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Da geht's lang! Chinas Präsident Xi Jingping (l.) zeigt dem US-Präsidenten Donald Trump den Weg.

© AFP

Weltordnung: Wie China die Spielräume nutzt, die Trump offenlässt

Weil sich die USA aus internationalen Abkommen zurückziehen, rückt China schneller in den Mittelpunkt der Weltwirtschaft als gedacht.

Eigentlich gefiel sich China in der Rolle des Halbstarken. Man sei ja noch ein sich entwickelndes Land und könne deshalb nicht dieselbe Verantwortung übernehmen wie die entwickelten Industrienationen, ließ Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping immer wieder verlauten, um dann doch überall die Muskeln spielen zu lassen. Damit scheint es nun vorbei zu sein, weil der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika dabei ist, allen anderen Verantwortung zuzuschieben. Dadurch entsteht die paradoxe Situation, dass China in den Augen der Welt mächtiger erscheint, als es vielleicht selber sein will. Jedenfalls ist auf dem internationalen Parkett ein Machtvakuum entstanden, das China zu füllen scheint.

2017 löste China Deutschland als Exportweltmeister ab und an der Kaufkraft gemessen ist das Reich der Mitte schon längst die größte Volkswirtschaft der Welt. Mit der Ausrufung des Chinesischen Jahrhunderts und der Made-in-China-Kampagne wurde der Anspruch schon vor einigen Jahren formuliert. Man wollte sich aber bis 2025 Zeit lassen. Oder zumindest bis 2021, wenn die Kommunistische Partei ihr 100-jähriges Bestehen feiert.

Jetzt aber hat Xi Jinping verstanden, dass man schneller auf eigenen Füßen wird stehen müssen. „Es wird immer schwerer, international Zugang zu Schlüsseltechnologien zu bekommen, und China wird sich dabei auf sich selber verlassen müssen“, sagte Xi. „Und das ist nicht schlecht.“ Statt weiterhin auf traditionelle Industrien zu setzen, hat die Volksrepublik sich auf die Digitalisierung eingeschworen. Es wird massiv in Technologieentwicklung und künstliche Intelligenz (KI) investiert. Der Wert der KI-Branche steigt laut dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie bis 2020 auf 20 Milliarden Euro und soll bis 2025 auf 50 Milliarden Euro wachsen.

China tritt als Großinvestor in Deutschland auf

Die Führung setzt stark auf den Automobilsektor, die Biomedizin, den Energiebereich, Maschinenbau und Robotik. Im Ausland wurde in Schlüsselindustrien investiert. Besonders beliebt waren und sind deutsche Firmen. Laut der Unternehmensberatung EY sind seit Jahresbeginn schon 15 Milliarden Dollar für Beteiligungen chinesischer Unternehmen in Europa ausgegeben worden, zehn Milliarden davon allein für deutsche Firmen.

Nicht immer sind diese Beteiligungen für beide Seiten so harmonisch verlaufen wie im Fall des schwäbischen Betonpumpenherstellers Putzmeister und des chinesischen Maschinenbauers Sany. Als die Chinesen 2012 einstiegen, steckte Putzmeister in der Krise. Nun wächst der Umsatz, die Beschäftigungsgarantie läuft bis 2020 und dem deutschen Management werden alle Freiheiten gelassen. Doch dies ist eher eine Ausnahme bei den vielen Firmenübernahmen und -beteiligungen in Deutschland.

Gerade haben alle drei Vorstandsmitglieder den bayerischen Autositzhersteller Grammer verlassen, nachdem der chinesische Autozulieferer Ningbo-Ifeng die Mehrheit übernommen hat. Die Chinesen selbst sehen sich immer noch in einer Aufbruchsituation. Der Handelskrieg mit den USA spitzt die Lage zu und die Worte Xi Jinpings, der Anfang 2017 vor der Nationalen Sicherheitskommission von „Chinas Rolle in der sich gerade herausbildenden Neuen Weltordnung“ sprach, bekommen eine neue Relevanz. Formuliert sich hier der Führungsanspruch eines Landes, das mehr oder weniger zwangsläufig zur Weltmacht aufsteigt?

Xi will in die Geschichtsbücher eingehen

Seit Xi Ende 2013 ins Amt kam und seine Macht konsolidierte, hat er das Herzstück seiner Politik immer weiter vorangetrieben: Chinas politökonomische Renaissance. Was rückwärtsgewandt klingt, kommt mit einem Plan daher, den es so weltweit nicht ein zweites Mal gibt. Yi Dai Yi Lu – „Ein Gürtel, eine Straße“: das Neue Seidenstraßenprojekt. Damit baut Xi ein weltweites Netzwerk auf, das gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Zum einen sollen die Infrastrukturprojekte mit beteiligten Ländern die Überproduktionsprobleme bei Chinas Staatsbetrieben mindern und gleichzeitig werden durch den Ausbau von Straßen, Häfen, Bahnlinien und Flughäfen geostrategische Allianzen geschmiedet, die Chinas Position weltweit festigen.

Zudem wird der Zugang zu Energie und anderen natürlichen Ressourcen gesichert und neue Handelswege für Chinas Warenverkehr entwickelt. Ob es nun Häfen in Afrika, Straßen in Osteuropa oder auch nur die Bahnstrecke ist, die von China bis nach Duisburg reicht. Xi will damit in die Geschichtsbücher eingehen.

