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Selbst vermarkten. Mancher Vermieter wird künftig ohne Makler auskommen.

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Wer bestellt, der zahlt: Reform des Mietrechts krempelt Maklerbranche um

Anfang 2015 soll das Mietrecht geändert werden. Makler werden künftig von ihrem Auftraggeber bezahlt, also meist vom Vermieter. Viele Wohnungsvermittler fürchten deshalb um ihre Existenz - neue Anbieter wittern eine Chance.

Berlin Mitte an einem Sonntagvormittag. Besichtigungstermin für eine 70-Quadratmeter-Wohnung. Mehrere Dutzend Interessierte sind erschienen. Sie drängeln sich in den noch bewohnten, unrenovierten Räumen. Die Mieter sitzen beim Frühstück. Ein Makler ist auch da – er wartet unten im Hof mit den Bewerbungsunterlagen. Fragen beantwortet er genervt. Er weiß: Die Wohnung in begehrter Lage vermittelt sich wie von selbst. Bei einem Preis von 10,50 Euro pro Quadratmeter kann er mit einer Courtage von knapp 1750 Euro rechnen – zu zahlen vom künftigen Mieter. Schnelles Geld. Die Wohnung hat er keine 24 Stunden vorher im Internet inseriert.

In Berlin werden 80 Prozent der Wohnungen per Makler vermittelt

Knapp 850.000 Mietwohnungen werden in Deutschland pro Jahr mit Hilfe eines Maklers neu vermietet, etwa 40 Prozent aller Wiedervermietungen. In angespannten Märkten wie Berlin liegt die Quote doppelt so hoch. Hier müssen die Provisionen, in der Regel zwei Nettokaltmieten plus Mehrwertsteuer, auch meist von den Wohnungssuchenden bezahlt werden – egal, wie seriös der Makler seine Dienstleistung erbracht hat. Nach dem Willen der Bundesregierung wird sich dies Anfang 2015 mit der Reform des Mietrechts ändern. Nach dem dann gesetzlich verankerten Bestellerprinzip zahlt künftig, wer den Makler bestellt hat – also in den meisten Fällen Eigentümer oder Vermieter.

Auslaufmodell? Makler wird es weiter geben, aber nicht mehr so viele.
Auslaufmodell? Makler wird es weiter geben, aber nicht mehr so viele.

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Oder niemand. Denn die Dienstleistung der Wohnungsvermittler wird künftig wohl deutlich seltener in Anspruch genommen. Viele Vermieter werden ohne externe Hilfe versuchen, ihre Wohnungen loszuwerden. Für viele der mehr als 150.000 Makler in Deutschland brechen harte Zeiten an, vor allem für die vielen Einzelunternehmer. „Das Bestellerprinzip wird in den kommenden zwei, drei Jahren erdrutschartige Auswirkungen auf das Maklergeschäft haben“, glaubt Michael Kiefer, Chefanalyst bei Immobilienscout24, dem größten deutschen Online-Portal für Häuser und Wohnungen. „Die Branche wird sich tiefgreifend und nachhaltig verändern.“

"Ich hoffe, dass die Pfeifen Probleme bekommen"

Nicht alle in der Branche sind darüber traurig. „Ich hoffe, dass die Pfeifen Probleme bekommen“, sagt ein Berliner Makler über die schwarzen Schafe seiner Zunft, die den Ruf des Berufsstandes ruinieren. „Alle, die nebenbei ein bisschen makeln, sollten aus dem Markt fliegen.“ Auch der Immobilienverband Deutschland (IVD) begrüßt - trotz Kritik an Einzelpunkten - im Prinzip den Vorstoß der Politik. "Am Ende wird sich Qualität durchsetzen", hofft Dirk Wohltorf, Vorstandsvorsitzender des IVD Berlin-Brandenburg. "Der Maklerberuf wird sich massiv verändern." Die Bundesregierung geht davon aus, „dass nach der Rechtsänderung ein verstärkter Preiswettbewerb zwischen den Maklern entsteht“, wie es im Gesetzentwurf heißt. Die Annahme sei plausibel, dass sich die gegenüber Vermietern durchzusetzende Courtage halbiere.

