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In Deutschland hängt jeder fünfte Job am Export.

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Welthandel: Die Furcht der Deutschen vor der Globalisierung

Die Mehrheit der Deutschen fürchtet die Nebenwirkungen der Globalisierung wie eine wachsende soziale Ungleichheit. Woran das liegt und was die Politik tun kann.

Von Carla Neuhaus

Die Deutschen müssten eigentlich uneingeschränkt Fans der Globalisierung sein. Jeder fünfte Job hängt hierzulande an der Exportwirtschaft – gerade der Erfolg der deutschen Firmen im Ausland bringt der Bundesrepublik Wohlstand. Trotzdem machen sich immer mehr Menschen Gedanken über die Nebenwirkungen der Globalisierung. Eine knappe Mehrheit (52 Prozent) sagt jetzt, sie fühle sich nicht ausreichend vor den negativen Folgen geschützt. Das zeigt eine Umfrage unter 2000 Bundesbürgern im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Erstaunlich ist das, weil die meisten Bundesbürger die internationale Zusammenarbeit nicht per se ablehnen. Vielmehr bewerten 70 Prozent den Welthandel als positiv. Auch geht die Mehrheit der Deutschen davon aus, dass die Globalisierung zu einem hohen Lebensstandard beiträgt. Sorgen machen sich die Menschen dagegen vor allem mit Blick aufs eigene Gehalt. Die meisten fürchten, dass ihr Einkommen aufgrund der Globalisierung und der weltweiten Konkurrenz stagniert. Gleichzeitig sorgen sich 55 Prozent der Deutschen aber auch darum, dass die soziale Ungleichheit zunimmt. „Der Konsens, dass Handel gut ist, kann nicht mehr als selbstverständlich betrachtet werden“, schreiben deshalb die Experten der Bertelsmann Stiftung.

In den USA und Großbritannien gibt es schon länger Bedenken

Ganz neu ist das Problem nicht. Schließlich stehen auch hinter dem Erfolg der Brexit-Anhänger und dem Aufstieg von Donald Trump zum US-Präsidenten die Angst vor der Konkurrenz aus dem Ausland und folglich der Wunsch, die Wirtschaft stärker abzuschotten. Neu ist aber, dass auch in Deutschland diese Bedenken wachsen. Immerhin sagen nun bereits 57 Prozent der Befragen, sie würden sich wünschen, dass die Wirtschaft stärker vor ausländischen Wettbewerbern geschützt wird. Vor allem die Übernahme deutscher Firmen durch Konkurrenten aus Übersee halten 63 Prozent der Deutschen demnach für problematisch.

Woher diese zunehmend kritische Sicht auf die Globalisierung kommt, haben sich auch Wissenschaftler des Internationalen Währungsfonds (IWF) kürzlich gefragt. Sie haben sich deshalb angeschaut, wie sich 147 Länder seit 1970 durch die wachsende Globalisierung verändert haben. Demnach profitieren Länder besonders stark in der ersten Phase, wenn sie sich wirtschaftlich erst öffnen. Später sind die Vorteile hingegen nicht mehr ganz so deutlich – mit der Folge, dass Menschen in Industriestaaten der Globalisierung zunehmend skeptisch gegenüber stehen. Außerdem haben die IWF-Forscher herausgefunden, dass sich zwar die Länder bei den Einkommen international annähern (Chinesen also zum Beispiel längst nicht mehr so viel weniger verdienen als Amerikaner). Gleichzeitig werden die Einkommensunterschiede innerhalb der Länder aber größer, weil die Reichen stärker von der Globalisierung profitierten als Geringverdiener. Mit anderen Worten: Die Angst der Deutschen vor der wachsenden Ungleichheit könnte durchaus gerechtfertigt sein.

Was ist die Alternative zum Protektionismus?

Bleibt die Frage, welche Folgen man daraus zieht. Zumal mehr Protektionismus, eine Abschottung der heimischen Wirtschaft, keine Lösung für eine Exportnation wie Deutschland ist. „Die Bevölkerung will keine Isolation, aber sie wünscht sich Schutz auch abseits von Grenzen und Zöllen“, schreiben die Experten der Bertelsmann Stiftung. Der IWF, die Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO) fordern deshalb zum Beispiel seit längerem, die Aus- und Weiterbildung zu stärken. Menschen, deren Job durch die Globalisierung wegfällt, sollten mehr Unterstützung bekommen, um einen neuen Beruf zu lernen.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), fordert dagegen mehr Aufklärung. „Die große Skepsis gegenüber der Globalisierung muss ein Weckruf für die Politik sein, den Nutzen und die Kosten der Globalisierung den Menschen besser zu erklären“, sagte er dem Tagesspiegel. „Gerade wir Deutschen sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen, wenn wir mehr Protektionismus fordern. Deutschland braucht vor allem ein starkes und geeintes Europa, um seine Interessen im globalen Wettbewerb wahren zu können.“

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