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Wirtschaft: Was macht eigentlich…?

Vorstände nach dem Rücktritt: Sie tun gar nichts, pflegen ihre Hobbies oder warten auf das Ende der Rezession

Von A. Frese, H. Mortsiefer,

D. Rhee-Piening und C. Visser

Dass Thomas Middelhoff nach seinem Abgang als Bertelsmann-Chef in der Versenkung verschwinden würde, damit war nicht zu rechnen. Doch nach seiner Demission im Juli 2002 wurde es ausgesprochen ruhig um den Medienmanager. Zu hören gab es von ihm vor allem Dementis zu seiner beruflichen Zukunft. Das könnte sich in Kürze ändern: „Ich habe mich festgelegt", sagte Middelhoff jetzt dem Tagesspiegel. „Ich weiß, was ich machen will."

Da ist Middelhoff offenbar weiter als viele andere Manager, die im vergangenen Jahr - freiwillig oder unfreiwillig - abgetreten sind. 2002 war vor allem für Medien-, Informations- und Telekommunikationsunternehmen ein Jahr der scharfen Schnitte: Kaum einer der smarten Vorstandsvorsitzenden durfte auf seinem Posten bleiben. In anderen Unternehmen mussten die Gründer und Eigentümer abtreten, in der klassischen Industrie vollzog sich ein teilweise überraschender Generationswechsel. Viele von ihnen sind auch jetzt noch in einer beruflichen Orientierungsphase, viele warten auf das Ende der Rezession und darauf, dass es dann neue und adäquate Jobs gibt, einige haben ganz aufgehört. Sie pflegen die Familie und Hobbies – weil die in den Jahren zuvor entschieden zu kurz gekommen seien.

Details über die neue Karriere von Thomas Middelhoff soll die Öffentlichkeit erst in gut vier Wochen erfahren, wenn die Verträge unterschrieben sind. So viel verrät Middelhoff schon jetzt: „Ich übernehme eine schöne Aufgabe bei einem nicht in Deutschland an der Börse notierten Unternehmen.“ Er bleibe der Medienbranche treu, sagt der Ex-Bertelsmann-Chef. Wird also doch noch was aus dem schon im vergangenen Jahr kolportierten Wechsel zum US-Medienkonzern AOL Time Warner? „Ich kann dazu noch nicht mehr sagen", wehrt Middelhoff ab und verweist auf mögliche „Komplikationen mit der Börsenaufsicht“.

Leo Kirch macht „Geschäfte“

„Leo Kirch und Dieter Hahn sind vermutlich mit ihren Anwälten beschäftigt", sagt ein ehemals enger Vertrauter der beiden. „Was sie sonst machen? Geschäfte!“

Viel mehr ist nicht zu erfahren. Kirch und Hahn sind abgetaucht. Um welche Geschäfte es geht - kein Kommentar. Seit dem Zusammenbruch des Münchner Medienimperiums gibt es kaum noch öffentliche Auftritte der beiden. In der Kirch-Media-Zentrale haben die Insolvenzverwalter und Haim Saban, der neue Eigentümer der Pro Sieben Sat 1 Medien AG und Kirchs riesiger Filmbibliothek das Sagen. Der 76-jährige Kirch prüfe in seinem Münchner Stadtbüro in der Kardinal-Faulhaber-Straße 15 das eine oder andere neue Projekt, heißt es lediglich. Sein Privatvermögen – angeblich besitzt Kirch zahlreiche Immobilien in München, Berlin und auf Rügen – hat die Milliarden-Pleite des Medienkonzerns offenbar überstanden, weil der Unternehmer sich gesellschaftsrechtlich gegen den privaten Totalverlust abgesichert habe, heißt es. Im Herbst 2002 mobilisierte er zum Beispiel mehrere hundert Millionen Euro, um seinen ehemaligen Sportrechtehandel aus der Insolvenzmasse herauszukaufen. Vergeblich, denn Günter Netzer bot mit seiner Firma Infront mehr und bekam den Zuschlag. Ein halbes Dutzend kleinerer Gesellschaften soll Kirch noch sein Eigen nennen. Für diese und andere Geschäftsverbindungen, etwa in die Schweiz, interessieren sich vor allem Staatsanwälte und Insolvenzverwalter. Sie prüfen, ob nicht doch das Privatvermögen Kirchs angezapft werden kann, um einen Teil der Gläubigerforderungen zu befriedigen. Kirch scheint das nicht zu stören. Des öfteren, so wird berichtet, sei Kirch zuletzt mit dem Hubschrauber in seinen unterfränkischen Geburtsort Fahr am Main eingeschwebt – um sich bei seiner Familie zu entspannen. Sein Bruder Franz betreibt dort ein Weingut.

