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Wirtschaft: VW erwägt Werksschließungen

Vorstand kündigt „schmerzhafte Veränderungen“ an / Betriebsrat spricht von Managementfehlern

Berlin - Vorstand und Betriebsrat von VW streiten öffentlich über die bevorstehenden Sanierungsschritte. Während VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard am Montag „Schließungen von Bereichen, die weit von der Wettbewerbsfähigkeit entfernt sind“ ins Gespräch brachte, schrieb der Betriebsrat in einem offenen Brief an die Beschäftigten, „wir sind nicht mehr bereit, für immer neue Managementfehler zu zahlen“. Wenn Bernhard jetzt über Schließungen spekuliere, „verstehen wir das wirklich nicht unter einem kompetenten, ideenreichen und verantwortungsvollen Führungsstil“, schrieb Betriebsratschef Bernd Osterloh. Vergangenen Freitag hatte der Vorstand ein „Restrukturierungsprogramm“ angekündigt, von dem „bis zu 20 000 Mitarbeiter der Marke Volkswagen Pkw betroffen sein könnten“. Die Börse reagierte euphorisch. Am Freitag gewann die Aktie fast zehn Prozent und am Montag gut fünf Prozent.

In einem am Montag veröffentlichten Interview der Mitarbeiterzeitung „autogramm“ äußern sich VW-Markenchef Bernhard und Personalvorstand Horst Neumann über die Situation des Unternehmens und die sich daraus ableitenden Schlussfolgerungen. Bernhard zufolge hätten die „traditionellen Volkswagen-Werke einen hohen dreistelligen Millionenbetrag als Verlust eingefahren“. Personalvorstand Neumann ergänzte: „Wir können nicht zusehen, wie uns Toyota und andere davonfahren.“ Neumann, der viele Jahre für die IG Metall arbeitete, war im Herbst von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und dem IG-Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters gegen den Widerstand von VW-Chef Bernd Pischetsrieder durchgesetzt worden.

In dem Interview stellte Neumann die Arbeitszeit zur Disposition. Wegen der 28,8- beziehungsweise 30-Stunden-Woche „haben wir die kürzesten Arbeitszeiten“, andere würden „für dasselbe Geld länger arbeiten“. Neumann, der Peter Hartz als Personalvorstand nachfolgte, bekannte sich ausdrücklich zum Tarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2011 ausschließt. Allerdings sei die Sicherheit der Arbeitsplätze „unter den jetzigen Rahmenbedingungen“ nicht zu gewährleisten. Bernhard kündigte „schmerzhafte Veränderungen“ und „Turbulenzen in den nächsten Monaten“ an. VW brauche pro Fahrzeug doppelt so viele Produktionsstunden wie die Wettbewerber und habe in Europa Überkapazitäten von 20 Prozent. VW könnte also ein Fünftel mehr Autos bauen, als tatsächlich aus den Fabriken kommen.

Besonders schwierig ist die Situation in einigen Komponentenwerken. In Braunschweig etwa produziert VW Achsen und Getriebe, in Salzgitter Motoren und in Kassel diverse Komponenten. Einige Bereiche seien „weit von jeglicher Wettbewerbsfähigkeit entfernt“. Deshalb müssten Schließungen ins Auge gefasst werden. „Oder wir finden einen Partner, der die Bereiche übernimmt und besser als wir in der Lage ist, die Arbeitsplätze zu erhalten“, sagte Bernhard. Für die kommenden drei Jahre kündigte der Manager eine Erhöhung der Produktivität um bis zu 30 Prozent an. Ferner müssten Autos, die jetzt entwickelt werden, „in Bezug auf Fertigungszeit und Komplexität dramatisch verbessert werden“. Neumann sagte, in dieser Woche würden dem Betriebsrat „unsere Untersuchungen und Wettbewerbsvergleich vorgelegt, um darüber zu beraten. „Wir wollen zügig zu einem Ergebnis kommen.“

Der Betriebsrat wiederum schreibt, er habe in den letzten Wochen den Vorstand „mehrfach aufgefordert, endlich die Karten auf den Tisch zu legen“. Die Belegschaft sei es leid, „häppchenweise beunruhigende Nachrichten aufgetischt zu bekommen“. „Statt Gejammer über die schwierige Situation wollen wir für alle Seiten tragfähige Lösungskonzepte vom Vorstand.“ Der Betriebsrat strebe Lösungen an, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens stärken, „aber auch die soziale Balance halten“. Betriebsratschef Osterloh warf Bernhard vor, „Tafelsilber verscherbeln“ zu wollen. „Das kann jeder auf dem Flohmarkt und hat nichts mit intelligentem Management zu tun“.

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