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"Ich bin ein Strukturproblem."

© dpa

Update

Warnstreik des Bodenpersonals: Lufthansa streicht fast alle der geplanten 1800 Flüge

Ein Warnstreik hat den Flugbetrieb bei der Lufthansa fast komplett lahmgelegt. Tausende Beschäftigte am Boden sollen im Lauf des Tages die Arbeit niederlegen. Die Lufthansa will deshalb fast alle ihrer knapp 1800 geplanten Flüge streichen.

Streikend werden die Fluggäste heute in Berlin Tegel empfangen. Steigt man aus dem Bus, so haben sich vor dem Flughafengebäude bereits über 80 Mitarbeiter in gelben Neonwesten mit einem Lautsprecherwagen postiert. Aus den Verstärkern dröhnt Musik. Drinnen bilden sich derweil lange Schlangen. Nur ein paar wenige Angestellte der Lufthansa sitzen wie gewohnt auf ihre Plätzen. Doch gearbeitet wird nicht, die Schalter bleiben geschlossen.

Chaos verursacht der Warnstreik des Bodenpersonals der Lufthansa in Tegel bisher jedoch nicht. Dadurch, dass die Fluggesellschaft die bundesweite Arbeitsniederlegung vorzeitig angekündigt hatte, konnte viele der Flüge umgebucht werden. Inlandsfluggäste erhielten außerdem Gutscheine der Deutschen Bahn, um so wenigstens mit dem Zug ans Ziel zu kommen.

Jörg Reichl steht mit seinen Kollegen geschlossen vor dem Flughafengebäude. Er schätzt, dass etwa 90 Prozent des gesamten Bodenpersonals zum Streik in Tegel angetreten sind. Wie vielen gehe es ihm dabei gar nicht so sehr um sein Gehalt: "Wir wären durchaus bereit, uns beim Urlaubs- oder Weihnachtsgeld etwas einzuschränken. Es geht viel mehr um die Sicherung unserer Arbeitsplätze", so Reichl.

Dass er sich um diesen sorgt, ist verständlich, angesichts der Kundgebungen, die verschiedene Vertreter des Betriebsrates heute verlesen. So erklärt ein Mitarbeiter aus Dresden, dass einige Stadtbüros der Lufthansa wegen Umstrukturierungsmaßnahmen bis Ende 2014 geschlossen werden. Betroffen sind davon deutschlandweit insgesamt fünf: Dresden, Mannheim, Köln, Hannover und Nürnberg. Einige der Mitarbeiter sollen anschließend an andere Standorte verwiesen werden, beispielsweise von Mannheim nach Frankfurt oder von Dresden nach Berlin.

Das stößt bei vielen der Streikenden auf Kritik. Brigitte Schäffler (46) arbeitet seit Jahren als Sachbearbeiterin im Stadtbüro der Lufthansa in Berlin und empfindet die bundesweiten Standortschließungen persönlich als sehr hart: "Stellen Sie sich einmal vor: Sie haben die ganze Zeit in Dresden gearbeitet und müssen dann plötzlich nach Berlin umziehen.", sagt sie. An ihrer Brust steckt ein kleiner Button mit der Aufschrift: "Zu alt für ATZ (Altersteilzeit". Auch im Berliner Vertriebsbüro würden Abbauvorgaben bestehen, erklärt Schäffler weiter. Gut 20 Prozent der Stellen sollen hier reduziert werden.

Die Mitarbeiterin einer anderen Airline kann angesichts des Warnstreiks dagegen nur den Kopf schütteln. Sie habe überhaupt kein Verständnis für das Aufbegehren der Lufthansa-Mitarbeiter, die ihrer Ansicht nach im Vergleich genügend Geld verdienen und dazu auch noch reichlich Vergünstigungen bekommen würden.

Bei der Lufthansa hatte am Montagmorgen ein bundesweiter Warnstreik begonnen. Die Fluggesellschaft hatte im Vorfeld fast alle Flüge gestrichen. „Die Streiks sind überall angelaufen mit den ersten Schichten“, sagte Verdi-Sprecherin Martina Sönnichsen. Die Gewerkschaft hatte zu dem ganztägigen Arbeitsausstand aufgerufen und rechnet mit mehreren tausend Technikern und Servicekräften, die sich beteiligen werden.

Knapp 1800 Flüge gestrichen.

Bundesweit sollte am Montag kaum ein Lufthansa-Flugzeug abheben. Von insgesamt 1720 geplanten Verbindungen sollen nur 32 starten. Besonders betroffen sind die Deutschland- und Europa-Verbindungen. Gegen 4.00 Uhr legte das Bodenpersonal der Airline am Stuttgarter Flughafen die Arbeit nieder. „Hier ist bisher kein Schalter besetzt“, sagte Bernd Köster von der Gewerkschaft. In der Nacht war der Warnstreik bereits an Standorten der Lufthansa Technik angelaufen.

Auf den meisten Flughäfen in Deutschland starteten die Warnstreiks des Bodenpersonals gegen 5.00 Uhr. Auch am Lufthansa-Drehkreuz Frankfurt blieben die Schalter am Morgen leer, wie Gerold Schaub von Verdi Frankfurt am Morgen sagte. Großer Andrang herrschte zunächst nicht. „Das Terminal ist fast leer, weil die meisten Passagiere wohl darauf vorbereitet waren.“ Ein Lufthansa-Sprecher sagte, die Fluggesellschaft rechne nicht mit einem großen Ansturm. Sie gehe davon aus, dass sich viele Passagiere im Vorfeld der Warnstreiks informiert hätten.

Dagegen bereitet sich die Bahn auf einen Ansturm an den Gleisen vor, weil Lufthansa-Passagiere, die Flüge gebucht haben, kostenlos mit dem Zug fahren können. Die Bahn hatte angekündigt, zusätzliche Züge und mehr Personal einsetzen.

Verdi fordert im Tarifkonflikt mit Lufthansa 5,2 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von 12 Monaten und Jobgarantien für rund 33 000 Mitarbeiter. Lufthansa hatte die Forderungen mit einem nach Geschäftsfeldern modifizierten und in Teilen erfolgsabhängigen Vergütungsangebot gekontert. Über einen Zeitraum von 29 Monaten kämen einzelne Berufsgruppe auf eine Steigerung von mehr als drei Prozent, hatte Personalvorstand Lauer erklärt. Jobgarantien macht Lufthansa von strukturellen Änderungen etwa zu längeren Arbeitszeiten und verschobenen Stufensteigerungen abhängig.

Es ist bereits die zweite Welle von Arbeitsniederlegungen. Am 21.März waren bei einem kürzeren Warnstreik bundesweit 700 Flüge ausgefallen. Die nächste Verhandlung zwischen den Tarifparteien steht am 29./30. April an. (mit dpa)

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