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Wirtschaft: Weniger Arbeitslose dank neuer Statistik

Im Januar waren in Deutschland 4,597 Millionen Menschen ohne Job / Die Opposition sieht Manipulation

Berlin (brö). Allein eine Änderung der Statistik hat die Zahl der Arbeitslosen im Januar gegenüber dem Vorjahresmonat sinken lassen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) zählte 4,597 Millionen Arbeitslose, wie die Behörde am Donnerstag in Nürnberg mitteilte. Das waren 387000 mehr als im Dezember, aber 26400 weniger als im Januar 2003. Nach alter Rechnung erhöhte sich die Zahl der Beschäftigungslosen indes zum Januar 2003 um 24800. Die Opposition warf der Bundesregierung „StatistikManipulation“ vor, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nannte die Änderung dagegen eine „notwendige Klarstellung“ und sprach von einer allmählichen Besserung der Beschäftigungslage.

Bereinigt um die statistischen Neuerungen waren mithin 4,677 Millionen Menschen ohne Arbeitsstelle – das waren 11,0 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. Die BA machte für den Anstieg „jahreszeitliche Gründe“ verantwortlich, da die Entlassungen in einigen Branchen im Winter stark anstiegen. „Die Anzeichen auf eine Belebung der Wirtschaft sind da, zeigen sich allerdings noch nicht im Arbeitsmarkt“, sagte der designierte neue BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Er begründete seine Zuversicht unter anderem damit, dass sich die Erwerbstätigenzahl im November kaum noch verringert habe. Doch auch bereinigt um Saisoneffekte gab es eine ungünstige Entwicklung: Erstmals seit Mai 2003 stieg die Arbeitslosenzahl wieder um 28000 an. Der Rückgang in den vergangenen Monaten war eine Folge der strengeren Politik der Arbeitsagenturen gewesen – sie hatten überprüft, ob die als beschäftigungslos Registrierten auch tatsächlich eine Stelle suchen. War dies nicht der Fall, wurden sie aus der Kartei entfernt. Zudem war die Zahl von Existenzgründungen durch Arbeitslose deutlich gestiegen.

Die nun umstrittene Änderung der Statistik war Teil der 2003 verabschiedeten Hartz-Reformen. Demnach gilt nun nicht mehr als arbeitslos, wer an einer so genannten Trainingsmaßnahme teilnimmt. Darin werden Jobsuchende auf den Arbeitsalltag vorbereitet. Im Januar wurden 81000 Männer und Frauen entsprechend geschult. Bereits bislang nicht als arbeitlos gilt, wer einen Weiterbildungskurs besucht oder in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) tätig ist. Minister Clement begründete die Änderung am Donnerstag damit, dass eine international vergleichbare Statistik habe geschaffen werden müssen.

Mit Hilfe dieser aktiven Arbeitsmarktpolitik werden nach Berechnung der Stiftung Marktwirtschaft 1,358 Millionen Menschen nicht mehr als stellensuchend registriert. Dies nennen Fachleute verdeckte Arbeitslosigkeit. Als rein „kosmetische Maßnahme“ bezeichnete Guido Raddatz, Arbeitsmarkt-Fachmann bei der Stiftung, die neue Zählweise. „Trainingsmaßnahmen können potenziell dazu missbraucht werden, die Statistik zu manipulieren“, fügte er hinzu.

„Skandal ersten Ranges“

Der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erklärte in Berlin, „ohne die Statistik-Tricks der Bundesregierung wäre die Arbeitslosigkeit längst über die Fünf-Millionen -Grenze gestiegen“. Die Regierung müsse daher parallel auch eine Statistik nach altem Berechnungsmuster vorlegen. Der Unions-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann sprach von einem „Statistikskandal ersten Ranges". Das BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt sagte dazu, „wir können nur so rechnen, wie es uns der Gesetzgeber vorschreibt“.

Das Wirtschaftsministerium sah gleichwohl die neuen Arbeitsmarktzahlen auch als Beleg für „die Aufwärtsentwicklung am Arbeitsmarkt, die seit Frühjahr 2003 zu beobachten“ sei. Industriepräsident Michael Rogowski zeigte sich zuversichtlich, dass in der zweiten Jahreshälfte ein leichter Beschäftigungsaufbau einsetzt – „wenn die deutsche Wirtschaft tatsächlich in diesem Jahr um zwei Prozent wächst“, meinte er.

Auch in Berlin und Brandenburg war dank der Korrektur der Statistik ein leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit zu registrieren. In der Hauptstadt waren im Januar 303000 Menschen ohne Stelle, das war ein Rückgang um 10000 gegenüber dem Januar vergangenen Jahres und eine Quote von 17,9 Prozent. In Brandenburg waren 262000 Menschen beschäftigungslos – 4200 weniger als vor Jahresfrist. Die Arbeitslosenquote lag dort bei 19,5 Prozent.

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