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Ein großes VW-Logo steht auf dem Verwaltungshochhaus vom Volkswagen-Werk.

© Sina Schuldt/dpa

Update

VW zahlt zwischen 1350 und 6257 Euro: Für wen sich der Dieselvergleich auf jeden Fall lohnt

Gebrauchtwagenkäufer profitieren, außerdem alle Dieselkunden, die schnell und unkompliziert an ihr Geld kommen wollen. VW macht im März ein Angebot.

Knapp viereinhalb Jahre nach Bekanntwerden des VW-Dieselskandals haben sich Europas größter Autohersteller und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) jetzt doch noch auf einen Vergleich für Hunderttausende Dieselkunden geeinigt. "Es ist ein Lichtblick in dem dunklen Kapital und ein Erfolg", sagte VZBV-Chef Klaus Müller am Freitag in Berlin. Die VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner sprach von einer „fairen und praktikablen Vergleichslösung“.

Das Ergebnis der monatelangen Verhandlungen, das dem Tagesspiegel in Teilen vorliegt, sieht so aus: Mehr als eine Viertelmillion VW-Dieselkunden, deren Autos einen Manipulationsmotor EA189 haben, sollen je nach Modell und Alter ihres Autos Entschädigungen zwischen 1350 und 6257 Euro erhalten.

262.500 Geschädigte erhalten ein Angebot von VW

Durchschnittlich sollen rund 15 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises ausgezahlt werden, teilten die Verbraucherschützer am Freitag in Berlin mit. 262.500 Geschädigte sollen ein entsprechendes Angebot von VW erhalten. Das sind die Kläger, die im Klageregister der Musterfeststellungsklage des VZBV eingetragen sind, und die die Voraussetzungen für den Vergleich erfüllen. Die Betroffenen können dann selbst entscheiden, ob sie das Angebot annehmen oder in Einzelklagen weiter für mehr Geld streiten.

Spricht von einer "fairen und praktikablen Vergleichslösung": VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner.
Spricht von einer "fairen und praktikablen Vergleichslösung": VW-Rechtsvorständin Hiltrud Werner.

© AFP

Volkswagen plant für die Entschädigungen eine geschätzte Gesamtsumme von bis zu 830 Millionen Euro ein. Auf diese Summe hatten sich VW und die Verbraucherschützer aber bereits vorher verständigt.

Die Vergleichsverhandlungen waren jedoch vor zwei Wochen geplatzt, weil VW die Honorarforderungen der Verbraucheranwälte von 50 Millionen Euro, die dafür die Abwicklung des Vergleichs übernehmen wollten, nicht ohne detaillierte Leistungsnachweise zahlen wollte. Dass es jetzt doch noch eine Einigung gibt, liegt maßgeblich an dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Braunschweig, Wolfgang Scheibel, der die Parteien wieder an einen Tisch geholt hatte.

Für VW wird der Vergleich teurer

Für VW könnte der am Freitag unterschriebene Vergleich jedoch deutlich teurer werden als die geplatzte Einigung. Der Konzern übernimmt nämlich jetzt die Abwicklung selbst und baut dazu eine Internetplattform und ein Call-Center auf. Zudem kann sich jeder Kläger, der von dem Vergleich betroffen ist, auf Kosten von Volkswagen anwaltlich beraten lassen, ob er das Vergleichsangebot annehmen soll oder besser eine Einzelklage erhebt. Allein die Rechtsberatungskosten von bis zu 190 Euro pro Beratung würden fast 50 Millionen Euro ergeben, wenn alle Verbraucher eine solche Beratung in Anspruch nehmen würden.

Volkswagen bezahlt aber darüber hinaus noch Wirtschaftsprüfer, die die Abwicklung der Vergleiche überprüfen sollen, seine eigenen Anwälte und übernimmt zudem die Kosten der Verbraucheranwälte. Außerdem soll eine dreiköpfige Ombudsstelle eingerichtet werden, an die sich Kunden bei Streit wenden können.

VW-Chefjustiziar Manfred Döss betonte: "Wichtig war beiden Seiten, dass eine unabhängige Kontrolle der Umsetzung und eine transparente Abwicklung des Vergleichs erfolgt." Beides sei gewährleistet. Ein VW-Sprecher ergänzte, bei dem Honorarstreit mit dem VZBV sei es nie um die Summe gegangen, sondern nur um den Nachweis, was die Anwälte für das Geld bieten wollten.

