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Wirtschaft: „Wer Angst hat, kann kostenlos umbuchen“

Tui-Chef Michael Frenzel über Wege aus der Krise, die Angst der Touristen vor einem Krieg im Irak und über den Abschied vom Stahlgeschäft

Herr Frenzel, die ITB bietet ein Bild des Jammers. Wie erleben Sie die diesjährige Tourismusbörse?

Die Resonanz des Besuchers ist durchweg positiv – von Jammer haben wir nichts bemerkt. Unser Konzept – wir wollen Freude am Leben vermitteln – geht auf. Selbst in Zeiten, die auch für uns nicht ganz einfach sind.

Immer mehr Leute haben aber Angst, ins Flugzeug zu steigen oder in bestimmte Länder zu reisen. Wie fangen Sie diese Furcht auf?

Ich selbst habe keine Angst vor Reisen. Aber ich habe Verständnis für jeden, der es wegen eines drohenden IrakKrieges vorzieht, zu Hause zu bleiben. Tui bietet jedoch nach wie vor die ganze Reise-Palette an. Für das Umbuchen berechnen wir bis zum 31. März keine Gebühren. Wir tun, was wir können. Wir werden mögliche Gefahren nicht verschweigen, sondern umfassend informieren.

Ihre Aktionäre werden dafür wenig Verständnis haben. Das schadet Ihrem Geschäft.

Wir würden unsere Glaubwürdigkeit riskieren, wenn wir es nicht tun. Und dann wäre unser Geschäft nachhaltig beschädigt. Wir sind seit drei Jahren ständiges Mitglied im Krisenstab des Auswärtigen Amtes. Zudem verfügt unser Unternehmen über ein dichtes Netz von speziell für Krisenfälle geschulten Mitarbeitern in den Zielgebieten.

Bedeutet das, dass sich Ihre Leute vor Ort verstärkt um die Sicherheit der Reisenden kümmern?

Genau. Unsere Leute leben zum Teil schon sehr lange in dem jeweiligen Land und kennen die Gegebenheiten sehr genau. Sicherheit ist immer auch eine subjektive Einschätzung, die man aber nur durch Nähe gewinnen kann.

Ist Reisen mit der Tui sicher?

Reisen mit der Tui ist sicher. Hundertprozentige Sicherheit kann aber, das werden Sie verstehen, niemand garantieren. Wir halten das, was wir tun, für vertretbar. Auf der anderen Seite verlangen wir von niemandem, Ferien in einem Hochsicherheitstrakt zu machen. Wir errichten keine Zäune. Das widerspricht der Grundidee von Urlaub.

Beobachten Sie, dass sich an dem Bedürfnis der Menschen, zu reisen, etwas verändert hat?

Nein. Es gibt Unsicherheiten, was die Buchungen betrifft. Die Deutschen haben nach wie vor Lust auf Urlaub, sie schieben ihn nur auf, bis geklärt ist, ob es Krieg gibt oder nicht. Es wäre sehr schlimm, wenn die Menschen auf ihre Ferien verzichten würden. Dann hätte der Terrorismus sein Ziel erreicht.

Ist der westliche Pauschaltourismus, nicht in manchen Ländern eine Provokation?

Das wäre ein falsches Bild von der Pauschalreise, so wie sie heute ist. Tourismus ist ein wichtiger Faktor für Beschäftigung und Wohlstand. Nehmen Sie nur das Beispiel Bulgarien: Der Markt dort wächst, und die Menschen sind auf solche Entwicklungen angewiesen, um selbst zu Wohlstand zu kommen. Das ist in vielen anderen Ländern genau so. Wer Tourismus als Provokation empfindet, der nimmt in Kauf, dass sein eigenes Land beim Wohlstand zurück bleibt.

Der Trend geht zu mehreren Kurzurlauben anstelle eines längeren Urlaubs. Wollen sich die Deutschen nicht mehr richtig erholen?

Das kann man so nicht sagen. In der Tat gibt es die klassischen drei Wochen am Strand immer seltener, obwohl die Durchschnittsreisezeit mit annähernd zwölf Tagen immer noch sehr hoch ist. Hinzu kommen viele, denen inzwischen ein paar Tage reichen, um aus der eigenen Tapete herauszukommen, das aber mehrfach im Jahr. Dieser Trend ist nicht aufzuhalten.

Gibt es mehr als Ferien mit Sonne und Strand?

Sicher, „Sun and Beach“ ist und bleibt unser Kernsegment. Doch unsere größte Kundengruppe, die „Goldies“ zwischen 45 und 65 Jahren wollen auch auf den Golfplatz, ins Museum oder Wellness-Urlaub – eine ganz neue Nachfragestruktur, die wir in dieser Gruppe verzeichnen.

Diese Trends helfen Ihnen kurzfristig aber nicht. Wie stark steckt die Tui in der Krise?

Wir haben einen Buchungsrückgang – wie die gesamte Branche. Allerdings stehen wir besser da im Wettbewerb. Tui hat im vergangenen Geschäftsjahr rund 600 Millionen Euro verdient. Von einer wirklich tief greifenden Krise gehen wir nicht aus. Ich gebe das Jahr 2003 nicht verloren: die Oster-Buchungen sind sehr gut. Das Irak-Thema wird sich lösen.

Müssen Sie Stellen abbauen?

Wir haben flexible Instrumente geschaffen. Das heißt, wir setzen auf Zeitarbeit und nutzen Fluktuation. Wir wollen frei werdende Stellen nicht neu besetzen und bieten unseren Mitarbeitern unbezahlten Urlaub an. Wir hoffen, dass wir mit diesen Maßnahmen auskommen.

Können wir bald bei Aldi Tui-Reisen buchen?

Das kann ich im Moment weder bestätigen noch dementieren. Wir planen jedoch, unsere preisgünstige Marke 1-2-Fly neu zu positionieren. Das wird nicht unter dem Markennamen Tui passieren.

Und damit sterben dann die Reisebüros, die die Gruppe der Älteren beraten, die Ihnen so wichtig ist, aus?

Ganz sicher nicht. Die Reisebüros werden immer unser Rückgrat sein. Eine Sommerreise für die ganze Familie zu buchen, ist zu komplex, um das mal fix im Internet zu machen.

Haben Sie eigentlich manchmal Sehnsucht nach dem guten alten Bergbau- und Stahlgeschäft, das die Preussag AG groß gemacht hat, bevor sie zur Tui wurde?

Die alte Preussag würde heute so nicht mehr existieren. Das Stahlgeschäft war wie ein Dampfschiff. Es gab nur geringe Möglichkeiten, es zu steuern. Heute sitzen wir in einem Schnellboot, sind enger und schneller an den Trends. Wir arbeiten von Saison zu Saison, sind viel flexibler und verfügen über eine hohe Innovationskraft. Nein, mir gefällt die Tourismusbranche wie sie ist.

Das Gespräch führten Esther Kogelboom und Flora Wisdorff .

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