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Auf vielen Bahnstrecken in Deutschland ging am Morgen kaum noch etwas.

© dpa

Warnstreik: Bahn kritisiert "überflüssigen" Arbeitskampf

Drei Tage nach dem ersten Warnstreik haben die Lokführer am Freitag erneut die Arbeit niedergelegt. In ganz Deutschland fahren die Züge unter erheblichen Einschränkungen.

Wie die Deutsche Bahn AG am Freitag mitteilte, kommt es wegen der erneuten Warnstreiks der Lokführer im ganzen Bundesgebiet zu Zugausfällen und Verspätungen. Betroffen sind sowohl Fern- als auch der Regional- und Nahverkehr. Das Unternehmen kündigte an, dass sich der Streik den ganzen Tag über auf den Verkehr auswirken werde. Auch am Abend kann es noch zu Behinderungen kommen. Offiziell wollten die Lokführer um 11 Uhr 30 wieder an die Arbeit gehen.

Derzeit befinden sich nach Unternehmensangaben mehrere hundert Mitarbeiter zusätzlich im Einsatz, vor allem um den Kundenservice zu verstärken. Kunden, die ihre Reise streikbedingt nicht antreten konnten, können ihre Fahrkarten und Reservierungen am Schalter erstatten lassen. Unter der Servicenummer 08000 99 66 33 können sich Reisende über aktuelle Verspätungen und Behinderungen informieren.

Wie schon am Dienstag werden auch am Freitag rund 80 Prozent der Züge ausfallen. Davon geht zumindest der Bezirkschef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Frank Nachtigall, aus. Die S-Bahn in Berlin und Brandenburg bleibe diesmal aber verschont.

Ein Sprecher des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) bestätigte, dass in der Region vier Fünftel der Züge der Deutschen Bahn (DB) während des Streiks stehen geblieben seien. Nicht betroffen waren seinen Angaben zufolge die Märkische Regiobahn, der Prignitz-Express und die Niederbarnimer Eisenbahn.

Nachtigall verteidigte den zweiten Ausstand in einer Woche. Man streike bereits jetzt wieder, weil seitens der Arbeitgeber keine Bemühungen zur Wiederaufnahme der Verhandlungen erkennbar gewesen seien. Den Vorwurf, man nehme die Bahnkunden in Geiselhaft, wies Nachtigall zurück. Gleichzeitig betonte der Sprecher, dass die Berliner S-Bahn nicht generell von den Maßnahmen verschont bleiben werde. Sie sei nicht aus dem Streik herausgehalten worden, weil die Zustimmung bei den Passagieren schwinde, „sondern, weil wir auch noch mal unter Beweis stellen wollen, dass wir verantwortungsvoll mit unserer Tarifmacht an der Stelle umgehen“, stellte Nachtigall klar. Der Streik sei ärgerlich für die Kunden, die GDL habe aber nur die Möglichkeit des Ausstands, um ihre Forderungen durchzusetzen.

Die GDL fordert einheitliche Löhne und Gehälter für alle 26.000 Lokführer in Deutschland, egal ob sie Fern-, Nah- oder Güterzüge fahren. In einem Flächentarifvertrag soll ein Entgelt festgeschrieben werden, das bei 105 Prozent des DB-Niveaus liegt.

Auch auf Bundesebene werden Ton und Gangart im Tarifstreit zunehmend schärfer. Mit dem erneuten Warnstreik auf dem gesamten Bundesgebiet "zeigen wir den Arbeitgebern die gelbe Karte für ihr perfides Spiel auf Zeit“, sagte Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL). Er forderte die Arbeitgeber auf, ihre Angebote „deutlich nachzubessern, um weitere Arbeitskämpfe abzuwenden“.

Den Appell verknüpfte der Gewerkschafter mit einem Hinweis auf den 7. März: Dann liegt das Ergebnis der Urabstimmung vor, mit der die GDL sich die Zustimmung ihrer Mitglieder für einen unbefristeten Arbeitskampf holt. Bis zum 7. März dürfte es noch mindestens einen mehrstündigen, aber befristeten Streik geben. Nach der Urabstimmung könnten dann die Züge auch über einen längeren Zeitraum im Depot bleiben. Der Konflikt würde womöglich ähnlich eskalieren wie beim ersten GDL-Streik 2007/08.

Die Deutsche Bahn AG hingegen verurteilt den zweiten Warnstreik in dieser Woche als "überflüssige Machtdemonstration". "Die Beeinträchtigungen für unsere Kunden sind unverhältnismäßig. Die DB und ihre Kunden sind die falschen Adressaten", sagte DB-Personalvorstand Ulrich Weber und forderte die GDL dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Forderungen der GDL nach einem Flächentarifvertrag für alle Lokführer sind Weber nicht konkret genug.

Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat erneut zu einem Warnstreik aufgerufen.
Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat erneut zu einem Warnstreik aufgerufen.

© dapd

Nachdem die Gewerkschaft am frühen Dienstagmorgen alle Bahnen bestreikt hatte – vor allem den Personennah- und -fernverkehr bei der Deutschen Bahn (DB) und ihren sechs größten Wettbewerbern –, gibt es an diesem Freitag eine Ausnahme. „Die Berliner S-Bahn kann ohnehin nur eingeschränkt fahren. Da wir angetreten sind, verantwortungsvoll mit unserer Streikmacht umzugehen, werden wir sie von den morgigen Arbeitskämpfen ausnehmen“, kündigte Weselsky am Donnerstag an. Wie beim letzten Mal informierte die Gewerkschaft erst am Abend über den bevorstehenden Streik. Damit wird den Arbeitgebern die Möglichkeit genommen, mit Ersatzpersonal die Ausfälle zu begrenzen.

In Berlin und Brandenburg sollte zwar die S-Bahn fahren, die Regionalbahnen wurden indes voll in den Streik einbezogen. Klaus Peter Schölzke, Vizechef der GDL für deren Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen, begründete das unter anderem mit der besonderen Problematik im Regionalverkehr: Die GDL will im Tarifvertrag festschreiben, dass bei einem Betreiberwechsel die Lokführer ihr Einkommen behalten. „Das ist eine Kernforderung von uns“, sagte Schölzke am Abend auf Anfrage. Bislang läuft das der GDL zufolge so: Die Ostdeutsche Eisenbahn (ODEG) habe beispielsweise die Ausschreibung von Strecken in Berlin und Brandenburg gewonnen. Wenn nun Lokführer der bundeseigenen DB, die früher die Strecken befuhr, zur privaten ODEG wechselten, bekamen sie bis zu 30 Prozent weniger Lohn und mussten dazu auch noch zwei Stunden länger arbeiten.

Alles in allem will die GDL mehr Geld, einen Flächentarifvertrag für alle Lokführer, egal ob bei der Bahn oder Privaten beschäftigt, und Sonderregeln für den Fall der Berufsunfähigkeit. (mit dapd)

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