Vertreter der niedersächsischen Landesregierung, die im VW-Aufsichtsrat sitzen, begrüßten den Vergleich.  „Es ist gut,“ sagte Ministerpräsident Stephan Weil, „dass mit dem heutigen Vergleich zahlreiche Gerichtsverfahren entbehrlich werden. Für den Rechtsfrieden ist eine gütliche Einigung stets besser als ein streitiges Urteil.“ „ Jetzt können viele der von den Dieselmanipulationen betroffenen Kundinnen und Kunden von Volkswagen rasch und unkompliziert Entschädigungszahlungen erhalten", freut sich auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann.

Im zweiten Anlauf zum Erfolg: Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller.
Im zweiten Anlauf zum Erfolg: Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller.

© AFP

Was Kunden jetzt tun müssen

Kunden müssen jetzt erst einmal nichts tun. VW wird die Betroffenen von sich aus anschreiben. Das soll bis Mitte März geschehen. Jeder Dieseleigentümer bekommt ab dem 20. März ein individuelles Angebot, das sich nach dem Modelljahr und dem Autotyp richtet. Man hat bis zum 20. April Zeit, sich zu entscheiden. Zudem kann man auch, wenn man einen Vergleich unterschrieben hat, noch zwei Wochen danach von dem Vergleich zurücktreten und selber Klage einreichen. Eine Einzelklage soll mindestens bis Oktober möglich sein.

Für wen lohnt sich der Vergleich?

Vor allem Gebrauchtwagenkäufer dürften von dem Vergleich profitieren, sagt Tobias Ulbrich, einer der vom VZBV beauftragten Dieselanwälte aus der RUSS Litigation. VW will nämlich keinen Unterschied zwischen Neu- und Gebrauchtwagen machen. "Ein Gebrauchtwagen könnte überkompensiert sein", glaubt der Anwalt.

Ansonsten sollte jeder das Angebot "sehr sorgfältig prüfen", sagte Müller. Der Vergleich biete den Menschen die Gelegenheit, "schnell und unkompliziert" an ihr Geld zu kommen. „Der VZBV hat für mehr gestritten. Aber im Rahmen der schwierigen Verhandlungen ist das Ergebnis das maximal Erreichbare“, betonte der Verbraucherschützer. Das Angebot von VW liege im Rahmen der bisher vor deutschen Gerichten in ähnlichen Prozessen erzielten Entschädigungssummen.

Die Potsdamer Kanzlei Goldenstein & Partner rät Kunden zur Einzelklage, diese würde bessere Konditionen bringen. Tatsächlich sind die Erfolgsaussichten, Schadensersatz zu bekommen, vor den Gerichten gut. Unklar ist aber noch, ob die Dieselfahrer an VW eine Nutzungsentschädigung zahlen müssen für die Kilometer, die sie mit dem Auto zurückgelegt haben.

Mit dieser Frage wird sich auf höchster Ebene erstmals der Bundesgerichtshof am 5. Mai beschäftigen. VW war es wichtig, die Vergleiche vor diesem Termin unter Dach und Fach zu bringen, bevor möglicherweise ein verbraucherfreundliches Urteil ergeht.

Musterverfahren in Braunschweig: Der Prozess wird jetzt beendet.
Musterverfahren in Braunschweig: Der Prozess wird jetzt beendet.

© AFP

Musterverfahren wird beendet

Verjährung müssen die Kunden nicht befürchten. Das Vergleichsangebot richtet sich ausschließlich an die Kläger der Musterfeststellungsklage, die mit ihrem Beitritt zur Klage die Verjährung gehemmt haben. Die Verbraucherzentralen hatten stellvertretend für mehrere Hunderttausend Dieselfahrer die Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig eingereicht, um Schadensersatz für Autos mit zu hohen Abgaswerten zu erstreiten. Dass die Kläger jetzt frei sind, auf eigene Faust zu klagen, liegt daran, dass der VZBV die Musterklage zurücknimmt.

Wer nicht profitiert

An der Musterfeststellungsklage hatten sich ursprünglich 446.000 Menschen beteiligt. Ziehe man Doppelanmeldungen, Rücknahmen und offensichtlich unbegründete Anmeldungen zurück, bleiben 330.000 übrig, sagt Müller. Kein Vergleichsangebot werden aber die im Register eingetragene Dieselbesitzer bekommen, die ihr Auto nach dem 31. Dezember 2015 gekauft haben oder zum Zeitpunkt des Kaufs ihren Wohnsitz nicht in Deutschland hatten.

"Wir finden zwar, dass auch diese Menschen Ansprüche haben", betonte Müller. Die Grundlagen seien aber so individuell, dass sie im Rahmen einer Musterklage nicht geklärt werden könnten. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei weltweit Millionen von Dieselautos aus dem VW-Konzern war Ende September 2015 öffentlich geworden.

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