Start-ups wollen die Lücke füllen, die die Makler hinterlassen

Teures Ärgernis. Bislang mussten meist die Wohnungssuchenden dem Makler bis zu zwei Kaltmieten plus Mehrwertsteuer an Provision zahlen.
Teures Ärgernis. Bislang mussten meist die Wohnungssuchenden dem Makler bis zu zwei Kaltmieten plus Mehrwertsteuer an Provision zahlen.

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Wo Makler nicht mehr wie bisher ins Geschäft kommen, tun sich Chancen für andere Modelle auf. Neue Plattformen und Dienstleister versuchen, die Lücke zu schließen – mit unterschiedlichem Erfolg. So wirbt das Vergleichsportal Verivox mit der „größten Marktübersicht für provisionsfreie Immobilien“, die sich aus den Angeboten der zehn größten deutschen Immobilienportale speist. In Berlin finden Interessierte immerhin mehr als 10.000 Objekte – allerdings selten in den begehrten Innenstadtlagen.

Mit dem Social-Media-Profil zur Wohnung

Am 1. November an den Start gehen will das Münchener Start-up Faceyourbase. Angeboten wird „die Lösungsalternative zum Makler und der Gesetzesänderung“. Die Idee: Mieter bewerben sich bei Faceyourbase mit ihrem Social-Media-Profil um eine Wohnung, die Auswahl erfolgt über eine „Fotobewerberwand“ – Exposé-, Besichtigungs- und Vertragsservice inklusive. „Matching“ heißt das Zauberwort auch beim 2013 gestarteten Hamburger Anbieter Anlageimmobilien.de, der sich auf die Suche nach Immobilien zur Kapitalanlage spezialisiert hat: Statt bei Massenbesichtigungen Zeit und Nerven zu verlieren, versprechen die elektronischen Helfer Online-Tools, die Angebot und Nachfrage gezielt zusammenführen. Der Haken: Wer klein anfängt, hat wenig Auswahl zu bieten.

Loftville hatte zu viel versprochen

Zu viel versprach der Hamburger Immobilien-Marktplatz Loftville. Statt mit der Vermittlung exklusiver Wohnungen und Häuser Erfolge zu feiern, stellte Loftville vor einem knappen Jahr den Betrieb mangels Masse ein – die Mitarbeiter wechselten zur Internetplattform Immonet. So kommt es, dass hinter den Kulissen einiger Start-ups die großen Online-Börsen mit ihren riesigen Immobilienbeständen stehen. Auch bei der Berliner Group- Estate („Gemeinsam mehr erreichen“), die seit Mitte des Jahres ihre Dienste anbietet, wenn Freunde oder Familien zusammen eine Immobilie kaufen wollen.

Makler setzen jetzt auf Gemeinschaftsgeschäfte

Die Makler rücken derweil zusammen, um zu retten, was zu retten ist. Mit Gemeinschaftsgeschäften bei Kaufimmobilien wird versucht, Imageverlust und Internetportalen Paroli zu bieten. „Die Abhängigkeit der Makler von den Online-Anbietern ist zu groß geworden“, sagt der Hamburger Makler Björn Dahler. Er macht sich für ein Multiple-Listing-System stark: Nach US-Vorbild bringen mehrere Makler gemeinsam ihre Immobilien ein – und teilen sich die Provision, wenn es zum Verkauf kommt. Auch der IVD Berlin betreibt seit einem Jahr einen solchen „Ticker“ für Gemeinschaftsgeschäfte. „Die guten Immobilien stehen nicht im Internet“, wirbt Dirk Wohltorf. Kollege Dahler sieht in Gemeinschaftsgeschäften eine Chance, das „Mauerdenken“ in der Branche aufzubrechen: „Besser ein Geschäft teilen, als gar keins mehr zu machen.“

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