Der Wucht, die sich da entwickelt, hat man im zerstrittenen Europa wenig entgegenzusetzen. Die EU arbeitet noch immer auf dem Papier an einem Plan, wie sie mit der Neuen Seidenstraße umgehen soll. Ein Beispiel aus Athen: 2016 haben die Chinesen mehr als 280 Millionen Euro in den Hafen von Piräus investiert. Vor dem UN-Menschenrechtsrat hat Griechenland im vergangenen Jahr die Menschenrechtsstandards in China nicht kritisiert.

Mit jedem Land, das sich mit China eingelassen hat, verliert die EU an Einfluss, denn durch die chinesischen Investitionen wägen sie immer mehr ab, wie sie sich zu China äußern. EU-Delegierte in China mahnten die 27 EU-Mitgliedsländer jüngst: Der Ausbau der Neuen Seidenstraße laufe der Handelsliberalisierung der Europäischen Union zuwider und öffne ein Tor für subventionierte chinesische Firmen. Und während die EU auf der Stelle tritt und mit den USA ein Handelskrieg droht, entwickelt China mit vielen anderen Ländern gute Verhältnisse.

China schmiedet Allianzen weltweit

Anfang September hat Xi während des China-Afrika-Gipfels in Peking verkündet, in den kommenden drei Jahren 60 Milliarden Dollar in die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas investieren zu wollen. Xis Neue Seidenstraße hilft den Ländern Afrikas, ihre Infrastruktur aufzubessern – und zwar effektiver als die jahrzehntelange Entwicklungshilfe des Westens. Allein 2017 hat China über 6200 Kilometer Eisenbahnstrecke und mehr als 5000 Kilometer Straße in Afrika finanziert und gebaut. So auch die Eisenbahnstrecke von Addis Abeba zur Küstenstadt Dschibuti. Dort hat das chinesische Militär nun eine Marinebasis und Peking will die größte Freihandelszone des Kontinents eröffnen.

Weltkulturerbe am Straßenrand. Chinas Mammutprojekt „Neue Seidenstraße“ soll sich von Asien bis Europa erstrecken. Sie könnte dann auch hier am Registan-Platz in Usbekistan vorbeiführen, ein historischer Ort an der Seidenstraße, deren Geschichte mehr als 2000 Jahre zurückreicht.
Weltkulturerbe am Straßenrand. Chinas Mammutprojekt „Neue Seidenstraße“ soll sich von Asien bis Europa erstrecken. Sie könnte dann auch hier am Registan-Platz in Usbekistan vorbeiführen, ein historischer Ort an der Seidenstraße, deren Geschichte mehr als 2000 Jahre zurückreicht.

© mauritius images / Egmont Strigl

Afrikas politische Führer sehen in China inzwischen einen Partner, der nicht von oben herab auf sie schaut, sondern durch seine vielen Investitionen in die Infrastruktur den Kontinent wie kein anderes Land unterstützt. Ähnlich ist es mit Russland. Durch die Sanktionen, die der Westen Putin für die Besetzung der Krim auferlegt hat, ist Russland näher an China gerückt. Kürzlich erst haben Putin und Xi bei Kaviar und Wodka bei einem Staatsbesuch auf gemeinsame Militärmanöver angestoßen. Peking ist mit 3500 Soldaten, 30 Flugzeugen und Hubschraubern dabei.

Putins Einladung dafür war von großer Symbolkraft. Sie sollte den USA zeigen, dass beide Länder freundschaftlich verbunden sind und dass Russland wegen des Ukrainekonflikts nicht international isoliert dasteht, sondern den mittlerweile großen Bruder China auch militärisch an der Seite hat. China dient das auch als Absicherung, denn Russland ist dessen größter Öllieferant. China schützt seine Einflusssphäre strategisch ab.

Dasselbe sieht man auch im Streit um die Sprately-Inseln im Südchinesischen Meer. Systematisch wurden dort die Positionen ausgebaut. Japan kann es sich nicht leisten, darüber in einen offenen Konflikt mit dem Nachbarn zu geraten.

Außerdem hat auch Japan einen hohen Handelsüberschuss mit den USA und musste zuletzt Strafzölle auf seine Autoexporte durch die Amerikaner befürchten. Auch die innerkoreanische Annäherung und die damit verbundene US-Politik setzen Tokio unter Druck. Vor diesem Hintergrund will es sich Japan mit China nicht verscherzen, zumal im vergangenen Jahr das japanische Wirtschaftswachstum zu einem Drittel von Exporten nach China gestützt wurde.

Strebt China nun die Position als neuer Hegemon an und will die USA ablösen? Oder versucht die „halbstarke Nation“ nur ihre Position nach und nach und synchron zum wirtschaftlichen Aufholprozess auszubauen. Der Handelskrieg, die Aufkündigung der Klimaverträge, die Schwächung der Uno und der WTO durch die USA zwingen China ironischerweise, schneller Verantwortung zu übernehmen und „erwachsen“ zu werden, als die Führung in Peking das selber angestrebt hat.

Ning Wang

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