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Wirtschaft: Wenn Schweine fliegen

Großzügige Regeln der Fluglinien sorgen dafür, dass Tiere im Passagierraum mitfliegen dürfen. Jüngst saß ein Pferd auf Platz 3A

Flugreisen können eine verrückte Angelegenheit sein – besonders dann, wenn man neben einem Pferd sitzt. Das Passagierprotokoll eines Fluges der American Airlines vor einigen Tagen notiert: „Der Passagier reiste mit einem Miniatur-Blindenpferd auf Platz 3A. Das Pferd übergab sich auf den Teppich im vorderen Teil des Flugzeugs. Das Kabinenpersonal musste umfangreiche Reinigungsarbeiten verrichten und das Flugzeug lange lüften, um es für den nächsten Flug bereit zu machen.“

Das Pferd begleitete den Passagier Dan Shaw, der von Boston nach Chicago zu einer Aufzeichnung der beliebten Talk-Sendung „Oprah Winfrey Show“ flog. Shaw ist blind. Seine Begleiterin Cuddles ist ein anerkanntes „Blindenpferd“. Nach den Regeln des amerikanischen Flugverkehrsamtes dürfen Hilfstiere im Passagierbereich mitreisen. Die Fluggesellschaften der USA akzeptieren die Mitnahme aller Arten von Tieren. Auch Schweine können fliegen. Vor fast drei Jahren flog ein Hängebauchschwein in der Ersten Klasse mit US Airways von Philadelphia nach Seattle. Der Besitzer hatte argumentiert, das Schwein müsse ihn als Hilfstier begleiten, um Stress abzubauen.

Gerade hat das US-Transportministerium die Regeln des Tiertransports für Hilfstiere noch einmal verschärft. Die Vorschriften, die davor hauptsächlich für Hunde gegolten hatten, wurde auf alle Hilfstiere ausgeweitet. Fluglinien können jetzt auch gezwungen werden, Tiere aller Art ins Flugzeug zu lassen, wenn sie beispielsweise notwendig sind, damit ihr menschlicher Begleiter Stress und Flugangst abbauen kann. „Tiere, die kranken oder behinderten Menschen helfen, gelten als Hilfstiere“, stellt das Ministerium fest, und: „Hilfstiere verrichten heute eine weit größere Bandbreite an Diensten als zuvor.“ Die neue Richtlinie legt auch fest, was die Fluglinie unternehmen muss, um Gesundheit und Sicherheit der Passagiere nicht zu gefährden oder den Service an Bord nicht zu behindern – und wann sie legal den Transport im Passagierbereich verweigern kann.

Da nicht einmal Miniaturpferde, die eine Höhe von sechzig Zentimetern erreichen und dreißig Kilo wiegen, in die Economy Class passen, müssen sie Erster Klasse fliegen. Filmstars kaufen so gerne und häufig Erste-Klasse-Plätze für ihre Lieblinge, dass die Fluglinien bereits „schwarze Listen“ führen, auf denen schlecht abgerichtete oder immer übellaunige Hollywood-Haustiere verzeichnet werden. Die gut Erzogenen dagegen werden mit offenen Armen empfangen – solange sie zahlen. Jack Lemmons Pudel Chloe hatte einen sehr guten Ruf und war der Liebling aller Flugbegleiter der ersten Klasse .

Der blinde Dan Shaw braucht sein Pferd. In Oprah Winfreys Talkshow erzählte er, dass er Angst habe, sich an einen Blindenhund zu binden, weil Hunde nicht so lange leben. Cuddles dagegen habe eine Lebenserwartung von mehr als 30 Jahren. „Das tollste an Cuddles ist, dass mir durch sie klar wurde, dass es gar nicht so schlimm ist, blind zu sein“, sagte er. „Sie ist der beste Freund, den ich je hatte. Es ist wie ein neues Leben.“

Im Falle des Miniaturpferdes hatte American Airways keinerlei Zweifel, dass es sich um ein Hilfstier handelt und dass es auch stubenrein sei. Allerdings wurde beim Einchecken darüber diskutiert, ob dem Pferd eine Windel angelegt werden sollte. Aber da der Flug von Boston nach Chicago gerade mal zwei Stunden dauert, ließ man auch das. Das Pferd tat sein Bestes. Erst bei der Landung meldete sich die Natur zu Wort.

So schlimm sei es gar nicht gewesen, wiegelt American Airlines inzwischen ab. Bevor Cuddles den Rückflug antreten durfte, wurde das Personal vom Hinflug noch einmal befragt. Dan Shaw habe das meiste selbst weggeputzt. Das Putzteam habe wohl ein wenig übertrieben. Ebenso wenig schien es die anderen Fluggäste gestört zu haben, mit einem Pferd zu reisen, gestand das Flugpersonal. Im Gegenteil: Die Gäste seien eher amüsiert gewesen. Also gestattete American Airlines auch den Rückflug in der Ersten Klasse. Die Kosten übernahm die Produktionsfirma der Oprah Winfrey Show.

Glück gehabt: Für Cuddles musste American Airlines weder das Flugzeug notlanden lassen, noch den Teppich erneuern. Der Vorfall war weit billiger als ein anderer, der sich vor einigen Jahren zutrug. Damals hatte sich ein Kampfhund aus seinem Käfig gefressen und eine ungeplante Landung erzwungen. Cuddles war auch bestimmt unkomplizierter als der Fall von Marcelle Becker aus Beverly Hills, die mit ihrem Hund „Dom Perignon“ reiste. Der riss sich in der Kabine los. Als das Flugpersonal versuchte, ihn zurück in seine Luis Vuitton-Tragetasche zu verfrachten, wurde Marcelle Becker derartig wütend, dass der Flugkapitän sie schließlich mit Dom Perignons Leine an den Sitz fesseln musste. Becker verklagte die Fluglinie wegen tätlichen Angriffs, Verletzung ihrer Bürgerrechte und Tierquälerei – verlor aber vor einem Geschworenengericht.

Marcelle Beckers Sprecher verweigerte jeglichen Kommentar. Ein Sprecher der Gemeinde Beverly Hills, Edward Lozzi, sagte an ihrer Stelle, dass sie definitiv das Pferd Cuddles verteidige. Sie gebe der Fluglinie die Schuld an der Sauerei bei der Landung. Was die Crew mit dem Pferd angestellt hätte, dass es sich habe übergeben müssen?

Ach ja: Die Oprah-Winfrey-Sendung hatte den Titel „Das ist ja unglaublich!“

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Basketball), Christian Frobenius (Blindenpferd), Matthias Petermann (Steuern, Snow, Rinderwahn).

Scott McCartney

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