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Kürzer treten.

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: Weniger Arbeit für die Alten

Tarifkonflikt in der Chemieindustrie dreht sich um die Demografie.

Berlin - Im Airport-Hotel Schönefeld wird es nur am Rande um Geld gehen, wenn sich am kommenden Mittwoch die Tarifparteien der chemischen Industrie zur letzten Verhandlungsrunde treffen. Der Tarifkonflikt in der Metallindustrie war geprägt vom Streit um die Regulierung der Leiharbeit und die unbefristete Übernahme von Azubis. In der Chemie geht es um Demografie: Die IG BCE will von den Arbeitgebern Geld, um Arbeitszeitverkürzungen im Alter zu finanzieren. Im Schnitt gehen die Chemiebeschäftigten heute mit 60 in Rente. Doch die Rentenabschläge werden beim vorzeitigen Ruhestand immer größer. „Wir sehen die Rente mit 67 als Realität“, heißt es gewohnt pragmatisch in der IGB BCE. Also will man versuchen, das Renteneintrittsalter nach hinten zu schieben, die Kollegen länger arbeitsfähig zu halten.

Es gibt bereits einen Demografie-Tarifvertrag, der die Arbeitgeber zur Zahlung von 312 Euro pro Mitarbeiter und Jahr in einen Fonds verpflichtet. Bislang verwenden zwei Drittel der Chemiefirmen diesen Topf für die betriebliche Altersvorsorge; das will die Gewerkschaft jetzt ändern. Zum einen soll der Betrag von 312 Euro aufgestockt, zum anderen das Geld für Arbeitszeitverkürzung genutzt werden: Im Alter weniger arbeiten, aber trotzdem das gleiche Gehalt bekommen.

In keinem anderen Industriebereich gibt es so viele Schichtarbeiter wie in der Chemie, fast ein Drittel. Die kapitalintensiven Anlagen laufen rund um die Uhr; und damit das so bleiben kann, braucht man Schichtarbeiter. Die Alten, die heute meist schon mit 55 Jahren platt sind, sollen länger arbeiten können. Und für die Jungen müssen die Jobs rund um die Uhr attraktiv genug sein. Neben den Schichtzuschlägen auch dadurch, dass Arbeitszeitkonten in Richtung Lebensarbeitszeit weiterentwickelt werden. Junge arbeiten mehr, Alte weniger.

Die Arbeitgeber sind diesem Ansatz gegenüber durchaus aufgeschlossen – und haben auf die Forderung der IG BCE erst mal mit einer Gegenforderung reagiert. Sie wollen die sogenannten Altersfreizeiten einschränken, oder besser noch gleich ganz abschaffen. Bereits heute verkürzt sich die Arbeitszeit für Schichtarbeiter ab 55 Jahren um 3,5 Stunden pro Woche, für alle anderen ab 57 um 2,5 Stunden. Für die Arbeitgeber sind das „starre Regelungen, die der Realität in einer alternden Gesellschaft nicht gerecht werden“. Aber das ist Theaterdonner. Auch die Arbeitgeber haben ein Interesse an Modellen, mit denen Alte länger im Betrieb bleiben können. Denn heute sind erst 15 Prozent der 550 000 Chemiebeschäftigten älter als 55 Jahre, in zehn Jahren aber sind es schon 35 Prozent.

Am Ende kostet die sinnvolle Entlastung für Ältere und besonders belastete Beschäftigte natürlich Geld. Sechs Prozent hat die IG BCE gefordert. Wenn künftig mehr in den Altersfonds gezahlt wird, fehlt das bei der Tariferhöhung. Eine Verdopplung zum Beispiel von 312 auf 624 Euro machte 0,7 Prozent aus. Was auch immer in diesem Punkt verabredet wird – nach dem 4,3-Prozent-Abschluss in der Metallindustrie will auch die Chemiegewerkschaft eine Vier vor dem Komma. Alfons Frese

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