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Sehen und gesehen werden. An diesem Wochenende werden 20 000 Besucher zum 21. Wave-Gotik-Treffen erwartet.

© picture alliance / dpa

Wave-Gotik-Treffen: Dunkle Geschäfte

Modehändler verdienen Millionen mit der Schwarzen Szene. Die Anhänger feiern gerade in Leipzig beim Wave-Gotik-Treffen.

Eine Farbe dominiert an diesem Pfingstwochenende in Leipzig: Schwarz. Mehr als 20 000 Besucher aus der ganzen Welt erwarten die Veranstalter des 21. Wave-Gotik-Treffens, eines der größten Festivals der Schwarzen Szene. Mehr als 200 Künstler treten auf, Friedhöfe können besichtigt und – ganz wichtig – Outfits präsentiert werden. Spitzencorsagen, stachelbesetzte Gasmasken, opulente Barockkleider: Die Kleidung der Szeneanhänger ist spektakulär und individuell – doch längst nicht mehr nur selbstgemacht. Die ausgefeilten Outfits sind zum Geschäftsmodell geworden: Hunderte Onlineshops bieten von schweren Schnürstiefeln bis zum Skelett-Rucksack sämtliche Teile der Garderobe an, in jeder größeren Stadt gibt es Gothic-Läden, sogar im Berliner Shoppingcenter Alexa hat sich ein Geschäft auf die „Gothics“ spezialisiert. Mit Aderlass kommt zudem eines der größten Modelabels der Szene aus Deutschland. In mehr als 200 Läden und Onlineshops ist die Mode erhältlich, die Gründer Henning Volk und Gordon Wienkötter erzielen mit ihrer Firma nach eigenen Angaben einen sieben- bis achtstelligen Jahresumsatz.

Bildergalerie: Die schrillsten Kostüme auf dem Wave-Gotik-Treffen

Anfang der 90er Jahre begannen Volk und Wienkötter ausgefallene Mode zu designen – von der Plüschjacke bis zur Kuhfellhose. 1998 starteten die beiden, die selbst in der Szene aktiv sind, mit Aderlass eine reine Gothic-Kollektion. „Das war erst Spaß, wir dachten nicht, dass es kommerziell interessant sein könnte“, sagt Wienkötter. „Wir wollten machen, was wir schön finden und etwas modischer war als der typische Gothic-Kram damals.“ Mit ihrer dunklen Kollektion stießen sie in eine Lücke. Aderlass entwickelte sich schnell zum Hauptgewinnbringer des Unternehmens. „Aderlass ist heute unsere wichtigste und bekannteste Marke“, sagt Wienkötter. „Wir verkaufen sie weltweit.“

Mehr als in anderen Subkulturen ist das Outfit ein zentraler Bestandteil der Schwarzen Szene. Es signalisiert Zugehörigkeit und stiftet Identität. Vor allem dient es dazu, sich von der Umwelt abzugrenzen. Viele Anhänger investieren viel Zeit in ihre Kleidung – und Geld. Die Szene entstand Anfang der 80er Jahre aus der Punk-Bewegung. Der Begriff „Gothic“ wurde erst für eine Musikrichtung verwendet, später für die Subkultur, die sich durch eine introvertierte, nachdenkliche Art und vornehmeres Auftreten von den Punks unterschied. Seit ihrem Entstehen hat sich die Szene weiterentwickelt; verschiedene Stile sind entstanden. So tragen Anhänger des Romantik-Stils statt schlichter schwarzer Kleidung möglichst originalgetreue Gewänder aus dem Barock oder Rokoko. Der Entwicklung haben sich auch Volk und Wienkötter angepasst. Neben Aderlass betreiben sie vier weitere Labels, darunter die Lackkollektion Lovesect sowie Sektor1, für die Unterströmung der Cybergoths mit ihrem futuristischen Kleidungsstil.

Dass man mit schwarzen Klamotten Geld machen kann, hat sich herumgesprochen.

Die auf die Szene spezialisierten Modefirmen profitieren nicht nur davon, dass die Garderobe hier eine herausragende Rolle spielt, sondern auch, dass die Anhängerschaft über Jugendliche mit knappem Budget weit hinausgeht. Das Wave- Gotik-Treffen in Leipzig besuchen alle Altersklassen, ganze Familien in Schwarz reisen an. Rund zehn Millionen Euro lassen die Besucher über das Pfingstwochenende in der Stadt. „Der Bildungsstatus und die damit verbundene Kaufkraft sind in der Szene sehr hoch“, sagt Wienkötter. Hinzu kommt, dass die Gothic-Kultur nach einer Stagnation Ende der 90er zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder erstarkte. „Um das Jahr 2004 gab es einen großen Knall und das Ganze ist plötzlich riesengroß geworden“, sagt Wienkötter. Geschätzte 50 000 bis 100 000 Anhänger hat die Szene in Deutschland.

Zu den größten Händlern hierzulande zählt XtraX, der seit 1999 auch mit einem zweistöckigen Geschäft in Berlin vertreten ist. 1991 fing alles mit einem kleinen Laden in Ulm an. Mittlerweile gehören vier Geschäfte, zwei Lagerverkäufe und ein Onlineshop dazu. Durch die wachsende Nachfrage gründete XtraX 2005 einen Großhandel, über den die eigenen Marken Bat Attack und Royal Monster vertrieben werden. Auch Aderlass will weiter expandieren: „Wir wollen in jeder Metropole einen Aderlass-Laden haben“, sagt Wienkötter.

Die Konkurrenz unter den Händlern ist groß. Dass man mit schwarzen Klamotten Geld machen kann, hat sich herum- gesprochen. „Es drängen viele Hersteller aus Asien auf den Markt und machen es den alteingesessenen Labels, die in Europa produzieren, mit Billigpreisen schwer“, sagt Mandy Mehlhorn. Seit 2003 betreibt sie den Onlineshop Black Impressions, über den sie Szenelabels und eigene Kreationen verkauft.

Doch die Geschäftemacher haben schon das nächste zentrale Styling-Element der Schwarzen Szene im Visier: das Make-up. Seit vergangenem Jahr gibt es die Linie Gothmetic. Bei den Farbtönen dominieren Rot, Schwarz und Lila, die Verpackungen sind mit Ornamenten und Spitzendrucken verziert. Im November will Gründer Detlef Eckhoff die Marke auf der Kosmetikmesse in Berlin groß einführen. „Unsere Produkte entsprechen den Bedürfnissen der Leute“, sagt Eckhoff. 80 Prozent der Kosmetik seien vegan. Vertrieben wird es online und in den Aderlass-Läden. „Damit die Leute sich bei Douglas nicht schief angucken lassen müssen.“

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