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Wirtschaft: Wall Street: Ausnahmezustand im Finanzzentrum

Massive Zerstörungen im Finanzviertel der Wall Street und weitere Einsturzgefahr der Gebäude hat die Direktionen der New Yorker Börsenplätze veranlasst, die Wiederaufnahme des Handels auf frühestens kommenden Montag zu verschieben. Aber selbst das ist nicht sicher.

Massive Zerstörungen im Finanzviertel der Wall Street und weitere Einsturzgefahr der Gebäude hat die Direktionen der New Yorker Börsenplätze veranlasst, die Wiederaufnahme des Handels auf frühestens kommenden Montag zu verschieben. Aber selbst das ist nicht sicher. Drei Tage nachdem Terroristen zwei Verkehrsflugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center stürzen ließen, herrscht im größten Finanzzentrum der Welt nach wie vor der Ausnahmezustand.

Mit Schuldgefühlen zurück zur Arbeit

Feuerwehrleute, Polizisten, Bergungstrupps, Kran- und Baggerfahrer arbeiten rund um die Uhr. Sie suchen nach Tausenden von Menschen, die unter dem Schutt der Wolkenkratzer liegen. Die Gegend war auch am Freitag für Busse, U-Bahnen und Privatautos gesperrt. Die Aufräumarbeiten machen zwar Fortschritte, doch die Wiederaufnahme des Börsenbetriebs würde im Urteil von Stadtbeamten und Analysten logistische wie psychologische Probleme aufwerfen.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Umfrage: Haben Sie Angst vor den Folgen des Attentats? Fotostrecke I: Der Anschlag auf das WTC und das Pentagon Fotostrecke II: Reaktionen auf die Attentate Fotostrecke III: Rettungsarbeiten in New York Fotostrecke IV: Trauerkundgebung am Brandenburger Tor Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 gilt als der Hauptverdächtige Bis zu 125 000 Menschen würden am Montag zur Arbeit anrücken. Viele von ihnen könnten Schuldgefühle haben, angesichts der menschlichen Tragödie in die Wall Street zurückzukehren, um Geld zu verdienen, sagen Psychologen. Die Chefs der New York Stock Exchange, des elektronischen Nasdaq-Marktes und der Terminbörse Nasdaq erklärten am Donnerstag, die Probleme würden auch nach der offiziellen Wiedereröffnung auf längere Zeit nicht gelöst werden können.

Am Freitag Vormittag wurden weiterhin Stromausfälle gemeldet und in vielen Häusern funktionierten die Telefone nicht. Die Telefongesellschaft Verizon sagte, man hoffe, den Fernsprechdienst bis Montag zu 90 Prozent herzustellen. "Wir wollen aber niemand etwas vormachen - es wird Monate dauern, bis alles wieder in Ordnung ist", sagte Verizon-Sprecher Eric Rabe. Da U-Bahnen aus New Jersey und den New Yorker Stadtteilen Brooklyn, Queens und Bronx in den Wall Street-Stationen nicht halten können, wird die Möglichkeit diskutiert, die Menschen von einem Sammelplatz im mittleren Teil Manhattans aus in Bussen in die Wall Street zu befördern.

Der Chef der US-amerikanischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde SEC, Harvey Pitt, wollte am Freitag Nachmittag weitere Maßnahmen bekannt geben, um im Falle "geordnete Verhältnisse" zu gewährleisten. Und der Präsident der New Yorker Stock Exchange (Nyse) Richard Grasso hat für Sonnabend und Sonntag zur Vorbereitung des Handels Probesitzungen angekündigt. "Nichts wäre schlimmer, als den Handel wieder aufzunehmen, um ihn gleich danach aus logistischen Gründen wieder einstellen zu müssen", sagte ein Händler.

Am schlimmsten betroffen sind Firmen, die Mitarbeiter verloren haben. Mehr als 50 000 Menschen arbeiteten in den beiden Türmen und umliegenden Gebäuden, die zum World Trade Center gehören. Die auf den Handel mit Staatspapieren spezialisierte Firma, Cantor Fitzgerald, hat etwa 90 Prozent ihrer tausend Mitarbeiter verloren. Die Investmentbank Morgan Stanley Dean Witter hatte in einem der Türme zwanzig Stockwerke belegt und 3500 Menschen beschäftigt, die zum großen Teil verschollen sind. Der Versicherungskonzern AON Corporation konnte keine genauen Angaben darüber machen, wie viele seiner Mitarbeiter sich nicht zurück gemeldet haben. Das Unternehmen beschäftigte 1100 seiner insgesamt 50 000 Mitarbeiter im World Trade Center. Der Ko-Vorsitzende der Firma Keefe, Bruyette & Woods, Joseph Berry, kam bei der Explosion ums Leben und vom Chef der Fondsgesellschaft Fred Alger Management fehlt jede Spur.

Wer zieht noch in Wolkenkratzer?

Nach Schätzungen der Immobilienmakelei Cushman & Wakefield sind von dem Desaster etwa 25 Prozent der kommerziellen Bürofläche im Südteil Manhattans betroffen. Wer Büros braucht, wird sich in Midtown, dem zentralen Geschäftszentrum Manhattans, umschauen doch vermutlich höhere Presie zahlen müssen. "Die gesteigerte Nachfrage dürfte die Preise in Midtown in die Höhe treiben, die ohnehin höher sind als im unteren Teil der Stadt", sagte ein Sprecher der Maklerfirma. Etliche Mieter, darunter die Versicherungsgesellschaft Empire Blue Cross & Blue Shield haben, die im World Trade Center 1914 Mitarbeiter beschäftigten, haben in anderen Teilen der Stadt und in Vororten auf Long Island Unterkunft gefunden.

Noch ist es aber zu früh, um über die Zukunft des Katastrophengebiets zu spekulieren. Silverstein Properties, der neue Pächter der eingestürzten Zwillingstürme, ist fest entschlossen, beim Wiederaufbau des Komplexes mitzuhelfen. "Es wäre eine Tragödie, diesen Teil New Yorks nicht wieder herzustellen", sagte der 70 Jahre alte Larry Silverstein. Silverstein und sein Partner Westfield America hatten sich im Juli mit der Port Authority of New York and New Jersey auf einem über 99 Jahre laufenden Pachtvertrag im Wert von 3,2 Milliarden Dollar geeinigt. Die Behörde betreibt die Flug- und Seehäfen der beiden US-Staaten. Andere Immobilienkaufeute meinten aber, man müsse abwarten, ob künftige Mieter nach dem Terrorangriff bereit seien, überhaupt in einen Wolkenkratzer einzuziehen.

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