZB einen ersten Schritt zur Zinswende wagen. „Die Notenbank wird wohl im September ihre Anleihekäufe einstellen und auch den Negativzins reduzieren“, vermutet Zinsspezialist Max Herbst von der FMH Finanzberatung in Frankfurt. Den Negativzins berechnet die Zentralbank bereits seit 2014. Anfangs lag er bei 0,1 Prozent. Seit März 2016 müssen Kreditinstitute 0,4 Prozent zahlen, wenn sie Geld kurzfristig bei der Notenbank lagern. Die EZB will die Banken damit zwingen, weniger Geld auf Konten liegen zu lassen und stattdessen mehr in Form von Krediten an Unternehmen weiterzureichen. Das soll Investitionen fördern und die Konjunktur ankurbeln. Gleichzeitig kauft die EZB Anleihen auf und erhöht damit die Liquidität weiter.

Weil Negativzinsen gerade für deutsche Sparer sehr kritisch gesehen werden, trauten sich viele Institute jedoch nicht, sie tatsächlich breitflächig auch für Privatkunden einzuführen, sagt Herbst. Stattdessen würden die Banken an anderer Stelle die Gebühren erhöhen. Kostenfreie Girokonten etwa gehören mit wenigen Ausnahmen deshalb der Vergangenheit an. Nach einer Studie des Unternehmensberaters Barkow Consulting stiegen die Provisionsüberschüsse vor allem öffentlicher Banken 2017 im Schnitt um 7,1 Prozent an – so stark wie seit 13 Jahren nicht mehr. Bei der Berliner Sparkasse ist der Überschuss aus Provisionen 2017 zum Beispiel um 20 Prozent angestiegen.

Die Deutschen sparen trotz allem mehr

Herbst hält es für „durchaus in Ordnung“, wenn Banken die von der EZB auferlegten Kosten an vermögende Kunden weiterreichen. Diese seien ja nicht gezwungen, ihr Geld bei einer teuren Bank zu deponieren, sondern könnten beispielsweise ihre Anlagesummen auf mehrere Institute splitten, um damit unter die Strafzins-Grenzen zu rutschen. Zudem könne der Kunde sein Geld wenigstens teilweise in andere, renditestärkere Anlagen wie Aktien umlenken, um Verluste mit Zinsanlagen auszugleichen.

Trotz des Trends zu Negativzinsen lassen sich die Deutschen aber nicht vom Sparen abbringen. Im Gegenteil. Die Summen, die sie auf Konten horten, sind in den letzten Jahren kräftig gestiegen. Lagen 2008 nur 15 Prozent der Vermögen auf Tagesgeld- oder Girokonten, sind es inzwischen 25 Prozent. Allein zwischen März 2017 und März 2018 seien zusätzlich 79 Milliarden Euro mehr in Tagesgelder, Festgelder und Sparbriefe geflossen als ein Jahr zuvor, heißt es bei der Comdirect.

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