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Herz und Bildung. Den Tag mit Kindern zu verbringen, erfordert nicht nur viel Einfühlungsvermögen, sondern auch pädagogisches Können.

© dapd

Weiterbildung: Job mit Kindern

Tagesmütter schließen eine Lücke in der Kinderbetreuung. Der Quereinstieg ist möglich – auch für Männer.

Am Küchentisch rollt ein Zweijähriger einen Knet-Brocken zum Wurm aus. „Rüssel fertig!“, ruft er. Alexandra Streidl begleitet die Arbeit des Jungen, hat gleichzeitig ein Baby im Blick, das zur Tür hereinkrabbelt. Just nimmt das Kleine etwas Knete vom Boden auf, die Tagesmutter hält es noch davon ab, es in den Mund zu schieben. Aus dem Nachbarzimmer tönt Gekicher. Alexandra Streidls Kollegin Steffi Seidenstricker betreut dort sechs weitere Kinder beim Spielen. Vor drei Jahren haben sich die beiden Tagesmütter zusammengeschlossen und in Friedrichshain den Kinderladen „Wolkenlos“ gegründet. Reich macht sie das nicht – aber glücklich. In einer 90- Quadratmeter-Wohnung in der Gubener Straße haben acht Zwerge zwischen null bis drei Jahren Platz.

Das Einkommen der Frauen und die Wohnungsmiete übernimmt das Bezirksamt. Pro Kind erhalten sie für die siebenstündige Betreuung 615 Euro, gut 200 Euro davon fließen in Anschaffungen und Rücklagen. So finanzieren die Tagesmütter Nahrung, Spiel- sowie Büromaterialien, sparen auf größere Neuanschaffungen und Feste. Außerdem brauchen sie Geld für den Krankheitsfall – auch die Vertretung muss bezahlt sein. Finanzieller Spielraum bleibt kaum.

Bei vier Kindern je Betreuerin ergibt sich pro Kopf ein Gehalt von 1600 Euro im Monat, das noch zu versteuern ist. Als Selbstständige tragen die Tagesmütter die Kosten für Berufshaftpficht-, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung außerdem selbst. Doch die beiden schrauben ihre Ansprüche gern zurück, genießen dafür die Freiheit, ihre Arbeit nach den eigenen Idealen zu gestalten. Für dieses Privileg verschmerzen sie es, wenn ihnen nicht mehr als 20 Tage Urlaub im Jahr zustehen. Anders als bei einer Festanstellung werden weder Gehalt noch Urlaubsansprüche im Lauf der Zeit steigen. Dafür schließen die Tagesmütter die Pforten ihres Kinderladens täglich gegen 15 Uhr, Seidenstricker kümmert sich dann um ihren eigenen fünfjährigen Sohn.

Der Betreuungsbedarf für Kinder, die jünger als drei Jahre sind, ist längst nicht gedeckt – das Berufsfeld deutscher Tagesmütter wird deshalb seit 2005 gründlich entmufft. Gesetzestexte sprechen etwa von „Tagespflegepersonen“, denn auch Männer sollen sich in dem Metier willkommen fühlen. Tatsächlich fällt der Anteil der Tagesväter jedoch eher gering aus. Nach Angaben der Projektkoordinatorin Katharina Frass sind im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zurzeit etwa fünf von 100 Tagespflegepersonen männlich.

Bereits deutlich geändert haben sich die Qualitätsstandards der Branche. Sich als Tagesmutter ein Beibrot zu verdienen hat Tradition – früher nahmen Frauen neben den eigenen stundenweise auch fremde Kinder auf. Qualitätsprüfungen gab es nicht, geschweige denn fundierte Ausbildungen. Seit 2009 empfiehlt der Bund Mindeststandards, dazu zählt ein qualifizierender Kurs, orientiert an einem Curriculum des Deutschen Jugendinstituts. Die Schulung umfasst 160 Unterrichtsstunden, für Berlin ist diese Empfehlung inzwischen rechtsgültig.

Tagespfleger kann theoretisch jeder werden

Grundsätzlich darf jeder an einer Tagespflege-Schulung teilnehmen. Allerdings sollten sich Fachfremde gründlich damit auseinandersetzten, wie viel Geduld und Einfühlungsvermögen die Arbeit erfordert. Ein Mittagsschlaf lässt sich ebenso wenig erzwingen wie gute Laune. Neben der Betreuung müssen Tagesmütter gesundes Essen zubereiten, ihren Gästen Raum zum Toben einräumen, sie fordern und fördern. Idealerweise steht täglich ein Ausflug ins Freie auf dem Programm.

Teilnehmer zertifizierter Kurse sprechen also nicht nur über pädagogische Themen. Es geht nebst rechtlichen Fragen viel um Hygiene, Gesundheit und Ernährung. Ist die Schulungsphase abgeschlossen, gibt das zuständige Jugend- oder Bezirksamt den Bewerbern das endgültige Okay. In Gesprächen prüfen Mitarbeiter Qualifikationen und persönliche Eignung, bei Hausbesuchen klopfen sie die Betreuungsräume auf Gefahrenquellen ab. Sind die Steckdosen gesichert? Stehen die Putzmittel so, dass Kinderhände sie nicht erreichen? Wurden Treppen, Herd und Kochplatten gründlich mit Gittern abgeschirmt? Je nach Eignung und Gegebenheiten darf eine zugelassene Tagespflegeperson schließlich bis zu fünf Kinder bei sich aufnehmen. Maximal zwei Tagesmütter können sich zu einer Kindergroßbetreuung zusammenschließen.

Allerdings variieren die Bestimmungen bundesweit stark, bei Unklarheiten ist das zuständige Amt der richtige Ansprechpartner. „Sogar innerhalb Berlins gibt es abweichende Regelungen“, sagt Katharina Frass vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Welche Bildungsträger mit den jeweiligen Ämtern kooperieren, wissen die Mitarbeiter vor Ort. Auch die Kosten für Tagespflege-Kurse fallen unterschiedlich aus. Ein grober Richtwert seien zehn Euro je Unterrichtsstunde. In Berlin ist eine Bezuschussung über Bildungsgutscheine oder Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds möglich.

Nach Angaben des Bundesverbandes für Tagespflege ist der Bildungsträger „Familien für Kinder“ in der Hauptstadt federführend. Auch Streidl und Seidenstricker haben dort einen Vorbereitungskurs besucht. Aufgrund ihrer Vorbildung mussten die Pädagoginnen allerdings nur 30 statt der sonst üblichen 160 Unterrichtsstunden absolvieren. Die beiden Frauen sind froh, dass die Qualitätsstandards der Branche steigen - selbst wenn dadurch der bürokratische Aufwand wächst. „Es geht um die Zukunft der Kinder, die ersten Lebensjahre sind prägend. Kontrollen und eine gute Ausbildung von Tagesmüttern halten wir deshalb für extrem wichtig“, sagen sie unisono.

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