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Wirtschaft: Wein aus dem Chemielabor

Die Winzer stecken in der Krise: Die Europäer kaufen immer öfter Importe aus Chile oder den USA

Brüssel - Als sich die Franzosen vor drei Jahren weigerten, an der Seite der USA in den Irakkrieg zu ziehen, da schütteten die vom patriotischen Fieber erfassten Amerikaner öffentlich und demonstrativ französischen Wein in den Rinnstein. Inzwischen genießen Amerikas Feinschmecker längst wieder ihren Châteaux Lafite. Die USA sind nach wie vor der größte Absatzmarkt für europäischen Wein.

Erst vor wenigen Wochen hat die EU mit Washington ein Weinhandelsabkommen unterzeichnet: Die EU lässt künftig auch amerikanischen Wein auf den europäischen Markt, der ganz und gar nicht den europäischen Qualitätsregeln entspricht. In Europas Supermärkten dürfen sich jetzt auch rote und weiße Flüssigkeiten aus den USA Wein nennen, die verwässert, aromatisiert oder chemisch zerlegt und dann wieder neu zusammengesetzt wurden.

Im Gegenzug konnten die Europäer durchsetzen, dass die Amerikaner die europäischen Etikettierungsvorschriften anerkennen. Amerikas Weinindustrie verzichtet künftig auf Bezeichnungen wie Chablis, Burgunder, Madeira oder Porto für ihre Produkte. Das ist ein kleiner Sieg der Europäer im Kampf um weltweite Wettbewerbsfähigkeit, in dem sie zuletzt immer mehr ins Hintertreffen kamen.

„Trotz unserer langen Geschichte des Anbaus und der Qualität so vieler EU-Weine steht der Sektor ernsthaften Problemen gegenüber,“ sagt EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. In Europa wird immer weniger Wein getrunken, und die Importe aus Kalifornien, Chile und sogar Australien erobern auch in Europa immer mehr Marktanteile. Die Folge: In der EU entstehen Überschüsse, derzeit 15 Millionen Hektoliter oder 8,4 Prozent der Weinproduktion.

Die EU-Kommission plädiert deshalb in einem Diskussionspapier für eine tief greifende Reform der Weinmarktordnung. Innerhalb von fünf Jahren sollen rund 400 000 Hektar Rebfläche gerodet werden. Abgeschafft werden sollen auch die EU-Beihilfen für die Destillation des Weins und die Lagerung von Überschüssen.

Vor allem aber sollen die bisher zu komplizierten Einstufungen in Qualitätsklassen aufgehoben werden. Künftig soll es nur noch zwei Qualitätsstufen geben: Weine „mit geografischer Angabe“ (g.A.) und Weine „ohne geografische Angabe“. Um besser mit ausländischen Weinen konkurrieren zu können, sollen auch die einfacheren europäischen Weine – „ohne geografische Angabe“ – die Rebsorte und den Jahrgang auf dem Etikett angeben dürfen. Das ist bisher nicht erlaubt.

Viele Winzerverbände scheinen die Notwendigkeit zur Reform der Marktordnung einzusehen. Skeptisch sehen sie aber die von Brüssel vorgeschlagene Veränderung der Qualitätsbegriffe und der Herstellungsmethoden. Wenn es nach der EU-Agrarkommissarin ginge, dann könnten Europas Winzer nämlich künftig Eichenholzchips im Rotwein verwenden, um den begehrten Barrique-Geschmack herzustellen. Bisher müssen die Winzer ihren Wein dazu in Eichenholzfässern lagern. Kosten pro Fass: rund 700 Euro. Die Holzschnipsel im Edelstahlbehälter wären deutlich billiger: gerade mal sieben Euro.

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