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Wirtschaft: „Wer der Beste ist, wird der Größte“

Martin Sorrell, Chef der Werbeagenturholding WPP, über Konsumflaute und globales Marketing

Herr Sorrell, in welchem Stadium der Globalisierung befinden wir uns?

Es gibt keine Globalisierung der Weltwirtschaft. Es gibt eine Amerikanisierung. The American way of doing business – nennen wir es ruhig Raubtier-Kapitalismus – ist heute das Maß aller Dinge. Die weltweit erfolgreichsten Unternehmen haben alle starke Marktpositionen in den USA. Wer auf dem amerikanischen Markt nicht reüssiert, wird schwerlich anderswo erfolgreich sein. Zumindest im Hier und Jetzt sind die USA der Ort, wo Zukunft gestaltet wird, wo neue Vermarktungskonzepte entworfen werden.

WPP war im Jahr 2000 der größte Aufkäufer von Internet-Werbeplattformen. Haben sich diese Investitionen gelohnt?

Es ist heute modern zu verkünden, das Web sei tot. Wir haben ganz andere Erfahrungen. Etwa ein Sechstel unseres Gewinns - immerhin mehr als eine Milliarde Dollar – kommt direkt oder indirekt aus unseren Internet-Aktivitäten – Tendenz steigend. Der Kollaps des Dot-com-Booms gibt jetzt vielen Unternehmen, die den Einstieg zwischen 1998 und 2000 verpasst haben, eine neue Chance. Ich halte diejenigen Klienten für nicht gewinnorientiert, die auch jetzt noch die Macht des Augenblicks verkennen.

Die Rolle von Werbung hat sich seit den Terroranschlägen vom 11. September verändert. Haben Ihre Kunden andere Bedürfnisse?

Werbung wurde familienorientierter, religiöser, möglicherweise nationaler. In Amerika geht das Wort von der „Motherhood and Applepie"-Werbung um. Das heißt: Konsumenten entdecken wieder ihr Zuhause. Das Reiseverhalten hat sich verändert. Internationale Unternehmen gehen dazu über, lokale Führungskräfte gegenüber „fliegenden" Mitarbeitern zu favorisieren. Der Trend ist: Vertrautheit gibt Sicherheit. Was der 11. September aber auch gezeigt hat, ist die demographische Verschiebung. Im Jahr 2014 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung im asiatisch-pazifischen Raum leben. Wir müssen lernen, was Muslime wollen – es wäre fatal anzunehmen, dass sie die gleichen Präferenzen wie westliche Konsumenten haben.

Viele Unternehmen haben ihre Werbe-Etats gekürzt. Welche Rolle kann Werbung für die Ankurbelung der Konjunktur spielen?

Alle Daten zeigen, dass Unternehmen, die während einer Rezession ihre Werbebudgets kürzen, Marktanteile verlieren - und die Kosten, um diese wieder zu erlangen, danach überproportional hoch sind. Tatsache ist aber auch, dass die durchschnittliche „Lebenserwartung" eines Vorstandschefs zur Zeit bei drei bis vier Jahren liegt. Das macht viele CEOs vorsichtig. Berücksichtigt man zudem, dass ihnen die Aktionäre im Nacken sitzen, dann kann man nicht erwarten, dass sie vernünftig reagieren. Das schließt häufig Kürzungen im Werbebudget mit ein. Es sind verständliche, aber falsche Signale.

Unlängst outeten Sie sich als Hiob: Die wirtschaftliche Situation werde sich noch weiter verschlechtern und WPPs zehnjähriger Aufwärtstrend gebremst. Gibt es gar keinen hellen Streifen am Horizont?

Ich habe nie gesagt, dass WPPs Aufwärtstrend enden würde. Es ist aber richtig, dass der 11. September die Wirtschaft noch lange beeinflussen wird. Natürlich gibt es helle Streifen am Horizont. Einen Aufwärtstrend sehe ich aber nicht vor 2004.

Wie kommen die Unternehmen aus dem Tal: durch Werbung oder indem sie in den Preis-Krieg ziehen?

Was im Augenblick zum Beispiel auf dem Automobilmarkt passiert ist profitlose Prosperität. Geld ins Handschuhfach zu legen, schafft kein Markenbewusstsein. Und gerade in Wirtschaftsbereichen mit Überkapazitäten wird ein ausgeprägtes Markenbewusstsein über Sein oder Nichtsein entscheiden.

Die Konzentration in der Werbeindustrie ist erschreckend. Wird der Konsument in Zukunft durch noch größere Monotonie gepeinigt?

Die großen Vier kontrollieren ein Drittel des Marktes und formen ihn. Die Unterstellung, durch Monotonie Konsumenten-Peiniger zu sein, ist aber nicht ganz fair, denn auch die vier Großen zerfallen in zwölf selbstständige Unternehmen. David Ogilvy sagte einmal vor Werbeleuten: „Denkt daran: Der Konsument ist kein Dummkopf, sondern deine Frau."

WPP ist wieder die Nummer drei nach Omnicon und Interpublic. Sie gelten als ein Mann mit ausgeprägtem Ego. Stört Sie dieser Absturz?

Ich weiss nicht, woher diese häufig kolportierte Zahl drei kommt. Aufgrund unserer Marktkapitalisation sind wir klar die Nummer eins. Aber selbst wenn es so wäre, würde es nicht an meinem Ego kratzen. Worauf es ankommt, ist nicht der Größte, sondern der Beste zu sein. Und es ist ein ungeschriebenes Gesetz: Wer der Beste ist, wird zwangsläufig der Größte.

Werbe-Gurus und Tycoons gelten immer noch als Vorbilder. Einige Ihrer Kollegen haben in Kunst investiert oder sponsorn intellektuelle Aktivitäten. Was machen Sie?

Ich dachte immer, die Gesellschaft hält uns für Show-Business-Ableger – für Bauernfänger oder Schlimmeres – jedenfalls nichts wirklich seriöses.

Das Gespräch führte Hannelore Gude-Hohensinner.

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