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Wir sind wieder da!

© dpa

Wirtschaft: Weltspitze unter sich

Die Wirtschaft feiert mit Merkel und Steinmeier

Berlin - Arbeitgebertage sind selten Feiertage. Man hockt bei Kunstlicht in Konferenzräumen, hört sich die Forderungen der Funktionäre an und anschließend die Erklärungen der Politiker. Doch an diesem düsteren Novembertag ist alles anders im Berliner Hotel Maritim. Die Rückkehr einer Wirtschaftsnation an die Weltspitze wird gewürdigt. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt: „Deutschland hat den Turnaround geschafft.“ EU-Kommissar Günther Oettinger: „Deutschland ist mehr denn je das Industriecluster für die ganze Welt.“ SPD-Fraktionschef Frank Walter Steinmeier: „Die Welt sah für die Unternehmen schon lange nicht mehr so rosig aus.“ Und schließlich die Bundeskanzlerin: „Deutschland steht gut da.“

Angela Merkel, Gastgeber Hundt und die anderen Prominenten stellten bei ihren Ausführungen die Bedeutung der Industrie heraus, der das Land Wachstum, Wohlstand und Krisenbewältigung zu verdanken habe. Steinmeier sprach sogar von „Industriepolitik als Wachstumspolitik“, auch in Abgrenzung zum liberalen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Merkel nutzte die Gelegenheit, die Verlängerung der Akw-Laufzeiten mit der Notwendigkeit bezahlbaren Stroms für Industrie und Verbraucher zu rechtfertigen. Und Oettinger, in Brüssel für Energiepolitik zuständig, warnte „vor einer wachsenden Distanz zur Industrie in Deutschland“. Da mag dem früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg auch der Stuttgarter Bahnhof im Kopf herumgespukt haben. Hundt jedenfalls, ebenfalls Schwabe, bekam den stärksten Applaus der Wirtschaftselite, als er Merkel dafür dankte, „so klar und deutlich in Sachen Stuttgart 21 Position bezogen“ zu haben. Die griff die Vorlage in diesem Kreis der Bahnfreunde gerne auf und betonte die Relevanz der Rechtssicherheit. Zu den „großen Qualitäten des Standorts Deutschland gehört, dass Investoren von draußen glauben, sich auf uns verlassen zu können“.

Und dann las die Kanzlerin den Bossen doch noch die Leviten, indem sie die Entwicklung der Sozialabgabenquote vorrechnete: 2004 flossen demnach 42 Prozent des Bruttoeinkommens in die Sozialsysteme, 2009 waren es 39,25 und kommendes Jahr sind es 39,45 Prozent. „Das ist die Wahrheit“, rief Merkel. „Unter 40 Prozent zu bleiben ist eine große Leistung.“ Besonders großartig sei die „Entkopplung der Arbeitskosten von den Gesundheitskosten“ – ganz im Sinne der über Jahre vorgetragenen Forderung der Wirtschaftsverbände. „Dass ausgerechnet die Arbeitgeber das kritisieren – das kann ich nicht verstehen“.

Hundt will mehr und machte eine andere Rechnung auf: Wenn ein Durchschnittsverdiener eine Stundenlohnerhöhung um einen Euro bekommt, dann landen tatsächlich nur 37 Cent beim Arbeitnehmer, Steuern und Abgaben machen den Rest aus. Hundts Vorschlag für die Zukunft, „der einer Revolution gleichkommt“: Die Hälfte einer Lohnerhöhung sollte als Netto übrigbleiben. Spätestens da war der Arbeitgebertag wieder da angekommen, wo er immer ist: bei Forderungen an die Politik. Alfons Frese

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