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Gradmesser der Weltkonjunktur: Der weltweite Container-Verkehr hält das Wachstum der Volkswirtschaften am Laufen.

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Weltkonjunktur: Europa Wirtschaft wächst wieder

Seit der großen Wirtschaftskrise ist die Konjunktur das Sorgenkind der Ökonomen. Vor allem die sonst so robusten Schwellenländer schwächeln und zeigen nachhaltige Wachstumsschwierigkeiten. Nun holt überraschend Europa wieder langsam auf.

Die globale Konjunktur schaltet nun doch einen Gang höher. Das Barometer für das Weltwirtschaftsklima kletterte im zweiten Quartal um 3,6 auf 99,5 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Umfrage unter fast 1100 Experten aus 115 Ländern mitteilte. Diese bewerteten sowohl die Lage als auch die Aussichten für die kommenden sechs Monate besser als zuletzt. “Die Weltkonjunktur gewinnt langsam wieder an Fahrt“, sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.
Besonders deutlich verbesserte sich das Klima in Europa - allen voran in Mittel- und Osteuropa. Auch in Asien zeigt das Barometer nach oben und erreichte wieder seinen langfristigen Durchschnittswert. In Nordamerika fiel es zwar deutlich, bleibt aber immer noch vergleichsweise hoch. “Im Nahen Osten und Lateinamerika setzte sich der Rückgang des Indikators dagegen fort“, erklärte das Ifo-Institut. “Er fiel auf den niedrigsten Wert seit fast sechs Jahren.“

Frankreich und Italien gesunden, Griechenland sinkt zurück in die Rezession

Im Euro-Raum nimmt das Wachstum spürbar Fahrt auf. Die Wirtschaft in den 19 Mitgliedsländern wuchs zum Jahresanfang so kräftig wie zuletzt im Frühjahr 2013, wie die Statistikbehörde Eurostat am Mittwoch mitteilte. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen Januar und März um 0,4 Prozent – unmerklich weniger als die von Experten erwarteten 0,5 Prozent.
Impulse kamen vor allem von der europäischen Wirtschaftsmacht Nummer Zwei: Frankreichs Bruttoinlandsprodukt stieg mit 0,6 Prozent überraschend kräftig und zugleich so stark wie seit zwei Jahren nicht mehr. Auch Italiens Wirtschaft, die drei Jahre Stagnation hinter sich hat, wittert Morgenluft. Zwischen Mailand und Palermo ging es um 0,3 Prozent bergauf. Dies war das stärkste Wachstum seit Mitte 2013.
Schlecht läuft es hingegen für das von der Staatspleite bedrohte Griechenland. Die dortige Wirtschaft schrumpfte nach Eurostat-Angaben um 0,2 Prozent zum Vorquartal und rutschte damit wieder in die Rezession.

Deutsche Wirtschaft wächst – aber langsamer als erhofft

Die deutsche Wirtschaft hat ihren Aufschwung zum Jahresauftakt mit angezogener Handbremse fortgesetzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von Januar bis März im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Damit hat die Konjunktur deutlich an Fahrt verloren. Ende 2014 war die deutsche Wirtschaftsleistung verglichen mit dem vorangegangenen Vierteljahr noch um 0,7 Prozent gestiegen. Die Erwartungen von Bankvolkswirten, die mit einem Plus von 0,5 Prozent gerechnet hatten, wurden diesmal klar verfehlt.
Wichtigster Wachstumstreiber war erneut der Konsum im Inland. Die privaten Haushalte steigerten ihre Ausgaben, weil einerseits Sparanlagen angesichts der mickrigen Zinsen unattraktiv sind und sie andererseits dank steigender Löhne und Rekordbeschäftigung mehr Geld in der Tasche haben. Positive Impulse kamen zudem von den staatlichen Konsumausgaben und den Investitionen. „Sowohl in Bauten als auch in Ausrüstungen wurde deutlich mehr investiert als im vierten Quartal 2014“, erklärten die Statistiker.

Chinas Wachstum schwächelt – und mit ihm der deutsche Export

Gradmesser der Weltkonjunktur: Der weltweite Container-Verkehr hält das Wachstum der Volkswirtschaften am Laufen.
Gradmesser der Weltkonjunktur: Der weltweite Container-Verkehr hält das Wachstum der Volkswirtschaften am Laufen.

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Deutschlands Importe wachsen schneller als die Exporte

Hingegen bremste der Außenbeitrag - also die Differenz der Entwicklung von Ex- und Importen - das Wachstum. Zwar wurden nach den vorläufigen Berechnungen mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als Ende 2014. Deutschlands Importe stiegen den Angaben zufolge aber noch sehr viel kräftiger. „Die Winterdelle ist unübersehbar. Bereits in den Herbstmonaten deuteten wichtige Konjunktur-Frühindikatoren auf einen wirtschaftlichen Winterschlaf hin“, sagte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Gruppe. Der schwache Welthandel schlage auf die exportstarke deutsche Industrie durch. Im Vorjahresvergleich hat sich das Wirtschaftswachstum ebenfalls verlangsamt: Das preisbereinigte BIP stieg im ersten Quartal 2015 um 1,1 Prozent zum Auftaktquartal 2014. Von Oktober bis Dezember 2014 hatte das BIP im Jahresvergleich noch um 1,6 Prozent zugelegt. Trotz der Delle zum Jahresauftakt blicken Ökonomen mit Zuversicht auf die deutsche Wirtschaftsentwicklung im laufenden Jahr. „Wir erwarten ab dem Frühjahr eine neuerliche, moderate Belebung der Wachstumsdynamik“, erklärte etwa Unicredit-Volkswirt Andreas Rees. Zuletzt hatten zahlreiche Konjunkturforscher ihre Wachstumsprognosen für 2015 angehoben. So erhöhte der Sachverständigenrat in seinem Frühjahrsgutachten die BIP-Prognose von 1,0 auf 1,8 Prozent für das Gesamtjahr. Auch die Bundesregierung erwartet einen Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts von 1,8 Prozent. Im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft um 1,6 Prozent gewachsen.

China – das neue Sorgenkind?

Der lediglich moderate Anstieg bei den Exporten hat seinen Ursprung vor allem in Fernost: In China mehren sich die Anzeichen für eine weitere Abkühlung der Konjunktur. Die Investitionen in Maschinen, Gebäude, Grundstücke und andere Sachanlagen legten von Januar bis April mit zwölf Prozent so wenig zu wie seit fast 15 Jahren nicht mehr, wie das Statistikamt in Peking am Mittwoch mitteilte. Die Industrieproduktion wuchs im April zum Vorjahr um 5,9 Prozent und blieb damit leicht hinter den Erwartungen zurück. Dies gilt auch für die Einzelhandelsumsätze, die um zehn Prozent stiegen und damit weniger stark als im März.

Das sind schlechte Nachrichten für die staatlichen Wirtschaftslenker, die dieses Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von sieben Prozent anpeilen. Diese Rate wurde im ersten Quartal gerade noch erreicht.
Doch die enttäuschenden Daten sind ein schlechtes Omen für die Konjunkturaussichten im Frühjahr. Viele Experten erwarten daher, dass die kommunistische Führung die Wirtschaft mit weiteren Maßnahmen anschieben wird. Zuletzt hatte die Notenbank zum dritten Mal binnen sechs Monaten die Zinsen gesenkt. Im vergangenen Jahr hatte sich das Wirtschaftswachstum auf 7,4 Prozent abgekühlt. Das war das geringste Plus seit 24 Jahren. (mit Material von Reuters und dpa)

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