zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Wem es dient

Beamte sind unnötig, findet Nordrhein-Westfalen – und will Berufsbeamte abschaffen. Damit steht das Land allein da. Denn Staatsdiener sind billiger als Angestellte

BEAMTE – WAS SIE KOSTEN, WEM SIE NUTZEN

Von Maren Peters und

Flora Wisdorff

Berlins Beamte erleben schwere Zeiten. Ehrhard Körting, der Innensenator der klammen Hauptstadt, fährt einen harten Kurs. 13 Beamtenlaufbahnen will er abschaffen, verkündete er vergangene Woche. Und das ist erst der Anfang. „Wir brauchen nicht in allen Bereichen Beamte“, sagte Körting dem Tagesspiegel. Außer in der Justiz, der Polizei und der Feuerwehr seien sie entbehrlich. „Warum müssen Lehrer Beamte sein?“, fragt sich der Senator. Sein Ziel: Abgesehen von der Schulaufsicht und der Schulleitung will er hier das Beamtentum abschaffen. „Angestellte Mitarbeiter sind einfach flexibler, denn man kann sie entlassen.“

Körting ist zusammen mit seinen Kollegen aus Nordrhein-Westfalen Vorreiter bei der Reform des öffentlichen Dienstes. Einerseits steht die Anzahl der Beamten zur Debatte, andererseits die Reform des Beamtentums an sich, dabei vor allem die Änderung des Tarifrechts. Körting würde die bei den Beamten üblichen Gehaltserhöhungen nach Alter am liebsten „ersatzlos streichen“, und dafür stärkere Leistungsanreize setzen. Die „Bull-Kommission“ aus NRW unter Leitung des ehemaligen schleswig-holsteinischen Innenministers Hans Peter Bull hat genau das in ihrem Bericht festgestellt (siehe Interview). Sie empfahl im Frühjahr 2003 die Abschaffung des Berufsbeamtentums. Am kommenden Mittwoch wird sich Bundesinnenminister Otto Schily mit dem Beamtenbund, den Fraktionsvorsitzenden und dem Bundesratspräsidenten treffen, um eine Reform des öffentlichen Dienstes zu besprechen.

Dabei müssen Beamte für das Privileg der Unkündbarkeit schon jetzt einen hohen Preis zahlen. So wurden ihnen in den vergangenen Jahren mehrfach Besoldungs- und Versorgungserhöhungen erst Monate später ausgezahlt als den öffentlichen Angestellten. Im kommenden Jahr müssen die Staatsdiener zudem die Kürzung des Weihnachtsgeldes, längere Arbeitszeiten sowie die Übertragung der Gesundheitsreform auf ihre Beihilfen verkraften. Allein in Berlin sollen diese Maßnahmen den Haushalt ab 2005 um 13 Millionen Euro entlasten, sagte Körting. Doch an die Strukturen hat sich bislang kaum jemand herangetraut.

Das Land NRW will jetzt erstmals einen Vorstoß wagen. Mitte kommenden Jahres will das Bundesland eine Initiative zur Änderung des Artikels 33 Grundgesetz einbringen, kündigte Wolfgang Riotte, Ex-Staatssekretär und Beauftragter für die Reform des öffentlichen Dienstes in NRW, an. Ziel sei es, das Berufsbeamtentum abzuschaffen und ein einheitliches Dienstrecht für Beamte und Angestellte zu schaffen. Ein entsprechender Entwurf werde von der Landesregierung gerade geprüft, sagte Riotte, der mit Unterstützung der SPD-regierten Länder rechnet.

Dabei schlagen einige Bundesländer gerade genau die entgegengesetzte Richtung ein. Um Geld zu sparen, machen sie Angestellte kurzerhand zu Beamten. Das ist billiger, weil die öffentliche Hand für Beamte keine Sozialabgaben zahlen muss. Doch das könnte sich langfristig rächen. „Auf die öffentlichen Haushalte rollt eine gewaltige Pensionslawine zu“, warnt Karl Heinz Däke, der Präsident des Steuerzahlerbundes.

Strukturelle Reformen sind aber auch deshalb schwierig durchzusetzen, weil lange gewachsene Interessen dem entgenstehen. Immerhin würde ein mehr als 200-jähriges Privileg zu Ende gehen, das noch 1,7 Millionen Beamte genießen, die 2002 mit 71 Milliarden Euro bezahlt wurden. Diejenigen, die das Recht verändern müssten, sind zudem meist selbst Beamte. Im Bundestag gehören die Lehrer zu den größten Berufsgruppen.

Dabei plädieren Experten vehement für eine grundlegende Reform. Jost Fiedler, Berater bei Roland Berger und früherer Oberstadtdirektor von Hannover, geht davon aus, dass 25 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010 eingespart werden könnten, wenn der öffentliche Dienst effizienter und schlanker gemacht würde. „Viele Servicebereiche kann man privatisieren“, sagt der Experte. Eine grundsätzliche Abschaffung des Berufsbeamtentums hält Fiedler aber nicht für sinnvoll. „Die Beamten sind nicht das Problem, sondern das Dienst- und Tarifrecht“, sagt er. Vor allem die darin vorgesehenen Regelbeförderung und fehlende Leistungsanreize verhinderten wettbewerbsfähige Strukturen und machten die öffentlichen Verwaltungen unflexibel.

Der SPD-Beamtenexperte Hans-Peter Kemper kämpft ebenfalls für eine Reform. „70 Prozent der Beamten sind hoch motiviert, aber 30 Prozent haben sich eingerichtet und arbeiten vor allem daran, Bürgerwünsche abzulehnen und Mögliches unmöglich zu machen“, sagte der Politiker. Auch Kemper plädiert für eine Vereinheitlichung des Dienstrechts – und somit für eine leistungsbezogenere Besoldung.

Maren Peters, Flora Wisdorff

Zur Startseite