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Wirtschaft: Warum Schüler scheitern

Waren Azubis früher klüger? Große LangzeitUntersuchungen über die Leistungsfähigkeit deutscher Schüler, die diese Wahrnehmung bestätigen könnten, gibt es zwar nicht.

Waren Azubis früher klüger? Große LangzeitUntersuchungen über die Leistungsfähigkeit deutscher Schüler, die diese Wahrnehmung bestätigen könnten, gibt es zwar nicht. Seit der internationalen Pisa-Studie, die die Schulleistungen von 15-Jährigen in 31 Ländern untersuchte, weiß Deutschland jedoch, dass seine Schüler international im hinteren Drittel liegen. Jeder fünfte Jugendliche kann fast gar nicht oder nur auf elementarem Niveau lesen. Gut 90000 Jugendliche eines Jahrgangs seien nicht ausbildungsfähig, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Die Ursache für die Defizite sehen Sozialisationsforscher in gesellschaftlichen Umbrüchen.

Soziale Verwahrlosung: „Die Familien stehen heute unter größeren ökonomischen und sozialen Belastungen“, sagt Herbert Striebeck, Professor an der Freien Universität Berlin. Immer mehr Eltern sind arbeitslos und verarmen. Schon vor fünf Jahren stellte der Bielefelder Jugendforscher Klaus Hurrelmann fest, 30 Prozent aller Kinder seien sozial verwahrlost. Striebeck nennt die Ergebnisse des neuen Sozialatlas für Berlin „beängstigend“: Eine halbe Million Menschen in der Stadt leben an der Armutsgrenze. Viele Kinder haben so große persönliche Probleme, dass sie sich auf den Lernstoff nicht einlassen können.

Fernsehen statt Reden: Von den psychischen Belastungen lenken sich Eltern wie Kinder vor dem Fernseher oder dem Computer ab. Das aber bringt die Kinder um ihre Chance, den Umgang mit Sprache zu lernen, die Schlüsselkompetenz.

Soziale Isolation: Auch früher gab es Jugendliche, die nicht in der Lage oder willens waren, ein Buch zu lesen. Doch damals gingen sie auf den Bolzplatz und lernten voneinander. Heute werden die sozialen Bindungen immer schwächer, sei es in die Nachbarschaft, zum Sport oder zur Religion: „Die Menschen sind nicht mehr genügend eingebunden“, sagt Striebeck.

Die Ausbildung der Lehrer: Für die Lehrer bedeute all das, dass sie zugleich „Therapeut und Vater und Mutter“ sein müssen. Die Lehramtsstudenten lernten aber immer noch eine „Sonntagsdidaktik“: In der Schule versuchten sie dann, ihre Lehrpläne durchzuziehen – ohne auf die enormen emotionalen Bedürfnisse ihrer Schüler einzugehen. Striebeck befürchtet, dass der Leistungsdruck nach Pisa die Lage nur verschlimmert: „Dann verbessern wir vielleicht die Mitte und die Spitze – aber wir produzieren noch mehr Verlierer.“ akü

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