zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Warum sind Privatbanken so versessen auf unseren Namen?“

Heinrich Haasis, Chef des Sparkassen- und Giroverbandes, über die Risiken des geplanten Verkaufs der Bankgesellschafts-Tochter Berliner Sparkasse

Herr Haasis, der DSGV wendet sich gegen einen Verkauf der Berliner Sparkasse an einen privaten Investor. Warum soll nicht ein Privater Träger einer Sparkasse sein?

Wenn ein privater Investor einen hohen Kaufpreis für die Berliner Sparkasse zahlt, wird er künftig auch den höchsten Ertrag aus dem Investment ziehen müssen. Das ist mit einem Engagement für kleine und mittlere Unternehmen, Kontoverbindungen für alle Bevölkerungsgruppen und Engagement für einen Standort nicht vereinbar. Auf Dauer wird man einem privaten Investor nicht einmal untersagen können, lukratives Geschäft auch außerhalb Berlins zu suchen und dazu vielleicht auch die Standortfrage zu stellen. Diese Frage ist in Berlin wichtig und sie hat in der ganzen Bundesrepublik große Bedeutung. Sie brauchen nur einige Kilometer aus Berlin herauszugehen, um die Bedeutung öffentlich-rechtlicher Sparkassen auch für schwierige Wirtschaftsregionen zu erkennen.

Geht es hier nur um die Berliner Sparkasse oder um mehr?

Es gibt ein eindeutiges Bundesgesetz, dass sich nur öffentlich-rechtliche Kreditinstitute ’Sparkasse’ nennen dürfen. Damit sollen die Erwartungen der Verbraucher geschützt werden, die eine klare Vorstellung im Hinblick auf die Geschäftspolitik und die Struktur der verschiedenartigen Kreditinstitute haben. Damit lässt sich der Auftritt eines privaten Investors unter dem Namen Sparkasse nicht vereinbaren. Und es ist auch der Gemeinschaft der deutschen Sparkassen nicht zuzumuten, dass auf diese Weise der gute Name beschädigt wird, den sie über Jahre hinweg aufgebaut haben. Kein Wirtschaftsunternehmen kann dies akzeptieren.

Auch Geschäftsbanken setzen auf Kundenbindung und unterschiedliche Kundengruppen. Machen Sie es sich nicht zu einfach, wenn Sie privaten Investoren langfristige Interessen absprechen?

Ich respektiere die Interessen und die Geschäftspolitik von privaten Investoren. Nur sind es andere als die von Sparkassen. Es ist doch sinnvoll, dass die Kunden die Unterschiede erkennen können. Man muss vielmehr die Frage stellen, warum die privaten Banken so versessen darauf sind, unseren guten Namen zu benutzen.

Was haben Sie gegen das Berliner Sparkassengesetz, das doch eine Gemeinwohlorientierung der Sparkasse weiterhin vorsieht?

Man kann nicht gleichzeitig gemeinwohlorientiert sein und private Investoren erfreuen. Diesen Widerspruch löst das Berliner Sparkassengesetz nicht auf. Mit dem neuen Sparkassengesetz gibt es spätestens nach einem Verkauf an einen Privaten keine echte Sparkasse mehr. Die mit dem Sparkassengesetz neu geschaffene ’Berliner Sparkasse’ hat kein eigenes Vermögen, keinen eigenständigen Vorstand, keine Gremien und schließt Verträge nicht selbst, sondern nur für den dahinter stehenden Investor ab. Sogar eine Bankerlaubnis fehlt dieser Sparkasse. Alle Rechte und Kompetenzen liegen bei einer privaten Bank, die aber für die Kunden nicht erkennbar wird.

Die EU-Kommission hat Berlin ein „diskriminierungsfreies Veräußerungsverfahren“ der Bankgesellschaft aufgegeben. Halten Sie es für diskriminierungsfrei, wenn ein Investor die Bezeichnung Sparkasse nicht weiter nutzen darf?

Zu den Bedingungen der EU-Kommission in ihrer Beihilfeentscheidung gehört nicht, die Sparkassenbezeichnung mit zu verkaufen. Etwas anderes kann man auch gar nicht annehmen. Denn es würde bedeuten, dass die Bundesregierung damals einem Verstoß gegen deutsche Gesetze zugestimmt hätte. Das wird doch wohl niemand ernsthaft behaupten!

Derzeit wird über einen möglichen Kompromiss mit der EU-Kommission gesprochen. Halten Sie einen solchen für möglich?

