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Platz frei für Wünsche. An der Geschichte seines Lebens kann jeder selbst mitschreiben. Wie, das erklären Lehrer im Glücksunterricht.

© Contrastwerkstatt/Fotolia

Weiterbildung: Wege zum Glück

Wer Lehramt studiert oder als Lehrer arbeitet, kann sich zum Glücksvermittler ausbilden lassen. Die Schulung dauert ein Jahr. Der Unterricht findet meistens in Projekten statt.

Von Laurin Meyer

Wenn ihre Kommilitonen frei haben, dann lernt Antonia Heinze weiter. Die junge Lehramtsstudentin, die an der Berliner Humboldt-Universität Deutsch und Philosophie studiert, macht derzeit eine Fortbildung zur Glückslehrerin. Was amüsant klingt, hat einen seriösen Hintergrund: Sie will mehr Glück in die Klassenzimmer bringen. Schüler sollen sich den Fragen des Lebens stellen, ihre Träume reflektieren lernen, sagt die künftige Lehrerin: „Im Alltag bleibt hierfür oft zu wenig Zeit.“

Bald kann die Studentin üben, Teenies das Know-how für mehr Glück in ihrem Leben zu vermitteln. Zufriedenheit und Lebenskompetenz, Sinnfindung, soziale Beziehungen, selbstbestimmtes Handeln, Selbstakzeptanz wird sie dazu auf den Themenplan stellen.

Selbstversuche als mentales Training

Nach ihrer Weiterbildung wird Heinze in einer achten Klasse stehen, um Glück zu unterrichten. An mittlerweile 100 Schulen in Deutschland und Österreich steht das Thema auf dem Stundenplan, in Berlin waren es im vergangenen Schuljahr 14. In zwei Schulstunden pro Woche bringen die Glückslehrer Jugendlichen ein Jahr lang bei, wie diese ihre Selbstzufriedenheit steigern können. Mal sollen die Schüler ihre Stärken auf Papierstreifen schreiben und diskutieren, mal sollen sie in einem Teamversuch rohe Eier so polstern, dass sie beim Fall aus dem Fenster nicht zerbrechen. Solche Mental- und Konzentrationsübungen sind darauf ausgerichtet, die Persönlichkeit der Jugendlichen zu stärken. Die Methoden dafür lernen die Studenten bei privaten Bildungsträgern, zum Beispiel bei Sethasa, einer gemeinnützigen GmbH, oder dem Netzwerk Glücksstifter.

Sethasa bildet derzeit einige Lehramtsstudenten von Berliner Hochschulen aus. An zwölf über ein Jahr verteilten Wochenenden, jeweils freitagabends und samstags, lernen die Teilnehmer etwa, wie man Träume und Wünsche als Gestaltungspotential nutzen kann. An anderen Tagen stehen Stressprävention, Kommunikation und Konfliktdynamik auf dem Programm. „Die Studenten zeigen großes Engagement“, sagt die Geschäftsführerin Ellen Scheiter. Das sei ihnen hoch anzurechnen, denn sie bekämen die Weiterbildung meist gar nicht im Studium angerechnet. Lediglich die Technische Universität (TU) Berlin vergibt dafür Leistungspunkte. Dafür werden die Glückslehrer von der TU aber schon früher in den Schulen eingesetzt als ihre Kommilitonen. Die nächsten Kurse für Lehramtsstudenten und schon im Beruf stehende Lehrer starten im Mai und August.

Glück im Projekt

Steht jetzt neben Deutsch, Mathe und Sport an manchen Schulen also auch Glück auf dem Programm? Nicht ganz. Der Glücksunterricht ist Teil regulärer Schulfächer wie Philosophie oder Ethik, die sich per se mit Sinnfragen befassen, und steht zum Beispiel als Projektthema im Ethikunterricht auf dem Stundenplan. Ein Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Bildung betont, dass es an keiner Schule in der Hauptstadt ein Schulfach „Glück“ gebe. Und daran soll sich auch nichts ändern: „Es gibt keine Überlegungen und keinen Anlass, ein Schulfach Glück einzuführen“, heißt es. Die Schulen hätten genug Möglichkeiten, das Thema auf andere Weise angemessen zu vertiefen. Allerdings soll es derzeit Gespräche geben, das Glücks-Projekt ins Landesprogramm „gute gesunde Schule“ aufzunehmen. Dadurch könnte es von mehr Förderungen profitieren – und Schulen eher bereit sein, sich dafür zu öffnen.

Innerhalb des Bildungsbereichs spricht sich das Projekt herum. Die Schulleiterin der Integrierten Sekundarschule an der Jungfernheide, Karin Stolle, hat vom Glücksunterricht über einen anderen Rektor erfahren. Nun läuft das Projekt bereits im zweiten Jahr in ihren Klassen. Schulleiter seien immer auf der Suche nach guten Ansätzen für die eigene Schule, sagt sie. „Und wer wünscht sich schließlich kein Glück im Leben?“

Die Schulen müssen das Projekt selbst finanzieren – und lassen sich das einiges kosten: Bei Sethasa etwa ist der Deal, dass die Schule der gGmbH rund 3000 Euro zahlt, von dem Geld werden zwei Studenten beziehungsweise Lehrer zu Glückslehrern ausgebildet – und verpflichten sich wiederum, ein Jahr lang unentgeltlich an der Schule zwei Stunden wöchentlich Glück zu unterrichten.

Nett - trotz Pubertät

Für ihre Schule lohne sich das, sagt Stolle. „Seitdem wir das Projekt haben, hat sich die Grundstimmung im Unterricht verbessert.“ Die Schüler würden mehr Rücksicht aufeinander nehmen, freundlicher miteinander umgehen. Und das in einer schwierigen Entwicklungsphase wie der Pubertät. Einige Wissenschaftler stimmen dem zu. „Der Unterricht im Schulfach Glück scheint sich günstig auf das subjektive Wohlbefinden und die wahrgenommene soziale Integration im Klassenverband auszuwirken“, schreibt dazu etwa die Diplom-Psychologin Mareike Wickop von der Universität Mannheim.

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