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Autobauer verkaufen derzeit weniger Wagen. Soll der Kauf deshalb bezuschusst werden?

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Vor der Entscheidung über das Konjunkturpaket: Welche Corona-Hilfen im Gespräch sind

Die Regierung will die Konjunktur in Deutschland wiederbeleben. Welche Maßnahmen werden diskutiert – und was bringen sie? Ein Überblick.

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Am Dienstag um 14 Uhr geht es los. Dann treffen sich die Spitzen der schwarz-roten Koalition, um den nächsten Schritt in ihrem Kampf gegen die Folgen der Corona-Epidemie zu besprechen: Es soll ein Konjunkturpaket zusammengestellt werden, das nach dem Shutdown Mitte März die Wirtschaft ankurbeln soll.

Die Forderungslisten aus den Unternehmen und den Verbänden sind lang. Auch aus den Koalitionsparteien heraus sind einige Erwartungen geweckt worden, etwa durch die von der SPD gewünschte Altschuldenhilfe für Kommunen mit hohen Kassenkreditlasten.

Die Runde mit Kanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Olaf Scholz, den Parteiführungen von CDU, CSU und SPD und einigen weiteren Koalitionsgrößen könnte länger dauern. Denn auch wenn schon ein wenig vorsortiert wurde in der vergangenen Woche, der Wunschzettel ist umfangreich geblieben.

Doch wie viel will sich die Koalition leisten? Immerhin müssen die Maßnahmen über Schulden finanziert werden. Von einem Volumen bis hinein in den dreistelligen Milliardenbereich war zuletzt die Rede.

1. Was ist das Ziel des Konjunkturpakets?

Mit einem Konjunkturprogramm will die Politik die Wirtschaft nach dem Shutdown wieder ankurbeln. In der Theorie funktioniert das vor allem über die Nachfrageseite: Man bringt Verbraucher also dazu, mehr Geld auszugeben, oder animiert Unternehmen zum Kauf neuer Maschinen.

In der Coronakrise jedoch ist fraglich, ob das überhaupt etwas bringen würde. Schließlich verzichten zum Beispiel viele Verbraucher aus Angst vor der Ansteckung aufs Shoppen – daran kann die Politik wenig ändern.

Deshalb und weil die Lobby der einzelnen Branchen groß ist, werden derzeit viele Instrumente diskutiert, die theoretisch gar nicht in ein Konjunkturpaket gehören: Bestehen sollte das nämlich lediglich aus Maßnahmen, die schnell umsetzbar sind, gezielt ein Problem beheben und gleichzeitig befristet sind.

2. Was würde eine Autoprämie bringen?

Die deutsche Automobilindustrie hatte gehofft, bei einem weiteren Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel am kommenden Dienstag noch einmal ihre Wünsche platzieren zu können: Eine Anreizprogramm für alle Neuwagen – E-Autos und Hybride inklusive moderne Benziner und Diesel.

Doch das digitale Treffen wurde am Donnerstagabend überraschend abgesagt, die Koalition hat noch „Abstimmungsbedarf“. Nun soll im Koalitionsausschuss am Dienstagnachmittag beraten und wohl auch entschieden werden.

Die deutsche Automobilindustrie hatte auf ein weiteres Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel gehofft - doch daraus wird nichts.
Die deutsche Automobilindustrie hatte auf ein weiteres Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel gehofft - doch daraus wird nichts.

© imago images/Arnulf Hettrich

Eine reine Abwrackprämie wie 2009, bei der 2500 Euro gezahlt wurden, wenn ein Gebrauchter verschrottet und ein Neuwagen gekauft wurde, ist vom Tisch. Aktuell wird über eine ökologische Ausgestaltung einer Prämie gestritten.

Das Umweltministerium will nur emissionsfreie Elektroautos einbeziehen, der Verkehrsminister hält auch Fahrzeuge mit bis zu 140 Gramm CO2 pro Kilometer für förderfähig, also auch eine Reihe von SUVs. Die „Autoländer“ Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen schlagen eine Aufstockung des bereits vorhandenen Umweltbonus für E-Fahrzeuge auf 10000 Euro vor.

3. Wie könnte man Unternehmen helfen?

Zusätzlich zu den Soforthilfen und Förderkrediten arbeitet Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) an neuen Überbrückungshilfen. Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern sollen bis zu 50000 Euro im Monat abrufen können. Voraussetzung ist, dass ihre Umsätze um mindestens 60 Prozent eingebrochen sind.

Nutzen sollen die Firmen das Geld, um die Büromiete oder einen Teil der Personalkosten leisten zu können. Allerdings sollen Unternehmer sich selbst daraus keinen Lohn zahlen können. Zusätzlich empfehlen die Wirtschaftsweisen, Firmen über Verlustvortrag und -rücktrag zu helfen.

Den Verlust, den sie heute machen, sollen sie also auf das vergangene oder kommende Jahre verteilen können – wodurch sie unter anderem bereits gezahlte Steuern wieder zurückbekommen.

4. Wie könnte man den Konsum ankurbeln?

Nach dem Shutdown kämpft etwa ein Drittel der deutschen Einzelhändler um ihre Existenz. Während ihre Läden geschlossen waren, haben sie hohe Verluste angehäuft. Und auch jetzt beschränken viele Verbraucher ihre Einkäufe auf das Nötigste.

