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Flagge zeigen. China will zum Hochtechnologie-Land werden.

© dpa

Vor Gabriels China-Reise: Kritik an Chinas Protektionismus

Deutsche Konzerne klagen, dass die Marktbarrieren in China zunehmen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will das auf seiner China-Reise ansprechen.

Von Carla Neuhaus

Es ist kalt geworden in der chinesischen Hauptstadt. Kurz vor Sigmar Gabriels Ankunft in Peking sind die Temperaturen dort nachts auf minus zwei Grad gefallen. Das frostige Wetter passt zur Reise des Wirtschaftsministers. Schließlich sind auch die Beziehungen zwischen China und Deutschland unterkühlt. Gabriel hat die Übernahme des deutschen Spezialmaschinenbauers Aixtron durch den chinesischen Fujian-Grand-Chip-Fonds untersagt. Auch den geplanten Verkauf der Osram-Lampensparte Ledvance an ein Konsortium um den chinesischen MLS-Konzern will der Wirtschaftsminister prüfen. In der Volksrepublik kommt das nicht gut an, weshalb Chinas Außenministerium bereits den deutschen Gesandten einbestellt haben soll.

Gabriels China-Reise wird daher wohl alles andere als entspannt. Zumal sein Ansehen in China ohnehin nicht so gut ist wie das von Kanzlerin Angela Merkel. Während die Chinesen sie als verlässliche Pragmatikerin schätzen, gilt Gabriel als Politiker, der die China-Reise für seinen Wahlkampf nutzen will. Dabei hat sich Kanzlerin Merkel in der Sache bewusst hinter Gabriel gestellt. Wie der Wirtschaftsminister pocht auch sie auf Chancengleichheit für Unternehmen beider Länder. Zwar sei man in der Bundesregierung überzeugt, dass der deutsche Markt Investitionen aus dem Ausland offen stehen müsse – auch aus China. Gleichzeitig müsse Deutschland als Industriestandort aber gegen unfaire Wettbewerbssituationen geschützt werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er verwies auf Pläne der EU-Handelsminister, sich auf Schutzinstrumente verständigen zu wollen.

Deutsche klagen über Marktbarrieren in China

Wie Deutschland fürchten auch andere EU-Länder um ihre Schlüsseltechnologien. Dabei geht es längst nicht nur um Übernahmen europäischer Konzerne durch Chinesen sondern auch um die Hürden, die ausländische Unternehmen in China überwinden müssen. Gabriel stört sich zum Beispiel an den Marktbarrieren für deutsche Automobilkonzerne. In einem Meinungsbeitrag für „Die Welt“ kritisiert er, „dass deutsche Unternehmen wegen ihrer hohen Qualität ausgebremst werden sollen, um heimischen einen Vorteil zu verschaffen, der mit Wettbewerb nichts zu tun hat“. Denn noch muss jeder Automobilkonzern, der in China produzieren will, ein Joint-Venture mit einem chinesischen Unternehmen gründen. Und bei der Produktion von Elektroautos könnte China sogar noch strenger werden. So sehen neue Gesetzespläne vor, dass ausländische Konzerne nur dann E-Autos im Land herstellen dürfen, wenn sie auch die Entwicklung in China ansiedeln. Wenn das Gesetz so käme wie geplant, liefe das auf einen kompletten Technologietransfer hinaus, heißt es.

Experten sprechen bereits von einem „ökonomischen Nationalismus“. Und der trifft längst nicht nur die Automobilindustrie. So sollen künftig bei Ausschreibungen für Bahnprojekte heimische Hersteller bevorzugt werden. Deutsche Konzerne, die seit Jahren in China aktiv sind, wären damit außen vor. Auch Nahrungsmittel- und Agrarimporte werden restriktiver gehandhabt. Geplante Quarantäne-Regeln könnten die Einfuhren aus Deutschland sogar zum Stillstand bringen. Jedes Bonbon, jeder Keks müsste in Zukunft zertifiziert werden, um eigene Hersteller zu schützen.

Immer mehr Firmen beschweren sich bei der Botschaft

Entsprechend ist die Zahl der Beschwerden und Hilfegesuche an die Deutsche Botschaft in Peking seit Jahresanfang auch „sehr stark in die Höhe geschnellt“, wie aus der deutschen Vertretung in Peking zu hören ist. Beklagt werden neue Marktbarrieren, erschwerte Lizenzverfahren, Diskriminierung gegenüber chinesischen Unternehmen, erzwungener Technologietransfer und Produktpiraterie. Für Peking sei Europa ein „üppiges Büfett“, klagt Jörg Wuttke, der Chef der Europäischen Handelskammer in China. „Für uns dagegen hat China nur ein paar Teller reserviert und eine Suppe, und basta.“

Die Chinesen sehen das naturgemäß anders. „Wir wissen, dass wir das Umfeld für Investitionen verbessern müssen“, sagte Chinas Außenminister Wang Yi am Montag. „Aber die Tür Chinas wird sich für ausländische Investitionen immer weiter öffnen.“ Dies sei eine „unumkehrbare Entwicklung“. Gleichzeitig müsse man jedoch anerkennen, dass es noch einen Unterschied hinsichtlich des Entwicklungsstandes zwischen seinem Land und den Industrieländern gebe. „Wir können nicht akzeptieren, dass China nach den Kriterien der Industrieländer beurteilt wird.“

China soll zum Hochtechnologieland werden

Die Regierung in Peking will die Wirtschaft im Land umbauen, China soll nicht mehr die Werkbank der Welt sein. Staats- und Parteichef Xi Jinping hat das Ziel ausgegeben, dass die Volksrepublik in den nächsten neun Jahren zum Hochtechnologieland aufsteigen soll. Um das zu schaffen, versuchen die chinesischen Konzerne das nötige Know-how auch über Zukäufe ausländischer Firmen zu erlangen. Ob sich Europa deshalb gegenüber den Chinesen abschotten sollte, ist umstritten. Daimler-Chef Dieter Zetsche etwa hält davon wenig. „Wenn ich Zäune hochziehe, dann werden die Unternehmen müde und träge“, sagte er dem „Handelsblatt“. „Die Stärke des Wirtschaftsstandortes Deutschland kommt doch daher, dass Wirtschaft und Staat weitgehend getrennt sind. Diese Trennung sollten wir auch erhalten.“ Zetsche erinnerte an die Diskussion um den Patentschutz. „Da hieß es vor einiger Zeit noch, die Chinesen klauen und kopieren. Das ist Unsinn“, sagte der Daimler-Chef. „China bildet mehr Ingenieure aus als wir.“ Das Land habe daher ein „hohes Eigeninteresse, Patente zu schützen“. mit dpa,AFP,rtr

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