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Die finanzielle Unterstützung ist nur einer der Vorteile, die Stipendien bringen.

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Was Stipendien bringen: Geld und Geist

Was viele nicht wissen: Stipendien sind nicht nur etwas für Einser-Kandidaten. Drei Geförderte blicken zurück.

Am Anfang geht es vor allem ums Geld: Wer als Schüler ein Jahr ins Ausland gehen, als Hochschulabsolvent eine Promotion abschließen oder sich als Berufstätiger neu orientieren will, bewirbt sich in erster Linie um ein Stipendium, um sein persönliches Ziel finanziell einigermaßen abgesichert zu erreichen. Dass das aber längst nicht alles ist, wovon man als Stipendiat profitiert, erkennen Bewerber häufig erst später.

„Hinter den meisten Förderungen steckt ein umfassendes Programm“, sagt Wolf Dermann von Arbeiterkind.de. Die Initiative unterstützt Menschen, die als Erste in ihrer Familie studieren. Diskussionsabende, Seminare für den Berufseinstieg, ein Alumni-Netzwerk quer durch die Branchen – das ist besonders für jene nützlich, die bei Bildungs- und Karrierefragen nicht in der Familie oder im Bekanntenkreis fragen können: „Wie hast du das gemacht?“

Um ein Stipendium sollte man sich möglichst früh kümmern. Wer etwa sein Studium unterstützen lassen will, kann sich bei manchen Förderwerken schon als Schüler bewerben. Ansonsten ist das zweite Semester – also für alle, die im letzten Herbst begonnen haben, genau jetzt – ein guter Zeitpunkt, rät Dermann. Dann hat man schon das Zeugnis aus dem ersten Semester in der Tasche. Nicht nur Einser-Kandidaten sollten sich trauen. Zwar bekommen nur zwei bis drei Prozent aller Studierenden ein Stipendium. Weil sich aber so wenige bewerben, sei jeder vierte bis fünfte Bewerber erfolgreich.

Die Schülerin

Es ist sechs Jahre her, dass Anna Wieland für ein Jahr als Austauschschülerin nach Escazú, einen Vorort von San José auf Costa Rica ging. Dort lernte sie nicht nur Spanisch, Salsa und Merengue. Sie sei selbstbewusster und zielstrebiger geworden, findet die 23-Jährige im Rückblick.

Anna Wieland ging als Schülerin ein Jahr ins Ausland.
Anna Wieland ging als Schülerin ein Jahr ins Ausland.

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Ohne ein Teil-Stipendium der Austauschorganisation AFS und ein monatliches Taschengeld, das ein ehemaliger Schüler ihrer Schule stiftete, wäre das Jahr für die Tochter einer Alleinerziehenden zu teuer gewesen. Die weiteren 5000 Euro für Vor- und Nachbereitungsworkshops, den Flug und die Betreuung vor Ort hatte sich Wieland von einer Bekannten ihrer Mutter geliehen.

Das Leben in dem Land, in dem viele davon träumten, ihr Kind für eine gute Ausbildung auf eine teure Privatschule schicken zu können, habe ihren Blick auf das deutsche Bildungssystem verändert, sagt sie. Zurück in Deutschland wiederholte sie die 11. Klasse, „um möglichst viel Wissen aus der Schule mitzunehmen“. Ihre Leistungskurse änderte die Schülerin auf Spanisch und Mathe. Vor ihrem Auslandsjahr hatte sie sich das nicht zugetraut, und auch ihre Lehrer nicht.

Heute studiert Wieland an der Freien Universität Berlin Islamwissenschaften. Nebenbei arbeitet sie bei AFS mit und betreut für die Organisation Austauschschüler. Ihr Berufsziel: Dolmetscherin für Arabisch. Deshalb plant sie, noch einmal ins Ausland zu gehen. „Vielleicht nach Jordanien“, sagt sie. Gerade sieht sie sich nach Fördermöglichkeiten um.

Der Student

Ein Stipendium ist „mehr als nur Geld“, sagt Houdou Basse Mama. Der 38-Jährige ist Assistenzprofessor mit Schwerpunkt Internationale Finanzmärkte an der Berliner Wirtschaftshochschule ESCP Europe. Als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung kam er nach seinem Grundstudium in Benin und Senegal 2004 an die Universität Hamburg. Dort machte er seinen Master und promovierte in Wirtschaftswissenschaften.

Houdou Basse Mama promovierte mit einem Vollstipendium an der Universität Hamburg.
Houdou Basse Mama promovierte mit einem Vollstipendium an der Universität Hamburg.

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Das Voll-Stipendium erlaubte ihm, sich ganz auf die Doktorarbeit zu konzentrieren. Die Stiftung half ihm beim Beantragen des Visums, eine Einführungswoche beim Orientieren im deutschen Hochschulsystem. Über das Alumni-Netz hat Basse Mama heute nicht nur Freunde in Deutschland, sagt er, sondern auch Kontakte aus ganz verschiedenen Fachdisziplinen in Japan, Brasilien und China. Das Online-Netzwerk unterstützt bei Wohnungs-, Stellen- oder Mitarbeitersuche. Basse Mama hat darüber auch einen Job für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter gepostet. Inzwischen sitzt der Forscher selbst in der Jury der Adenauer-Stiftung und wählt deutsche und internationale Bewerber für Stipendien aus.

Die Berufstätige

Die Berliner Krankenschwester Özlem Yetim gab eine unbefristete Stelle und ihre finanzielle Unabhängigkeit für ein Stipendium auf. Vier Jahre hatte sie im Jüdischen Krankenhaus gearbeitet, als sie den Entschluss fasste, zu studieren und 2008 an der Universität Potsdam ein Studium der Logopädie startete. „Mir haben die fachlichen Hintergründe gefehlt“ sagt die 33-Jährige, „und eine berufliche Perspektive“. Heute hat sie beides.

Özlem Yetim gab eine Stelle als Krankenschwester auf, um mit Hilfe eines Stipendiums zu studieren.
Özlem Yetim gab eine Stelle als Krankenschwester auf, um mit Hilfe eines Stipendiums zu studieren.

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Das Aufstiegsstipendium der vom Bundesbildungsministerium geförderten Stiftung „Begabtenförderung berufliche Bildung“ habe dazu beigetragen, dass sie ihr Studium mit „Sehr gut“ abschließen konnte. Ab dem zweiten Semester wurde sie gefördert – und musste nicht mehr, wie zum Studienstart, 20 Stunden pro Woche Wochenend- und Nachtdienste schieben. Ein Tag in der Woche reichte aus, um ihren Lebensstandard zu halten und den Praxisbezug nicht zu verlieren. Über das Förderwerk hat Yetim Kurse für Technisches Englisch und Stressbewältigung belegt.

Ihr erstes Stipendium habe ihr geholfen, weitere Förderungen (durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst und das Deutschlandstipendium) für ihr jetziges Masterstudium in Neuroscience im australischen Brisbane zu bekommen, ist sie überzeugt. Sie ist im letzten Semester – doch ihr Wissensdrang längst nicht gestillt. Vielleicht wird sie im Anschluss in die sprachtherapeutische Forschung gehen. Sie hat so eine Stelle in in Australien im Blick. Irgendwann möchte sie aber auch gern wieder zurück nach Deutschland kommen.

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