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Wirtschaft: "Was für den Aktienkurs gut ist, ist auch gut für die Mitarbeiter"

Karl Josef Neukirchen (59) gilt als radikaler, aber auch umstrittener Sanierer. Seinen Ruf erwarb er sich beim angeschlagenen Kugellagerhersteller SKF in Schweinfurt, später beim Maschinenbauer KHD in Köln.

Karl Josef Neukirchen (59) gilt als radikaler, aber auch umstrittener Sanierer. Seinen Ruf erwarb er sich beim angeschlagenen Kugellagerhersteller SKF in Schweinfurt, später beim Maschinenbauer KHD in Köln. Die Deutsche Bank holte Neukirchen Ende 1993 an die Spitze der damaligen Metallgesellschaft, die wegen hochspekulativer Ölgeschäfte am Rand des Ruins stand.

Herr Neukirchen, Sie gelten als harter Sanierer. Hätte Sie den Job als Chef der Bundesanstalt für Arbeit übernommen?

Nein.

Warum nicht?

Eine so aufgeblähte Institution halte ich für überflüssig.

Da machen Sie es sich zu einfach. Der Staat muss für die Arbeitslosen sorgen.

Der Staat sollte vor allem für Wachstum und Arbeit sorgen. Dazu kann er vor allem eins tun: sich aus dem Arbeitsmarkt so weit wie möglich heraushalten. Dann sparen wir uns auch die Riesenbürokratie, die viel Geld kostet und den Arbeitsmarkt nur behindert.

Wer vermittelt dann Jobs?

Das machen private Unternehmen viel effizienter. Die verdienen nämlich nur bei Erfolg. Allein das Wort Arbeits-Verwaltung ist doch schon schrecklich. Das klingt nach Planwirtschaft wie in der alten DDR. Und wie das endet wissen Sie ja.

So schlimm ist es nun auch wieder nicht.

Über 50 Prozent Staatsquote, das sagt alles. Wenn unser Staat für irgendeinen Zweck einen Euro ausgibt, kommen davon höchstens zwanzig Cent bei den Bürgern an. Der Rest sind Verwaltungskosten und Gehälter für Beamte. Diese riesige Umverteilungsmaschine ist wohl kaum im Sinne des Steuerzahlers.

Also freies Spiel der Kräfte. Dann erledigt sich das Thema Arbeitslosigkeit von allein?

Der Arbeitsmarkt heißt zwar so, ist aber keiner. Es ist ein Tarifkartell. Und vieles was dort geregelt ist, ist nicht auf die Bedürfnisse einzelner Firmen abgestimmt. Wir haben Einheits-Tarife für große Firmen und kleine Firmen, Unternehmen mit guter und solche mit schlechter Auftragslage, arme und reiche Regionen. Die Folge ist mangelhafte Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Dies ist eine wesentliche Ursache der viel zu hohen Arbeitslosigkeit. Sie sind Mitglied des Tarifkartells. Warum machen Sie es nicht besser?

Wir versuchen, unseren Einfluss auf allen Ebenen geltend zu machen.

Schuld sind immer die Anderen.

Verantwortung ist nie einseitig. Die Arbeitgeber haben das mitgetragen...

aber nicht die Notbremse gezogen.

Die Tarifpartnerschaft hat für Stabilität gesorgt. Das war früher wichtig. Jetzt herrscht globaler Wettbewerb, jetzt brauchen wir Flexibilität. Wer sein Personal in der Rezession nicht anpassen kann, wird im Aufschwung nicht neu einstellen. Der heutige Kündigungsschutz schützt weniger vor der Kündigung, sondern vor der Neueinstellung.

Was halten Sie von der angekündigte Reform der Bundesanstalt für Arbeit?

Ich bin skeptisch. Das wird vermutlich so laufen wie bei vielen anderen Reformen. Nach drei Jahren haben das alle vergessen. Und falls es doch einer nicht vergessen hat, dann wird er feststellen: Es ist wenig passiert. Wie sollte es auch? Beamte sind unkündbar. Das System müsste geändert werden.

Wir sind also selbst schuld ?

Man muss im internationalen Wettbewerb schneller und besser sein als die Konkurrenz und das sind wir leider oft nicht. Das liegt auch daran, dass sich Leistung bei uns nicht immer lohnt. Wer 37 Stunden arbeitet hat netto oft weniger als ein Empfänger von Arbeitslosengeld. Unser Augenmerk ist zu sehr auf Sicherheit statt auf Leistung gerichtet.

Mal angenommen, alle Regulierungen des Arbeitsmarktes wären beseitigt...

dann bekämen in einer Wachstumsphase viel mehr Menschen Arbeit. In der folgenden Rezession würde die Arbeitslosigkeit vermutlich auch wieder steigen, aber der Beschäftigungssockel wäre viel höher. Flexibilität heißt auch, dass die Schwankungen in der Beschäftigung extremer werden. Im Schnitt gäbe es aber viel mehr Jobs und das ist positiv.

Damit hätten wir amerikanische Verhältnisse, wo heuern und feuern an der Tagesordnung ist.

Drei Jobs parallel, um den Lebensunterhalt zu sichern - das wollen weder Sie, noch ich, noch Arbeitsminister Riester. Aber wir müssen uns fragen, wie viel dauerhafte Arbeitslosigkeit will sich dieser Staat leisten? Ganz offensichtlich haben wir uns für ein riesiges Heer von Arbeitslosen entschieden. Ich bin sehr besorgt, wie lange das noch gut geht.

Sie gelten als Krisenmanager. Warum geht es bei Sanierungen immer nur um das Streichen von Arbeitsplätzen?

Geht es ja gar nicht. Das wird immer nur so dargestellt. Ich zähle nicht die Köpfe und sage dann minus 20 oder 30 Prozent. Ursache einer Krise ist fast immer eine falsche Strategie. Sanierung heißt heilen, also die richtige Strategie finden. Mit welchen Produkten und Dienstleistungen können wir im Wettbewerb mithalten? Erst dann stellt sich die Frage nach Strukturen und Kosten und damit auch nach den Arbeitsplätzen. Eine gelungene Sanierung führt zu Wachstum und neuen Arbeitsplätzen.

Einige Firmen gleichen Dauerbaustellen, heute Konglomerat, morgen Konzentration aufs Kerngeschäft. Und immer nur das Interesse der Aktionäre im Blick. Da kostet doch Jobs?

Fokussierung oder Diversifizierung ist oft keine Frage der Strategie, sondern ein Glaubensbekenntnis. Als Manager muss ich mich fragen, kann und will ich fünf Strategien für fünf verschiedene Geschäftsfelder nebeneinander managen oder will ich mich nur auf eines konzentrieren. Die alte Metallgesellschaft hatte früher sechs Sparten mit vielen Problemen. Jetzt haben wir nur noch zwei, die Chemie und das Engineering, aber mit guten Wachstumschancen. Es gibt sicherlich Unternehmen, in denen sich das Management zu viel zutraut. Verantwortung den Beschäftigten gegenüber und Shareholder Value sind im übrigen kein Gegensatz. Ein Unternehmen muss Werte schaffen. Das ist gut für den Aktienkurs, das ist erst recht gut für die Mitarbeiter.

Herr Neukirchen[Sie gelten als harter Sanierer. H]

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