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Die WM hat noch nicht angefangen, aber Ökonomen kennen schon den Sieger.

© dpa

Weltmeisterschaft: Frankreich ist der Favorit

Mehr als eine Milliarde Euro ist die französische Mannschaft wert. Nach der Marktwert-Methode landet Deutschland auf Platz vier, schreibt unser Gastautor.

Die Prognose von WM-Ausgängen ist nicht nur für Fußballfans ein reizvolles Gedankenspiel, auch die Wissenschaft versucht regelmäßig, den Weltmeister vorherzusagen. Dabei werden eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt und manchmal komplizierte mathematische Modelle berechnet, um den Gewinner vorab zu erkennen. Aber viele Berechnungsmethoden sind kaum nachvollziehbar, und die komplexen Prognosen schnitten bislang keineswegs besser ab als ein einfaches und von jedermann nachvollziehbares Modell: Die sogenannte Marktwert-Methode – erstmals 2006 im „Tagesspiegel“ veröffentlicht – wurde mit verblüffendem Prognoseerfolg bei den vergangenen drei Fußball-Weltmeisterschaften angewendet.

Ein leicht zu verstehender und für jedermann zugänglicher Indikator, der die Leistungsfähigkeit eines Fußballers gut ausdrückt, ist sein Marktwert. Der Marktwert der Mannschaft ergibt sich dabei aus der Summe der Marktwerte aller Einzelspieler. Letztere können von jedem Fan auf der Seite www.transfermarkt.de abgelesen werden. Die „Marktwert-Methode“ geht davon aus, dass die Mannschaft mit dem teuersten Spielerkader auch die spielstärkste Mannschaft ist und deshalb wahrscheinlich den Wettbewerb gewinnen wird. Gegen diesen simplen Indikator kann sicherlich jeder Fußballfan zig Einwände im Detail vorbringen, doch hat der Marktwert eine große prognostische Kraft: 2006 und 2010 hat er die Weltmeister richtig vorhergesagt.

Spanien und Frankreich sind praktisch gleich auf

Die aktuellen Marktwerte zeigen, dass in Russland nach der Gruppenphase ein ausgeglichenes und damit spannungsreiches Turnier bevorsteht. An der Spitze der Marktwerte (Stand: 13. Juni) liegt das französische Nationalteam mit einem Mannschaftswert (Kader aller 23 Spieler) von 1,08 Milliarden Euro. Praktisch gleichauf liegt der spanische Kader mit 1,03 Milliarden Euro. Gemessen an diesem Mini-Abstand ist der Rückstand des brasilianischen Teams mit 981 Millionen Euro groß, noch größer ist der zum deutschen Kader mit 883 Millionen Euro.

Knapp hinter der deutschen Mannschaft liegt der englische Kader (874 Millionen Euro oder 80,9 Prozent des Marktwertes des französischen Kaders). Jedoch gilt hier – neben dem doch großen Abstand zu den Spitzenteams – eine eherne Ausnahme von der Marktwert-Regel: Das englische Team kann nur in England selbst eine WM gewinnen. Belgien und Argentinien haben Kader, die mit 754 und 696 Millionen Euro deutlich weniger wertvoll sind als die auf den ersten vier Plätzen liegenden Mannschaften. Portugal liegt mit einem Marktwert von 465 Millionen Euro nur auf Rang acht.

Durch Verletzungen und Nachnominierungen in letzter Sekunde können sich die oben genannten Euro-Beträge noch leicht verschieben, aber das würde an der Prognose für die kommende WM, nämlich kein eindeutiger Favorit, nichts ändern. Und auch der aktuelle Trainerwechsel bei der spanischen Nationalmannschaft hinterlässt sicherlich seine Spuren, ändert aber nichts an den Marktwerten der einzelnen Spieler.

Wie eng es an der Spitze bei der WM zugehen wird, macht auch eine Zusatzrechnung deutlich. Zieht man bei allen vier Top-Mannschaften jeweils die zwei teuersten Spieler ab (was wegen Verletzung oder Formkrise ja während der WM durchaus passieren kann), kommt man zu einer anderen Reihenfolge. Spanien schiebt sich vor Frankreich und Deutschland und dann erst folgt Brasilien. Als Spanien 2010 Weltmeister wurde, war das anders: Man konnte rechnen und korrigieren, wie man wollte, Spanien lag immer vorne.

2006 gewann der teuerste Kader: Italien

Die Tabelle zeigt, dass die drei Spitzenkader genauso eng zusammenliegen wie 2006, als am Ende der teuerste Kader, nämlich Italien, für Fans überraschend die Weltmeisterschaft gewann. Damals lag Italien aber nur so knapp vor den Mannschaften auf Platz zwei und drei, dass auf Basis der Marktwert-Methode kein eindeutiger Favorit auszumachen war – und doch behielt sie recht.

Auch bei der WM 2014 lagen die Marktwerte der Favoriten schon deutlich dichter zusammen als vier Jahre zuvor, sodass eine klare Prognose nicht sinnvoll war. Am Ende gewann die Auswahl des DFB, deren Marktwert tiefer lag als der für Spanien – aber der Abstand Deutschlands zu Brasilien und Argentinien war deutlich. Da Deutschland diesmal ganz klar nur auf Platz vier liegt, wird es voraussichtlich einen neuen Weltmeister geben.

Es muss freilich immer wieder daran erinnert werden, dass im Fußball auch der Teamgeist zählt. Und nicht zu vergessen: der Zufall. Die besondere Rolle des Zufalls beim Fußball (im Vergleich zu Basketball, Handball oder Eishockey) hat einen Grund: Im Fußball werden insgesamt sehr wenige Tore geschossen, sodass ein einziger Treffer einer sportlich deutlich schwächeren Mannschaft schon den Sieg bedeuten kann. In einer K.-o.-Runde kann das sehr wichtig sein. Das weckt Hoffnung für die Auswahl des DFB.

Professor Gert G. Wagner ist Senior Research Fellow am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

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