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Zunächst soll es bei der geplanten Fusion nur wenige Schließungen geben, aber langfristig kann man die Doppelstandorte, wie hier in Trier, wohl nicht rentabel führen.

© Wolfgang Rattay/REUTERS

Warenhaus-Fusion: Zukunft dringend gesucht

Innovativ waren Kaufhäuser zuletzt vor 160 Jahren, nur mit einer besseren Verzahnung von Filial- und Onlinegeschäft können sie überleben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Endlich wurde geöffnet, und der Strom der Kunden setzte ein. Gleich in der ersten Stunde, noch ehe die dahinterliegenden Geschäftsräume sich gefüllt hatten, entstand unter dem Eingang ein solches Gedränge, dass die Polizei einschreiten musste, um den Bürgersteig für den Verkehr freizuhalten.“ Wie revolutionär, faszinierend und populär die Einführung des Kaufhauses war, kann man bei Émile Zola nachlesen. In seinem 1883 erschienen Roman „Das Paradies der Damen“ beschreibt er die Gründung der großen Pariser Kaufhäuser wie „Le Bon Marché“ Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die Parallelen zu heute sind erstaunlich: Im neuen „Paradies“ gibt es die Schnäppchenjägerinnen, die kaufsüchtigen Shopping-Queens, die chronischen Kleptomaninnen. Es gibt prekäre Arbeitsverhältnisse, schlechte Bezahlung, Mobbing und eitle Vorgesetzte. Selbst an einen Versandhandel für die Bestellungen aus der Provinz hatte „Le Bon Marché“-Gründer Aristide Boucicaut damals schon gedacht, sowie eine Rücknahmegarantie, Grabbeltische und Kinderabteilungen. Ganz Paris liebte die neuen Kathedralen des Handels, nur für den „nicht mehr konkurrenzfähigen“ Einzelhandel wurden sie zum Albtraum.

Kunden wandern ins Internet ab

Jetzt sind sie selbst nicht mehr zeitgemäß und die Kunden wandern ins Internet ab. Im 21. Jahrhundert wirken Kaufhäuser in deutschen Innenstädten manchmal nur noch wie willkommene Fremdkörper: Wer durch eins geht, kann für einen Augenblick vergessen, dass er in einer Gesellschaft lebt, die 24/7 online ist, in der es de facto keinen Ladenschluss mehr gibt und die zunehmend Probleme zu haben scheint, zwischen Beruf und Freizeit zu trennen.

Aber reicht dieser museale Charme aus als Basis für ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell? Die sich anbahnende Kaufhaus-Ehe zwischen Karstadt und Kaufhof stimmt eher skeptisch. Eine Fusion der beiden Warenhausketten, wenn sie denn zustande kommt, ist aus der Not geboren. Karstadt erwirtschaftet dank eines Sanierungstarifvertrages geringe Gewinne, die Kaufhof-Filialen sind zum ganz überwiegenden Teil defizitär.

Durch die Fusion lassen sich zwar Kosten sparen, weil man Verwaltung, IT, Logistik und Einkauf zusammenlegen kann und sich durch eine Verdoppelung des Einkaufsvolumens günstigerer Konditionen bei den Lieferanten aushandeln ließen. Es reicht aber nicht, nur an der Kostenschraube zu drehen. Die 37 000 Beschäftigten können von Glück reden, dass zunächst kein personeller Kahlschlag droht, weil die Übernahme des Kaufhofs für Karstadt-Eigentümer René Benko noch teurer würde, wenn er laufende Mietverträge und langjährigen Mitarbeiter kündigen würde.

Wenn die fusionierte deutsche Warenhauskette eine Chance haben will, muss sie neue Ideen entwickeln, um die Umsätze wieder anzukurbeln. Sie muss investieren, in die Mitarbeiter und die Filialen. Sie muss das eigene E-Commerce-Geschäft und den stationären Handel noch besser miteinander verzahnen. Sie muss an den jeweiligen Standorten, regionale Produkte anbieten, die es nur bei ihr gibt. Sie muss Dienstleistungen bieten, die Massen-Onlineanbieter wie Amazon nicht können: Beratung, Testen der Produkte, Bindung von Stammkunden, spezielle Garantieangebote. Andere Einzelhändler wie Baumärkte und Elektronikfachhandel sind diesbezüglich schon deutlich weiter.

Ohne Warenhäusern könnten deutsche Innenstädte bald sehr öde aussehen

Nur so könnten Warenhäuser wieder zu „Kathedralen des Einkaufens“ werden, wie einst von Zola beschrieben, die auch großen Einfluss auf das gesellschaftliche Zusammenleben haben. Denn Einkaufen ist weit mehr als die reine Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs, weil es Menschen unterschiedlicher Milieus zusammenbringt. Ohne die Warenhäuser als Anker wird es auch für den umliegenden Einzelhandel schwer werden, zu überleben. Und in Deutschlands Innenstädten könnte es dann bald sehr öde aussehen.

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