Ron Sommer fliegt jetzt selbst

Ron Sommer hat, so hört man, den Pilotenschein gemacht. Nun pendelt er zwischen seinem Wohnsitz in Köln und seinem Ferienhaus in Österreich hin und her. Von einem verschlossenen Anwesen zum anderen. Er fliegt, fährt Ski, spielt Golf und ist immer noch so herausfordernd braun gebrannt wie eh und je. Aus der Öffentlichkeit ist er seit seinem Abgang im Juli vergangenen Jahres völlig verschwunden. „Er macht eigentlich gar nichts mehr.“ Das sagt einer, der früher mit dem Telekom-Chef zwischen Bonn, London, New York und Tokio unterwegs war, und ihn dafür bewundert hat, dass er auch nach einem 18-Stunden-Tag im Interview noch so fit wirkte wie am Morgen.

„Er wirkt entspannt und relaxt“, sagt Peter Glotz, der Sommer gelegentlich trifft. Glotz hat ihn eingeladen vor seinen Studenten in der Universität Sankt Gallen einen Vortrag zu halten. Thema: „Telekommunikation heute“. Dafür interessiert sich Sommer immer noch. „Ich glaube aber nicht, dass sich Sommer zum Vortragsreisenden entwickelt“, sagt Glotz. „Ich halte 50 im Jahr, auf die Zahl kommt Sommer sicher nicht.“ Glotz hat nicht den Eindruck, dass Sommer hektisch auf der Suche nach einem neuen Job ist. Zudem sei es für den 53-Jährigen fast ausgeschlossen, dass er in Deutschland einen adäquaten findet. Und auch im Ausland – etwa in den USA – sei das für einen Top-Manager im Augenblick schwer. Sommer lese wieder viel, sagt Glotz: Biografien, Essays, politische Analysen. Und er habe endlich wieder Zeit, für das, was ihm im Leben immer am wichtigsten gewesen sei: seine Familie.

Die Autobauer gehen wieder zur Uni

Joachim Milberg geht wieder zur Universität. Nachdem er im vergangenen Jahr den Vorstandsvorsitz bei BMW aus Gesundheitsgründen – Milberg litt unter schweren Banscheibenproblemen – an Helmut Panke übergeben hat, hält er jetzt als Honorarprofessor Vorlesungen an der Münchner TU. Der Realität in der Wirtschaft bleibt er verbunden durch Aufsichtsratsmandate bei BMW, MAN, Royal Dutch/Shell und der Allianz. Und Milberg ist Vorstandsvorsitzender von „Akatech“, einem gemeinnützigen Verein, der sich der „Symbiose von Akademie und Technik“ widmet. Unter dem Vereinsdach sind die technikwissenschaftlichen Aktivitäten der sieben Akademien der Wissenschaften vereint. Akatech will eine Brücke schlagen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft und dabei insbesondere die Vorzüge von technischen Innovationen kommunizieren.

Vor einem Jahr wechselte Ferdinand Piëch vom Vorstandsvorsitz bei Volkswagen in den Aufsichtsrat und zog von Wolfsburg zurück in die österreichische Heimat. Ein Büro ließ sich der Automanager in Salzburg direkt an der Salzach einrichten. Piëch kümmert sich nun vor allem um seine Aufsichtsratsmandate bei Porsche und VW. Vor allem in Wolfsburg mischt er als Chef des Aufsichtsgremiums noch kräftig mit. Und damit der Nachwuchs von den Erfahrungen des Autofreaks profitiert, hält Piëch Vorlesungen an der TU Wien über „Innovationsmanagement - Entwicklungen, Prozesse, Erfolgsfaktoren“. Natürlich am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau.

Außerdem überwacht er die Baufortschritte an seinem Schiff. Wenn das fertig ist, soll der Segeltörn mit Teilen seiner Großfamilie um die Welt beginnen. Darauf freut sich der frühere VW-Chef schon seit Jahren.

… und die Banker sind auf Reisen

Gerade noch rechtzeitig hat sich Rolf Breuer bei der Deutschen Bank verabschiedet. Als Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken genießt der Rheinländer immer noch den Respekt der deutschen und der internationaeln Wirtschaftselite – und sein Nachfolger Josef Ackermann, der im Frühjahr sein Amt angetreten hat, muss die Aufräumarbeiten bei der größten deutschen Bank übernehmen. Breuer reist als Verbandsfunktionär und Multi-Aufsichtrsat noch mehr als zuvor, berichten Vertraute.

Bernd Fahrholz, seit Frühjahr 2000 wenig glücklicher Chef der Dresdner Bank, ging noch bis in der vergangenen Woche in der Frankfurter Bank ein und aus. Vor allem die Übergabe an seinen Nachfolger Herbert Walter und „Abschiedspartys" standen auf dem Programm, so ein Banksprecher. Seit ein paar Tagen ist Fahrholz für drei Wochen in Urlaub gegangen. Zum ersten Mal seit zwei Jahren, wird in der Bank kolportiert. Das Ziel ist offiziell unbekannt.

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