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Lange Schlangen. Vor den Pavillons auf der Expo mussten die Besucher oft lang warten. Foto: AFP

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Weltausstellung in Schanghai: Superlative um jeden Preis

Nie war eine Weltausstellung größer, nie ist eine Expo mit größerem Aufwand vorbereitet worden. Nun sind die Tore in Schanghai offiziell geöffnet. Deutschlands Pavillon ist einer der teuersten.

Doch viele Besucher werden sich noch gedulden müssen, denn schon seit mehr als einer Woche sind die Eintrittskarten für die ersten drei Tage der Megaveranstaltung ausverkauft. Am Samstag strömten die Massen zur Expo – und mussten stundenlang auf Einlass warten. Doch viele Schanghaier stört das nicht. „Man hat uns gesagt, wir sollen mit dem Besuch der Expo warten, bis die ganzen Ausländer dran waren“, sagt der 51-jährige Wu Xiuping gelassen. Er hat über seine Arbeitsstelle Karten für sich und seine Familie erhalten. So viel Glück haben nicht viele Chinesen. Die junge Wanderarbeiterin Wang Yuhua aus der Provinz Henan malt sich keine große Chancen aus. „Natürlich würde ich die Expo gerne sehen“, sagt Wang, die während der Weltausstellung als Praktikantin in einem Hotel tätig ist. Doch sie wird wohl die ganze Zeit arbeiten müssen.

Zehntausende Menschen strömten bereits am Freitagabend an den Bund, Schanghais berühmte Flaniermeile am Huangpu-Fluss. Überall entlang des Flusses im Zentrum der ostchinesischen Hafenmetropole drängten sich Schaulustige, die einen Blick auf das große Feuerwerk zur Eröffnung der Weltausstellung werfen wollten. Doch so sehr sie sich mühten – außer ein paar vereinzelten Blitzen war fast nichts zu sehen. Das Feuerwerk war Teil der Eröffnungsgala direkt gegenüber dem Expo-Gelände und verdeckt von Hochhäusern. Nicht zu erreichen für einfache Menschen. Der Expo- Bereich war weiträumig gesperrt, verwandelt in eine Hochsicherheitszone. Zur Eröffnung waren Chinas Präsident Hu Jintao und zahlreiche Parteifunktionäre nach Schanghai gereist. Ihnen und den 21 Staatsgästen, darunter der französische Präsident Nicolas Sarkozy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, war der direkte Blick aufs Feuerwerk vorbehalten. Eine äußerst exklusive Feier für eine Massenveranstaltung, wie es die Expo werden soll.

Dabei ist die größte Expo aller Zeiten mit ihren rund 250 teilnehmenden Ländern und Organisationen vor allem für chinesische Besucher gedacht. 95 Prozent der angepeilten 70 Millionen Gäste, die bis Ende Oktober kommen sollen, werden Chinesen sein. „Für viele Chinesen ist so eine Messe etwas ganz Neues“, sagt Peter Redlin, der die Ausstellung des deutschen Pavillons mitgestaltet hat. Für die chinesische Regierung wird das Ausrichten von internationalen Großveranstaltungen nach den Olympischen Spielen dagegen fast schon zur Routine. Erneut kann China sich als moderne, vor Kraft strotzende Wirtschaftsmacht präsentieren. Welches Land sonst hätte in Zeiten der Wirtschaftskrise eine derartige Show der Superlative auf die Beine stellen können.

Eine Dimension, für die Chinas Behörden erneut nicht zimperlich mit ihren Bürgern umgegangen sind. Mehr als 18 000 Haushalte wurden geräumt, um Platz für das Expo-Gelände im Zentrum der Stadt zu schaffen. Zahlreiche Familien wurden gegen ihren Willen umgesiedelt. Wer sich beschwerte, musste damit rechnen, keine Abfindung zu erhalten oder eingesperrt zu werden. Auch wer sich für die Familien einsetzt, muss mit Repressalien rechnen. So wie der Bürgerrechtler Feng Zhenghu, der zu einiger Berühmtheit gelangte, als er nach einer Japanreise nicht mehr nach China zurück durfte. 92 Tage hielt er am Flughafen in Tokio durch, bevor ihn die chinesischen Behörden doch nach Schanghai zurückkehren ließen. Erst vor kurzem wurde Feng erneut von der Polizei abgeholt. „Bis drei Uhr morgens hielten sie mich fest und befragten mich über alles, was meine Arbeit für die Expo-Vertriebenen betraf. Sie warfen mir vor, dass ich gegen das Gesetz verstoßen würde. Ich sagte, ich wolle nur das chinesische Rechtssystem verbessern“, erklärte Feng Zhenghu. Einmal mehr setzen die chinesischen Behörden ihre städtischen Modernisierungspläne mit harter Hand durch.

Und das für eine Veranstaltung, deren Konzept schon länger als überholt gilt. Zwar ist das Hauptthema „Eine bessere Stadt, ein besseres Leben“, also die nachhaltige Stadtentwicklung, so aktuell wie nie, gerade auch in China. In Zeiten von Globalisierung und Internet wirkt die Expo jedoch reichlich antiquiert. Längst vergangen sind die Zeiten, in denen eine Weltausstellung nötig war, um von technischen Neuerungen zu erfahren. Und dennoch macht die Expo nicht nur für die chinesische Führung Sinn. In China erwacht die Expo-Idee zu neuem Leben – allerdings als internationale Verkaufsmesse, auf der sich Nationen mit ihren Expo-Beiträgen mal mehr mal weniger offensichtlich der neuen Wirtschaftsmacht China als Handelspartner anbiedern. „Es haben sich deutlich mehr Unternehmen und diesmal auch alle Bundesländer an unserem Pavillon beteiligt. Natürlich liegt das am Standort China“, sagt die deutsche Expo-Sprecherin Marion Conrad. Der kubisch geformte deutsche Pavillon unter dem Motto „Balancity – Die Stadt im Gleichgewicht“ wurde von Besuchern geradezu belagert. Mit etwa 50 Millionen Euro ist der Nationenpavillon einer der teuersten in Schanghai. Eine Berliner Wirtschaftsdelegation wird die Weltausstellung Anfang Juni besuchen. Dann steht Berlin im Fokus der Präsentation Deutschlands auf der Expo.

Der Beitrag der Schweiz kommt dagegen sehr gelassen daher. Auf einer zehn Meter hohen und 17 Meter breiten Leinwand in ihrer Ausstellung zeigt die Schweiz einen IMAX-Film über ihre Alpen. Wir sind ein kleines, wunderschönes Land. Wir haben viele Berge und wenig Platz – nicht viel mehr ist es, was einem der Schweizer Pavillon mit auf den Weg gibt. Mit seiner Nüchternheit und einem Sessellift, mit dem man über das Dach des Pavillons gondeln kann, scheint der Schweizpavillon zu einer Attraktion auf der Expo werden. Vier Stunden standen Chinesen am ersten Tag der Expo an, um mit dem Sessellift fahren zu können.

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