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Wirtschaft: Vorstand auf 620-DM-Basis

"Kunden" und "Know-how" steht auf den zwei größten Schubladen des schwarzen Containerschranks in seinem neuen, noch spärlich möblierten Büro.Und das sind auch die zwei wichtigsten Faktoren für den großen Erfolg, den sich Claus Rottenbacher mit seiner jungen Firma mitten in Berlin erhofft.

"Kunden" und "Know-how" steht auf den zwei größten Schubladen des schwarzen Containerschranks in seinem neuen, noch spärlich möblierten Büro.Und das sind auch die zwei wichtigsten Faktoren für den großen Erfolg, den sich Claus Rottenbacher mit seiner jungen Firma mitten in Berlin erhofft.Der 32jährige Vorstand der Ampere AG ist der erste deutsche Energiebroker.Die Chance der Liberalisierung des Strommarktes von Ende April hat er sofort und voller Elan genutzt.Der jungdynamische Rottenbacher war noch bis Mitte April bei der internationalen Unternehmensberatung A.T.Kaerney tätig.

Zwar war er dort sehr zufrieden, noch spannender aber findet Rottenbacher seine neue Selbständigkeit.Vor allem die Gestaltungsfreiheit und die Herausforderung, die Monopolszene der großen Stromversorger aufzumischen.Wenn er kaufmännischer gedacht hätte, dann hätte er Ampere woanders gegründet.Aber er und seine Frau fühlen sich so wohl in Berlin.

Das Know-how hat der geborene Stuttgarter - seit seinem zwölften Lebensjahr ist er Berliner - vor allem in den Jahren bei A.T.Kearney bekommen.Er hat dort nach seinem Wirtschaftsingenieursstudium und anschließender Promotion seit 1995 Regionalstromversorger und Stadtwerke im In-und Ausland beraten.Damit kennt er seine zukünftigen Verhandlungspartner gut.Auch ihre Schwachstellen: "Die sind doch überhaupt nicht vorbereitet auf den Wettbewerb, von Kundenorientierung keine Spur.Kunden heißen da nur Abnehmer."

Mit spitzbübischem Grinsen erzählt Rottenbacher, daß er auch von den Stromversorgern Jobangebote hatte, aber die sind ihm zu "alt, verkrustet und unflexibel, die wurden doch zuletzt in den 50er Jahren modernisiert".Mit Begeisterung beschreibt er seine Pläne, wie er kleinen und mittelständischen Unternehmen mit der Bündelung ihrer Nachfrage helfen will, ihre Strompreise zu senken."Wenn uns ein Versorger kein gutes Angebot macht, gehen wir einfach zu einem anderen, ob in Bayern oder sonst wo.Auf dem neuen freien Markt muß man jetzt soviel wie möglich wirbeln und die Kunden informieren." Er ist sicher, daß es bald in Deutschland wie in der Schweiz auch eine Strombörse geben wird: "Da wird dann Strom wie Schweinebäuche gehandelt, mit stündlich schwankenden Preisen", schwärmt er.

Bei den Verhandlungen wird er sich mit den Größten der Strombranche anlegen, das weiß er: "Da wird sicher nicht mit Wattebäuschchen geworfen." Aber Angst hat er "überhaupt keine".Einige Kunden hat der Energiebroker bereits.Auch die Geschäftsführer großer Unternehmen rufen ihn an, wie er überrascht feststellt.Da er die Verhandlungen kostenlos anbietet und erst an der tatsächlichen Stromeinsparung eines Betriebs beteiligt wird, rechnet Rottenbacher erst zum Frühjahr 1999 mit ersten Einnahmen.Bis dahin lebt er vom Vertrauen seiner Aktionäre - alles Privatleute, betont er - und will sich selbst von diesem Kapital nicht gleich hohe Bezüge zuteilen: "Ich bin Vorstand auf 620-Mark-Basis", sagt Claus Rottenbacher lachend.

POLLY SCHMINCKE

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