Die Grünen schlagen deshalb einen „Kauf-vor-Ort-Gutschein“ in Höhe von 200 Euro pro Person vor. Einlösen könnten Bürger den nur in stationären Läden, die während des Shutdowns geschlossen waren.

Die Städte sind wieder voll, doch viele erledigen nur die nötigsten Einkäufe.
Die Städte sind wieder voll, doch viele erledigen nur die nötigsten Einkäufe.

© Getty Images

Gegner fürchten allerdings, dass dieser Effekt verpufft: Trotz eines solchen Gutscheins könnten Verbraucher sich weiterhin mit dem Shoppen zurückhalten. Dazu kommt, dass von dieser Einkaufsprämie alle profitieren – unabhängig von ihrem Einkommen. Das gilt auch für den Familienbonus, den die SPD fordert und für den die CDU offen sein soll. Dabei gäbe es pro Kind pauschal 300 Euro. Offen ist noch, ob auch die CSU mitzieht.

5. Was ist steuerpolitisch denkbar?

Steuerpolitisch hat die Koalition schon ein bisschen gehandelt. Der gebeutelten Gastronomie wird geholfen, indem vom 1. Juli an für ein Jahr die Mehrwertsteuer auf Speisen generell (also nicht nur für Außer-Haus-Verkauf) auf sieben Prozent gesenkt wird.

Allerdings soll das Umsatzeinbußen ausgleichen, mit Preissenkungen in großem Umfang ist daher nicht zu rechnen. Im Gespräch ist seit einiger Zeit, unter anderem von der FDP vorgeschlagen, eine Art Homeoffice-Bonus.

Am Freitag forderten der Deutsche Gewerkschaftsbund und der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine, dass Arbeitnehmer pauschal 50 Euro pro Monat Heimarbeit geltend machen dürfen. Zudem sollten Arbeitgeber als Ausgleich steuerfrei 50 Euro drauflegen können. Da das aber erst im kommenden Jahr wirksam würde, ist der Konjunktureffekt gering.

6. Was würde ein früheres Auslaufen des Solidaritätszuschlags bringen?

Als Konsumtreiber könnte eher die vorgezogene Abschaffung des Solidaritätszuschlags dienen – die SPD hatte das vor der Coronakrise schon vorgeschlagen, um der sich ja schon abzeichnenden Wirtschaftsschwäche in diesem Jahr etwas entgegenzuhalten.

Aber die Union hatte sich gesträubt, weil sie die Komplettabschaffung will – nicht nur für 90 Prozent der Zahler, wie in der Koalition vereinbart für 2021. Letzteres würde das Etatloch um etwa zehn Milliarden Euro vergrößern, die Komplettabschaffung, die vor allem auch Unternehmen entlasten würde, wäre doppelt so teuer für den Bund.

Erleichterung für die Gastronomie: Die Mehrwertsteuer für Speisen wird vorübergehend gesenkt.
Erleichterung für die Gastronomie: Die Mehrwertsteuer für Speisen wird vorübergehend gesenkt.

© dpa

Die entscheidende Frage ist, wie weit Mittelverdiener das kleine Mehr beim Nettoeinkommen zügig ausgeben oder es aufs Konto legen. Nimmt man letzteren Fall an, ist konjunkturpolitisch wenig gewonnen. Geringverdiener wiederum, die in aller Regel zusätzliches Geld schnell ausgeben, profitieren von einer Soli-Abschaffung nicht – ihnen könnte aber der Familienbonus helfen.

7. Welche Rolle spielt der Klimaschutz?

Klären müssen die Politiker, ob sie die Umlage für den Ausbau der Erneuerbaren Energien senken wollen und können. Die Wirtschaftsweisen sind dafür, viele führende Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler und Thinktanks auch.

Wichtigster Grund: Die Elektrifizierung wäre konkurrenzfähiger. Zum Beispiel rechnen sich Wärmepumpen bei günstigerem Strom im Vergleich zu Ölheizungen schneller. Und im Bundestag wollen das auch viele, vom Wirtschaftsflügel der Union bis zu den Umweltpolitikern in der SPD. Fragt sich bloß, ob ausreichend Geld dafür da ist, denn jede EEG-Absenkung wird richtig, richtig teuer, insgesamt kostet das EEG die Verbraucher gut 10 Milliarden Euro pro Jahr.

Auch sonst gibt es lange Wunschlisten für Energie und Klimaschutz. Zum Beispiel haben viele Koalitionäre die Anschubförderung von Wasserstofftechniken im Blick. Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger, weil damit viele Industrieprozesse klimaneutral werden könnten, was aber an vielen Stellen weitere Forschung und riesige Investitionen erfordert.

Beispiel Stahl: Das Werk selbst muss neu ausgerüstet werden, es braucht wasserstofffähige Gasleitungen. Dazu Elektrolyseure, die aus grünem Strom Wasserstoff herstellen – und schließlich auch die Grünstromquellen. Die Industrie macht Druck, damit es endlich Hilfe vom Staat dafür gibt. Fast alle sind sich einig: Klimaschutz sollte im Zentrum des Konjunkturpakets stehen.

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