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Wirtschaft: Weltwirtschaft: Die Abhängigkeit vom Öl bremst Bush

George W. Bush ist jetzt der Oberkommandierende der USA - aber ebenso ehemaliger Öl-Mann.

George W. Bush ist jetzt der Oberkommandierende der USA - aber ebenso ehemaliger Öl-Mann. Das wird eine Rolle spielen, wenn er seine militärischen Optionen überdenkt. Die Ölpolitik bindet Bush in gewissem Maß die Hände, denn er darf den Nachschub aus dem Mittleren Osten nicht gefährden. Das würde die US-amerikanische Wirtschaft wohl noch schlimmer treffen als schon vor den terroristischen Angriffen vor zwei Wochen.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Umfrage: Haben Sie Angst vor den Folgen des Attentats? Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Fahndung: Der Stand der Ermittlungen Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 gilt als der Hauptverdächtige Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Doch nicht nur die US-Wirtschaft: Ohne das arabische Öl stünde die gesamte Weltwirtschaft still. Der Westen ist heute so abhängig vom arabischen Öl wie seit den Ölschocks der Siebziger Jahre nicht mehr. Die USA importieren 56 Prozent ihres Öls. 1973, als das arabische Ölembargo begann, waren es nur 37 Prozent. Rund ein Viertel der Importe kommen aus arabischen Ländern am Persischen Golf. Eine der letzten Alternativen des Westens zum arabischen Öl mit seinen schwankenden Preisen ist Rohöl aus der Nordsee - und das wird knapp. Das letzte Mal stand der Westen vor einem vergleichbaren Problem, als die US-Ölproduktion 1970 abflachte. Das bereitete den Boden für eine Vervierfachung der Preise und das Ölembargo der Araber von 1973.

In dieser Situation müssen die USA darüber nachdenken, wie sie einen Krieg gegen den Terrorismus führen sollen, der sehr wahrscheinlich heftige Reaktionen in den arabischen Staaten auslösen wird. Vito A. Stagliano, der während des Golfkriegs unter Präsident George Bush in leitender Position im Energieministerium arbeitete, glaubt nicht an ein anti-westliches Embargo der Produzenten am Golf. "Produzenten und Verbraucher kommen nicht ohne einander aus", sagt er. "Aber Vergeltungsschläge werden die Preise beeinflussen." Er weist auch darauf hin, dass Terroristen selten - wenn überhaupt - Ölanlagen im Mittleren Osten ins Visier genommen haben. Das liegt auch daran, dass man Öl-Pipelines rasch reparieren und Feuer in Raffinerien löschen kann.

Die Bush-Regierung bezieht bei ihren militärischen Erwägungen das Öl offensichtlich mit ein. Außenminister Colin Powell und Vizepräsident Dick Cheney sagten, die bisherigen Beweise zu den Terrorattacken entlasteten sowohl den Irak als auch den Iran. Lybien steht nach Aussage von Öl-Managern ebensowenig auf der Abschussliste der USA. Der US-Energieminister Spencer Abraham hat die Opec aufgefordert, ihr Versprechen einzuhalten, den Ölmarkt stabil zu halten und nötigenfalls mehr Öl zu fördern.

Die Ölpreise schnellten gleich nach den Angriffen auf mehr als 31 Dollar pro Barrel (159 Liter), sind seitdem aber wieder auf 27 Dollar gefallen. Eine instabile Versorgung kostet die Weltwirtschaft viel Geld. Schon ein Pfennig mehr pro Liter Benzin belastet die USA jährlich mit etwa sechs Milliarden Mark. In Europa, wo rund ein Viertel des Rohöls zu Benzin verarbeitet wird, wirkt sich die gleiche Erhöhung mit beinahe 2,8 Milliarden Mark aus. Zudem verärgern hohe Treibstoffpreise wie im vergangenen Jahr die Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantik. Aus Angst vor überhöhten Heizölpreisen gab der damalige Präsident Bill Clinton während des Präsidentschaftswahlkampfs sogar Öl aus der strategischen Reserve des Landes frei - ein noch nie dagewesener Schritt.