Niemand in Deutschland hat Interesse an einem Konflikt mit der EU, wir auch nicht. Aber ein Kompromiss kann nicht darin bestehen, dass in Berlin anderes Bundesrecht als in der übrigen Bundesrepublik gilt. Und es ist auch nicht zumutbar, dass in Berlin, oder auch darüber hinaus, ein Wettbewerber unter unserer Marke auftritt und womöglich noch in unseren Gremien sitzt und von unserem Haftungsverbund profitiert. Ich verstehe natürlich, dass man hier und da in den Ministerien auf einen Kompromiss drängt, weil man das Thema vom Tisch haben will. Deshalb kann man aber nicht einer Kreditinstitutsgruppe – mit immensem Schaden – den Namen streitig machen, Verbraucher irreleiten und den Boden bereiten, dass sich künftig jeder in der Republik mit EU-Hilfe darauf berufen kann, sich auch Sparkasse nennen zu dürfen. Das wäre ein fauler Kompromiss. Es ist deshalb gut, dass die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister hier eine klare Haltung haben. Notfalls muss auch ein Konflikt mit Brüssel durchgestanden werden.

Der DSGV erwägt ein eigenes Angebot – verschaffen Sie sich nicht einen unfairen Vorteil, wenn ein privater Investor den Namen Berliner Sparkasse nicht mitkaufen darf?

Wir wollen keinen Vorteil, sondern nur vermeiden, dass mit der Marke das Vermögen unserer Institute beschädigt wird. Eine Veräußerung ist so möglich, dass niemand einen Vorteil hat. Wir haben allerdings auf die entstehenden Probleme bereits im Gesetzgebungsverfahren hingewiesen und eine andere Konstruktion empfohlen. Und wir waren es auch nicht, die den Sachverhalt zu Gericht getragen haben. Aber es muss doch jeder verstehen, dass wir nicht darauf verzichten können, die Rechte der Gesamtheit der Sparkassen an der Marke zu verteidigen. Das würde, das muss jedes andere Wirtschaftsunternehmen in gleicher Weise tun.

Wie hoch beziffern Sie den Wert des Namens – eine Milliarde Euro oder mehr?

Die Marke Sparkasse ist eine der wertvollsten des deutschen Marktes. Exakte Wertangaben sind bei einem solchen Vermögen schwierig. Wir bewegen uns aber klar im Milliardenbereich.

Wann ist mit einem Gebot des DSGV zu rechnen?

Derzeit ist die Bankgesellschaft mit der Berliner Sparkasse noch nicht ausgeschrieben. Deshalb haben wir noch keine Veranlassung, ein Angebot anzukündigen oder gar schon abzugeben. Ein solches kann es auch nur geben, wenn dies betriebswirtschaftlich vernünftig ist.

Wie würden Sie ein eigenes Gebot finanzieren, und wie soll die Bankgesellschaft dann später geführt werden?

Das sind alles Fragen, die Gegenstand eines Angebotes wären.

Behindert nicht der Namensschutz der Sparkassen den freien Kapitalverkehr in Europa?

Verbraucherschutz hat in Deutschland und in der EU einen hohen Stellenwert. Ein Kunde soll wissen, mit was für einem Institut er es zu tun hat. Diese Klarheit behindert nur diejenigen, die etwas Falsches vorspiegeln wollen. Es gibt vergleichbare Regelungen in anderen europäischen Ländern. Dadurch ist niemand gehindert, in Deutschland Bankgeschäfte für eine breite Kundschaft anzubieten. Nur der Mühe, eine werthaltige Marke aufzubauen, wird sich schon jeder selbst stellen müssen.

Die Marke Berliner Sparkasse hat der Steuerzahler mit Milliarden für die Bankgesellschaft unterstützt. Hat er nicht – auch angesichts der desolaten Finanzlage der Stadt – einen Anspruch auf den höchstmöglichen Verkaufspreis?

Ich will hier nicht in die Historie der Bankgesellschaft einsteigen. Aber klar dürfte doch wohl sein, dass nicht die Berliner Sparkasse die Probleme verursacht hat und deshalb auch diese Marke vom Steuerzahler nicht gestützt werden musste. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Hätte es nicht die gute, von der Gesamtheit der Sparkassen aufgebaute Marke gegeben, wäre auch dieser Teil der Bankgesellschaft vom Vertrauensverlust der Kunden betroffen gewesen. Es ist gut, dass dies vermieden werden konnte. Das war eine wichtige Basis dafür, dass heute die Bankgesellschaft wieder erfolgreich ist. Man muss aber in Berlin verstehen, dass man nicht etwas verkaufen kann, was einem nicht zusteht.

Was sind Ihre nächsten Schritte bei der Privatisierung der Bankgesellschaft?

Jetzt müssen wir uns erst einmal gegen die Berliner Klage verteidigen. Wir sind aber zu Kooperation und auch zu Gesprächen mit Berlin bereit. Ich setze mich dafür ein, dabei zu helfen, in Berlin eine Sparkasse fortzuführen. Nach meinem Eindruck wollen das auch die Beschäftigten und die Kunden der Berliner Sparkasse. Wenn hier aber beabsichtigt ist, nur eine Sparkassenfassade aufrechtzuerhalten, hinter der sich ein privater Investor verbirgt, können wir dies nicht akzeptieren. Denn es würde die Erwartung der Kunden und damit die Gesamtheit der deutschen Sparkassen schädigen.

Das Gespräch führten Moritz Döbler und Daniel Rhée-Piening.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false