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Wirtschaft: Wenn Wirtschaftsbosse turteln

EADS-Großaktionär Arnaud Lagardère präsentiert im Internet stolz seine neue Liebe – und sorgt für ungläubiges Kopfschütteln

Paris - Kann dieser Mann im kommenden Jahr Verwaltungsratschef des größten Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Europas werden? Nach der Veröffentlichung eines freiwillig produzierten Turtel-Videos muss sich EADS-Großaktionär Arnaud Lagardère unangenehme Fragen zu seinem Verständnis von Professionalität gefallen lassen. Von unangebracht bis hochnotpeinlich reichen die Kommentare zu dem knapp dreiminütigen Streifen, den das belgische Klatschblatt „Le Soir Magazine“ während eines Fotoshootings mit Lagardère und seiner rund 30 Jahre jüngeren Model-Freundin drehte.

„Dieser Film ist lächerlich, bestürzend, beunruhigend“, schreibt das Wirtschaftsblatt „La Tribune“. Eigentlich ist das mittlerweile mehr als 850 000 Mal angeschaute Internetvideo völlig harmlos: Ein gut aussehender Mann Anfang 50 turtelt vor der Kamera eines Boulevardmagazins frisch verliebt mit seiner neuen Flamme. Es bleibt bei zärtlichen Busseleien und dem gegenseitigen Versprechen „grenzenloser Liebe“. Selbst das locker geschnürte Korsett der neuen Eroberung Jade Foret ist noch ohne weiteres jugendfrei.

Wäre der Hauptdarsteller ein Star aus dem Film- oder Musikgeschäft, wäre das Internetvideo Tagesgeschäft. Lagardère ist allerdings einer der mächtigsten Wirtschaftsbosse Europas. 2003 erbte er von seinem Vater Jean-Luc den größten französischen Medienkonzern, der zugleich 7,5 Prozent an dem europäischen EADS-Konzern hält. Ein mühsam ausgehandelter Kompromiss zwischen Berlin und Paris sieht vor, dass Lagardère im kommenden Jahr Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber als Vorsitzenden des mächtigen EADS-Verwaltungsrats beerben könnte. Dann endet nämlich die Amtszeit des derzeitigen Vorstandschefs Louis Gallois. Auf ihn müsste ein Deutscher folgen.

Das Boulevard-Video lässt nun allerdings neue Zweifel an den Führungsqualitäten Lagardères hochkommen. „Er legt eine Performance mit einem Model hin, das einen Kopf größer ist als er. Er macht sich lächerlich“, zitierte die französische Tageszeitung „Le Monde“ am Wochenende den US-Investor Guy Wyser- Pratte. Dass der Franzose in den EADS- Aufsichtsrat einziehen könne, sei beschämend. „Arnaud Lagardère ist nicht auf der Höhe des Geschehens. Er verhält sich wie ein Hofnarr“, lautet die vernichtende Kritik des Amerikaners.

Wyser-Pratte hatte sich bereits im vergangenen Jahr mit dem heute 50-Jährigen angelegt. Weil er um den Wert seiner Beteiligung am Lagardère-Konzern fürchtete, wollte er den Erben auf der Hauptversammlung über eine Statut-Änderung entmachten lassen. Das Projekt scheiterte – trotz einer zuletzt eher enttäuschenden Entwicklung des Aktienkurses. Lagardère wird vorgeworfen, sich zu sehr auf seine Sportleidenschaft zu konzentrieren und den Flugzeugbau sowie das Presse- und Verlagsgeschäft ohne klaren Kurs schleifen zu lassen. Er selbst hat sich bislang nicht zur Affäre um sein Turtel-Video geäußert. Bei EADS hieß es am Dienstag knapp: „Kein Kommentar“. dpa

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