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Wirtschaft: "Warum schließen Sie sich nicht dem Friedenkorps an?"

Im März 1997 drängten sich die Top-Manager von Microsoft in einen Konferenzraum, in banger Erwartung, wie Präsident Bill Gates einen der tiefgreifendsten internen Konflikte in der Geschichte von Microsoft lösen würde.Es ging um die zunehmende Bedrohung von Gates Kronjuwel, dem Windows-Betriebssystem.

Im März 1997 drängten sich die Top-Manager von Microsoft in einen Konferenzraum, in banger Erwartung, wie Präsident Bill Gates einen der tiefgreifendsten internen Konflikte in der Geschichte von Microsoft lösen würde.Es ging um die zunehmende Bedrohung von Gates Kronjuwel, dem Windows-Betriebssystem.Die Erzrivalen Sun Microsystems und Netscape Communications kombinierten Netscapes absatzstarken Web-Browser mit Suns neuer Java-Software, was die Möglichkeit eröffnen sollte, Software-Programme auf beliebigen Rechnern laufen zu lassen.Das Ziel war, ein neues Betriebssystem zu entwickeln, das Software-Programme unmittelbar aus dem World Wide Web des Internets läd.Ebenso bedrohlich war für Gates die ideologische Spaltung innerhalb der eigenen Reihen.Viele seiner besten Programmierer glaubten, der Anbruch des Internet-Zeitalters werde Windows ein Ende bereiten.

Die Befürworter des Internets, die "Tauben", wurden angeführt von dem ruhigen, aber mächtigen Vizepräsidenten Brad Silverberg.Silverberg sah einen Weg, den Internet Explorer von MS so auszubauen, wie es auch Sun und Netscape vorhatten: als plattformübergreifendes System.Die Verfechter von Windows, die "Habichte", die von einem anderen mächtigen Vizepräsidenten, Jim Allchin, angeführt wurden, empfanden die Pläne der "Tauben" als ketzerisch.Allchin betrachtete Entwicklungen, die anderen Betriebssystemen helfen würden, als Ablenkung und Fehler.Monatelang ließ Gates die beiden Lager miteinander konkurrieren.Im Frühjahr 1997 mußte er sich aber entscheiden.

Einerseits entsprach das Vorhaben der "Tauben" einem Grundprinzip von Microsoft: wenn die Kunden eine Innovation wollen, sollte Microsoft sie tunlichst liefern.Nichtsdestotrotz war der Schlüssel zu Wohlstand und Macht für Microsoft immer seine Fähigkeit, die Software-Entwickler möglichst fest an Windows zu binden.Je mehr Anwendungen nur für Windows erhältlich waren und je gebräuchlicher sie wurden, desto mehr Programmentwickler und Kunden zogen sie an.Diesen Kreislauf drohte das Internet zu durchbrechen.

Der Plan der "Habichte" würde die bestehende privilegierte Stellung von Microsoft dadurch schützen, daß sie die Kunden so fest wie möglich an Windows-beschränkte Versionen des Internet-Browsers und der Java-Technologie binden würde.So sicher dieser Kurs auch schien, bestand andererseits die Gefahr, daß MS alles verlieren könnte, wenn es Sun oder einem anderen Anbieter gelingen sollte, seine Kunden mit echter rechnerübergreifender Software abzuwerben.Aber Gates hatte einen Wissensvorsprung: Seine eigenen Programmierer hatten Schwierigkeiten, den plattformübergreifenden Java-Quelltext befriedigend auf verschiedenen Rechnern laufen zu lassen.Im Rahmen seiner Kampagne für Java hatte Chefentwickler Slivka zwei Teams überredet, Java-Software zu benutzen, um eine Microsoft Office-Programmfamilie für produktive Umwandlungen und für ein Software-Werkzeug mit dem Decknamen "Vegas" zu entwickeln.Beide Teams gingen davon aus, daß Windows verlieren und Java gewinnen würde.Aber die Ergebnisse waren enttäuschend.Der Programmcode, der speziell für Windows geschrieben wurde, lief mindestens dreimal so schnell.Gates konnte also annehmen, daß auch die Experten bei Sun Schwierigkeiten mit Java haben würden.

Es oblag Slivka, als Kopf der "Tauben", die Arbeit seines Teams zu präsentieren.Er klickte das erste Dia an.Es hatte keinerlei Bezug zu Windows.Gates stürzte sich darauf."Es gibt nichts, was ich an diesem Dia mag", brüllte er.Slivka versuchte, es wiedergutzumachen, aber Gates explodierte."Warum geben Sie nicht Ihren Beruf auf und schließen sich dem Friedenskorps an?" soll Gates getobt haben."Hat hier irgend jemand schon einmal etwas von Windows gehört? In dieser Firma geht es um Windows!" Gates hatte sich entschieden, Windows um jeden Preis zu schützen.In den folgenden Monaten entschloß sich Gates, Allchins Vorschlag zu folgen, sich mit Sun und Netscape kein Kopf-an-Kopf-Rennen zu liefern.Die Entscheidung, dem Kurs der "Habichte" zu folgen, verbaute den Weg für eine verlockende, alternative Zukunft von Microsoft.Wenn Gates den anderen Weg eingeschlagen hätte, hätte seine Firma die Pionierarbeit für ein neues Computerzeitalter leisten können, in dem es möglich sein könnte, beliebige Software auf beliebigen Rechnern unter beliebigen Betriebssystemen laufen zu lassen.

Bisher hat sich Allchins Strategie als blühendes Geschäft für Microsoft erwiesen.Da die Anziehungskraft des Internets zu einem Boom bei Billig-PCs geführt hat, ist Windows beliebter denn je.Kürzlich gab Microsoft eine atemberaubende Gewinnspanne von 40 Prozent und einen Kassenbestand von 19 Mrd.Dollar bekannt.Im letzten Jahr holte Microsoft Netscape in Bezug auf die Marktanteile bei Browsern ein.

Dennoch haben die Herren Gates und Allchin vielleicht nur etwas Zeit für Windows herausgeschunden.Wenngleich Java nicht alles hielt, was es versprochen hatte, hat das Web eine Explosion an plattformübergreifender Software, die nicht an Windows gebunden ist, erzeugt.Vermehrt ziehen Anwender Nutzen aus den auf dem Web basierenden Anwendungen.Gates hat im September in einer internen Mitteilung die schwindende Bedeutung von Windows selbst eingeräumt.Er beschrieb Microsofts Bemühungen, einen "Superrechner" zu entwickeln, um Software auszuliefern oder Dienstleistungen über das Internet anzubieten.Microsoft bietet bereits ähnliche Dienste an, wie das "Hotmail", ein E-Mail-Service, der Nachrichten auf einem zentralen Rechner speichert und durch jeden Web-Browser abgerufen werden kann.

Übersetzt und gekürzt von Svenja Rothley (Microsoft, Steuerharmonisierung) und Karen Wientgen (Deutsche Bank, Geldpolitik)

DAVID BANK

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