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Nach oben. Die Bauwirtschaft konnte nach dem harten Winter vieles nachholen.

© dpa

Wachstum: Auf mit Schwung

Nach den guten Quartalszahlen steht Deutschland vor einem Rekordwachstum – aber nur noch 2010. In diesem Tempo wird es auf Dauer nicht weitergehen, befürchten Ökonomen.

Berlin - Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr womöglich ein Rekordwachstum erleben, muss sich aber auf eine Abkühlung der Konjunktur im kommenden Jahr einstellen. Davor warnen Unternehmen und Wirtschaftsforscher nach den überraschend guten Zahlen zum zweiten Vierteljahr, die das Statistische Bundesamt am Freitag vorgelegt hat.

Im zweiten Quartal war die deutsche Wirtschaft um 2,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gewachsen – das war mehr als in jedem anderen Quartal seit der Wiedervereinigung. Mit einem derart starken Wert hatte kaum ein Wirtschaftsforscher gerechnet. Zugleich korrigierten die Statistiker ihre Zahlenreihen nach oben: Für das erste Quartal erhöhten sie das Wachstum von 0,2 auf 0,5 Prozent. Zudem berechneten sie das Ausmaß der Krise 2009 neu: Die Wirtschaft schrumpfte in Folge der Finanzkrise demnach nicht um 4,9, sondern nur um 4,7 Prozent. Dies erklärt zum Teil das starke Wachstum: Nach einer Talfahrt kann es ebenso steil wieder bergauf gehen.

Antreiber im Frühjahr war der Export, der im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Fünftel zugelegt hatte. Die traditionell starken deutschen Branchen trumpften auf. In Schwellenländern sind deutsche Luxusautos gefragt. Der mittelständische Maschinenbau hat ein Drittel mehr Aufträge als vor einem Jahr. Und die Chemiebetriebe produzieren fast wieder auf dem Niveau von vor der Krise. Das sorgt auch in der Logistikbranche für gute Geschäfte: Der Hamburger Hafenlogistikkonzern HHLA etwa spürte eine kräftige Erholung des Containerverkehrs. HHLA-Chef Klaus-Dieter Peters sprach von Zuwächsen um bis zu 20 Prozent. Viele Reeder berichten von steigenden Frachtraten.

Hinzu kamen Nachholeffekte auf dem Bau. Angesichts des langen Winters konnte die Branche erst im späten Frühjahr ihre Aufträge abarbeiten. Auch der private Konsum spielte eine Rolle, der in den vergangenen Quartalen schwach gewesen war. Außerdem machten sich die Konjunkturprogramme bemerkbar, die die Bundesregierung als Reaktion auf die Krise aufgelegt hatte. Sie machen immerhin zwei Prozent der Wirtschaftsleistung aus, das ist mehr als in den meisten anderen Industrieländern des Westens.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte denn auch, von einem „Wachstumswunder“ könne man nicht sprechen. „Aber wir erleben derzeit einen Aufschwung XL.“ Nun komme im gesamten Jahr sogar ein Wachstum von weit mehr als zwei Prozent in den Bereich des Möglichen. Bislang war die Regierung von 1,4 Prozent ausgegangen.

Andere Ökonomen gehen noch weiter. Viele rechnen mit 2,5 bis drei Prozent, die Commerzbank mit dreieinviertel, die Deutsche Bank und die italienische Unicredit sogar mit dreieinhalb Prozent. „Das ist Wahnsinn“, sagte Unicredit-Volkswirt Alexander Koch angesichts der neuen Daten. Er sprach mit Blick auf den Schub durch den Export von einer „Rückkehr des deutschen Geschäftsmodells“.

Gustav Horn, Chefvolkswirt des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, mahnte zur Vorsicht. „2,2 Prozent Wachstum sind nicht das Grundtempo der Konjunktur.“ Von einem Aufschwung zu sprechen sei überdies verfrüht, da die Unternehmen ihre Kapazitäten noch immer nicht voll auslasteten. Er geht davon aus, dass die Wirtschaft das hohe Expansionstempo nicht halten kann. „Die Konjunkturprogramme, die diesen Aufschwung tragen, laufen aus, hinzu kommen Sparprogramme in mehreren Ländern.“ Deshalb müssten nun die Löhne spürbar erhöht werden. Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft riet von einem solchen Schritt ab. „Es sei denn, dieses Land will sich mit einer Arbeitslosigkeit von 3,5 Millionen zufrieden geben.“

Eine Belastung für die Weltwirtschaft ist die Lage in den USA und in China. Die US-Notenbank Fed hatte erst am Dienstag Zweifel am Aufschwung erkennen lassen. Vor allem der Konsum schwächelt in Folge der Krise. In China versucht die Regierung, das hohe Wachstum zu bremsen – das Land ist aber ein wichtiger Markt für deutsche Güter. Schon stellen sich deutsche Unternehmen auf eine gebremste Entwicklung ein. Volkswagen etwa, Europas größter Autohersteller, rechnet für den Rest des Jahres mit einem schwierigeren Umfeld und einem schrumpfendem Weltmarkt, wie Vertriebsvorstand Christian Klingler am Freitag erklärte.

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