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Wirtschaft: Wall Street richtet sich auf weiter fallende Yen-Kurse ein

NEW YORK .Der ehemalige Händler und Arbitrageur zögerte.

NEW YORK .Der ehemalige Händler und Arbitrageur zögerte.Am Abend des 16.Juni billigte er die Aktion eher widerstrebend.Am nächsten Morgen begann die amerikanische Notenbank mit ihrer jüngsten Intervention zur Stützung des Yen.Robert Rubin, ehemaliger Händler, Chef der Investmentbank Goldman Sachs und nun amerikanischer Finanzminister, unterstützte die Aktion mit begleitenden Interviews verbal.Zutiefst überzeugt war er von dem Eingriff in das Getriebe des Devisenmarktes nicht.

Heute wissen wir: Rubin hatte Recht.Zwar stieg der Kurs des Yen gegenüber dem Dollar von 146 bis auf 136 Yen.Doch die Erholung war nicht von Dauer.In den vergangenen Tagen sank die japanische Währung bis auf die Marke von 147 Yen - der tiefste Kurs seit acht Jahren.Und an Wall Street richtet man sich auf Schlimmeres ein.Der Finanzkonzern Merrill Lynch rechnet damit, daß die Währung bis zum Ende des Jahres um weitere zehn Prozent fällt - bis auf 160 Yen.In zwölf Monaten soll ein Dollar dann, so meinen es mehrere Banken an Wall Street, 175 bis 180 Yen kosten; das käme einer Abwertung gegenüber dem heutigen Niveau von 24 Prozent gleich."Das sogartige Geräusch, das Sie hören, ist das Geld, was Japan verläßt", scherzen Devisenhändler in New York.

Die Gründe für diese Entwicklung sind mannigfach.Ausländische Anleger, vor allem die großen institutionellen Investoren aus Amerika und London, rechnen mit weiter fallenden Aktienkursen und verabschieden sich daher aus der japanischen Währung.Eine Umfrage unter ihnen hat jüngst ergeben, daß per Saldo 18 Prozent aller großen Fonds japanische Aktien verkaufen.Die Investoren glauben nicht daran, daß die neue japanische Regierung wirklich zu den lange überfälligen Reformen bereit ist.

Dieser Sichtweise schließen sich offenbar auch immer mehr japanische Anleger an.Auch sie beginnen damit, Geld außer Landes zu schaffen.Das zeigen die jüngsten Statistiken ganz deutlich.Jeden Monat fließen netto 2 bis 2,5 Billionen Yen aus dem Land.Sollte sich dieser Trend stabilisieren oder gar verschärfen, müßten sich die Märkte eingestehen: Bei der Schwäche des Yen handelt es sich nicht um einen temporären Fieberanfall, sondern um eine fundamentale Neubewertung.

Die direkten und indirekten ökonomischen Konsequenzen nicht nur für die Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten wären verheerend.Eine schnelle Abwertung des Yen würde mit einiger Sicherheit zu einem Abwertungswettlauf der Währungen in Asien führen.Die Region würde nicht nur als Abnehmer westlicher Waren ausfallen, sondern auch mehr und mehr Exportvorteile gewinnen.

Die Gewinne westlicher Exporteure kämen in einem bisher nicht bekannten Ausmaß unter Druck.Vor allem für amerikanische Aktien ist das kein guter Ausblick.In diesen Tagen der Turbulenz wird klar: Die Zeit des Investments in Anleihen kommt zurück.

THOMAS KNIPP[HB]

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