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Kein Durchbruch. Die Aktienkurse stiegen, auch der Euro verteuerte sich. Von großer Erleichterung war wenig zu spüren. Foto: dpa

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Wirtschaft: Warten auf den großen Wurf

Die Märkte sind unentschlossen, Gewerkschaften und Attac zeigen sich empört, Analysten hoffen auf die Europäische Zentralbank.

Berlin - Es ist nicht der große Wurf, aber es hätte durchaus schlimmer kommen können. Auf diesen gemeinsamen Nenner lassen sich die Reaktionen der Aktien-, Devisen- und Anleihemärkte auf die Vereinbarungen des Brüsseler Krisengipfels bringen. Ähnlich die Stimmen aus Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften: Dass sich die Regierungschefs so schnell auf einen Maßnahmenkatalog einigen konnten, wurde honoriert – die Ergebnisse selbst wurden hingegen höchst unterschiedlich bewertet. Zahlreiche Finanzexperten erwarten, dass sich nun die Europäische Zentralbank (EZB) stärker engagiert – etwa, indem sie ihre Bereitschaft zu weiteren Anleihekäufen aus Schuldenländern erklärt.

Der Deutsche Aktienindex (Dax) kletterte am Freitag nach einem schwachen Start um 1,9 Prozent auf 5986 Punkte. Vor allem in den südeuropäischen Ländern kauften Anleger verstärkt Aktien. Auch die US-Börsen gingen mit Kursgewinnen in den Handel. Der Euro pendelte hingegen um das Kursniveau des Vortages und kostete am Abend – nahezu unverändert – 1,3365 Dollar.

Auch an den Anleihemärkten in Italien und Spanien war die Reaktion nicht eindeutig. In den kürzeren Laufzeiten von zwei und fünf Jahren gaben die Renditen der Staatsanleihen nach, im längeren Bereich von zehn Jahren stiegen sie hingegen leicht an.

Scharfer Protest gegen die Brüsseler Beschlüsse kam von den Globalisierungskritikern von Attac. „Das Ergebnis ist ein Desaster. Die Beschlüsse zu einer Fiskalunion bringen die europäischen Staaten dauerhaft auf einen Rezessionskurs“, sagte Alexis Passadakis vom bundesweiten Attac-Rat. Die „ökonomische und soziale Spaltung Europas“ werde vertieft, ein Zerfall des Euro-Währungsraumes wahrscheinlicher.

Kritik äußerte auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, vor allem an den von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) maßgeblich durchgesetzten gesetzlich festgeschriebenen Schuldenbremsen und automatischen Strafen für Defizitsünder. „Die deutsche Kanzlerin zwingt die Euro-Mitgliedstaaten zu ökonomisch schädlichen Ausgabenkürzungen und Sozialabbau“, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. So werde sich die Krise im Euroraum weiter verschärfen. Die europäische Wirtschaft werde schrumpfen, die Arbeitslosigkeit steigen, die Schulden weiter wachsen.

Was die Kurse von Bank- und Versicherungsaktien steigen ließ, stieß bei einigen Unternehmerverbänden auf Widerstand: Die Finanzbranche soll wohl bei der Rettung von Schuldenstaaten künftig nicht mehr einbezogen werden. Für die Beruhigung der Märkte hätten Europas Staatschefs einen hohen Preis bezahlt, kommentierte Marie-Christine Ostermann, Bundesvorsitzende des Verbandes Die Jungen Unternehmer. „Dieser Preis lautet: dauerhafter Verzicht auf Gläubigerbeteiligung.“ Es sei fatal, dass es eine Beteiligung privater Gläubiger an einem Schuldenschnitt für Pleitestaaten künftig nicht mehr geben solle. Ostermann: „Hiermit verabschiedet sich Europa endgültig vom Prinzip der Einheit von Risiko und Haftung.“ Die Risiken von Schuldenländern würden nun dauerhaft den Steuerzahlern und künftigen Generationen aufgedrückt.

Bankenanalysten rechnen erst mit einer Lösung der Krise, wenn die Europäische Zentralbank Staatsanleihe-Käufe in unbegrenzter Höhe zusagt. „Wenn die EZB nicht mehr macht als bisher angekündigt, dann ist das Risiko sehr groß, dass das Gipfelergebnis nicht ausreicht, um die Krise zu beenden“, warnte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. „Die Politiker haben alles gemacht, was sie ohne EZB tun können. Nun sind die Währungshüter am Zug. Wenn sie sich verweigern, könnte die Konjunktur Anfang 2012 richtig in die Knie gehen.“

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