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Wirtschaft: Waigel will von Brüssel Geld zurück

Deutschland bringt mit 22 Mrd.DM 60 Prozent der EU-Finanzen auf / Finanzminister: "Schmerzgrenze" für Nettozahlungen setzenVON TOM WEINGÄRTNER BONN.

Deutschland bringt mit 22 Mrd.DM 60 Prozent der EU-Finanzen auf / Finanzminister: "Schmerzgrenze" für Nettozahlungen setzenVON TOM WEINGÄRTNER BONN.Mit dem Kampfschrei "I want my money back!" hat die britische Premierministerin Thatcher 1984 einen Teil des britischen EU-Beitrages zurückgeholt.Einen solchen Coup möchte Finanzminister Theo Waigel jetzt auch landen.- und so die Deutschen in Staunen versetzen.Vor allem in seiner bayerischen Heimat, denkt der CSU-Chef, käme das gut an.An diesem Wochenende hat Waigel die Kollegen Finanzminister wissen lassen, daß er es der Eisernen Lady gleichtun möchte.Die Kommission müsse bei ihren Vorschlägen zur Finanzierung des EU-Haushaltes ab dem Jahr 2000 den deutschen Wunsch berücksichtigen, netto weniger für Europa zu bezahlen. Andere "Nettozahler" wie Österreich, Holland und Schweden, heißt es im Bonner Finanzministerium, hätten Waigel beim Treffen der Finanzminister in York unterstützt und forderten ebenfalls eine Begrenzung ihres EU-Beitrages. Was genau gemeint ist, erläutert Klaus Regling, Leiter der Abteilung für Europäische und Internationale Finanzbeziehungen im Finanzministerium.Deutschland, sagt er, zahle in diesem Jahr 44,4 Mrd.DM in die EU-Kasse, die Hälfte davon fließe wieder für die Landwirte, die neuen Bundesländer und in Form von sonstigen Subventionen in die Bundesrepublik zurück.Bleiben unterm Strich 22 Mrd.DM oder 11,9 Mrd.Ecu in Brüssel hängen.Mit 0,6 Prozent ihres Sozialproduktes, so haben die Ministerialen in Bonn ausgerechnet, bringen die Deutschen damit 60 Prozent der EU-Finanzen auf.Das könne auf die Dauer nicht gerecht sein, so Regling.Der Finanzminister hat deswegen eine Schmerzgrenze ins Gespräch gebracht, deren Überschreiten automatisch zu einem Rückzahlungsanspruch des betreffenden Mitgliedsstaates führen würde.Sie könnte beispielsweise bei 0,3 Prozent des Sozialproduktes liegen, also halb so hoch wie der aktuelle deutsche Beitrag sein, erläutert Regling dieses "Kappungsmodell".Werde die Schmerzgrenze überschritten, bekomme Deutschland einen Rabatt, z.B.zwei Drittel des überschießenden Betrages.Für Deutschland würde sich danach in diesem Jahr ein Erstattungsanspruch aus der EU-Kasse von 3,4 Mrd.Ecu errechnen.Einen Teil davon müßte Bonn allerdings selbst finanzieren; einschließlich des Rabattes für die anderen Nettozahler rechnet Regling damit, daß die deutsche Nettobelastung um drei auf 7,7 Mrd.Ecu sinkt. Voraussetzung dafür ist freilich, daß sich die Nettozahlungen auch genau beziffern lassen.Das ist nicht unumstritten.Tatsächlich ist die Bewertung der Zahlungsströme von und nach Brüssel nicht so einfach, wie es in Bonn gerne dargestellt wird.Noch vergleichsweise leicht läßt sich feststellen, wieviel ein Land nach Brüssel überweist.Neben einem festen Anteil an der Mehrwertsteuer sind das die Zölle sowie direkte Zuweisungen aus den staatlichen Haushalten.Allerdings sind die Belastungen eines Landes und seine Zahlungen zwei paar Stiefel.So überweisen die deutschen Zöllner das Geld auch dann als deutschen Beitrag nach Brüssel, wenn eine Ware aus Österreich stammt und in Hamburg verschifft wird, die eigentliche Belastung also der Hersteller in Österreich trägt.Die technischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Nettozahlerposition hält man in Bonn für überwindbar.Ein Konzept, wie das geschehen könnte, hat Bonn aber nicht.Unklar ist auch, wie die EU Rabatte für die Nettozahler finanzieren soll.Selbst wenn sich die angedachte Nachschußpflicht durchsetzen ließe, bliebe das Problem der Haushaltsobergrenze, an die auch Deutschland nicht rühren will.Danach darf die Union höchstens 1,27 Prozent des gemeinschaftlichen Sozialproduktes verteilen.In Bonn, sagt Regionalkommissarin Monika Wulf-Matthies, solle man sich deshalb keine Illusionen machen.Schließlich müßten die ärmeren Mitgliedsstaaten aufbringen, was die Nettozahler wiederhaben wollten."Die hierfür notwendige Einstimmigkeit im Rat zu erzielen, ist ein ehrgeiziges Unterfangen." Zumal die Erweiterung der Union anstehe, die nicht zuletzt von den Deutschen betrieben wird.Das deutsche Kappungsmodell, mit dem "ein Sündenfall zum System" erhoben werde, habe da nur wenig Chancen.

TOM WEINGÄRTNER

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