Auf globaler Ebene erscheint Nordseeöl vielleicht nicht entscheidend; es trägt weniger als acht Prozent zum weltweiten Ölausstoß von etwa 76 Millionen Barrel pro Tag bei. Aber es hat den Westen lange Zeit vor den arabischen Ölpreis-Schocks geschützt. Das Öl wurde schon 1969 entdeckt, aber westliche Ölfirmen interessierten sich zuerst nicht dafür. In den 70-er Jahren verjagten dann Saudi Arabien und andere Opec-Mitglieder die großen Ölfirmen aus dem Mittleren Osten und die Rohölpreise vervierfachten sich. Danach reagierte die Branche: Von 1975 an floss Öl vom Grund britischer Gewässer, bald darauf aus dem norwegischen Schelf. Durch das brachiale Vorgehen der Opec wurde sogar Öl aus den gefrorenen Lagen Alaskas und Flachwasser-Bereichen des Golfs von Mexiko wirtschaftlich attraktiv.

Angesichts der neuen Konkurrenz fabrizierte die Opec Ende 1985 einen Ölpreis-Crash. Sie wollte alle Nicht-Opec-Länder aus dem Geschäft drängen, indem sie die Ölpreise deutlich unter die Produktionskosten drückte. Dabei verkalkulierte sie sich: Wenn Ölfirmen einmal in Produktionsanlagen investiert haben, ist es für sie billiger, weiter Öl zu fördern, als die Quellen stillzulegen.

Seit Ende der 80er Jahre gehen die Fördermengen in Alaska und im Golf von Mexiko jedoch von selbst zurück, und jetzt geht auch in der Nordsee das Öl langsam zur Neige. Die Lager unter der Nordsee trocknen nicht zufällig aus. Ölfirmen betreiben Felder immer mit voller Kapazität, damit sich Investitionen so schnell wie möglich rentieren. Das ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, aber nicht notwendigerweise gut für die Sicherheit des Westens. Sollte die Ölversorgung plötzlich zusammenbrechen, müsste der von seinen strategischen Reserven zehren. Derzeit reichen diese allerdings nur für 90 Tage.

Vittorio Mincato, Chef der italienischen Ölfirma Eni, nimmt an, dass westliche Ölfirmen eine neue Lösung suchen werden. "Die augenblickliche Lage könnte sie dazu bringen, in anderen Gegenden als bisher nach Ölfeldern zu suchen", sagte er am Tag nach den Terroranschlägen. In Frage kommen zum Beispiel das Kaspische Meer oder Angola.

Schon seit einiger Zeit suchen Ölfirmen außerhalb des Mittleren Ostens nach Öl. Eni ist in Westafrika und Kasachstan aktiv. BP investiert in den nächsten zehn Jahren allein in Angola 14 Milliarden Mark. Unter anderem Exxon-Mobil und Total-Fina-Elf balgen sich darum, das große Kashagan-Feld in Kasachstan zu erschließen. Es wurde erst vor kurzem entdeckt und seine Lager könnten mehr als zwei Mal so groß sein wie die gesamten Reste im britischen Sektor der Nordsee. In der Folge der Terrorschläge rechnet Mincato damit, dass Firmen sogar Kanadas extra-schwere Ölvorkommen erschließen werden, die bislang als unrentabel galten.

Bis jetzt hat die westliche Ölindustrie regelmäßig Bedenken heruntergespielt, die ölgetränkten Emirate und Königreiche am Persischen Golf könnten in den gleichen Aufruhr geraten wie der Iran vor zwanzig Jahren. Damals vertrieben islamische Fundamentalisten den vom Westen gestützten Schah. Seit vorvergangener Woche wollen nur noch wenige Öl-Manager über dieses Thema sprechen.

Natürlich verkaufen sogar islamische Revolutionäre am Ende Öl. Sie haben kaum eine andere Wahl: Öl bleibt die Haupt-Einkommensquelle der Region, wie sich im Iran zeigte. Daher lautet die Frage nicht, ob das Öl weiter in den Westen fließen wird. Die Frage, politisch wie wirtschaftlich, ist: Zu welchem Preis?

Bhushan Bahree

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