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Werbekampagne: Die Bestatter werden frech

Mit kessen Sprüchen kämpft die Branche um Kunden und ums eigene Überleben. Eine neue Werbekampagne soll dabei helfen.

"Wer nicht wirbt, stirbt." Das sagen die, die sich mit dem Sterben auskennen. „Werbung in der Bestatterbranche zu diskutieren ist notwendig“, meint Kerstin Gernig, Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter.

Kaum zu glauben, dass die Bestatter eine Werbekampagne brauchen. Denn ihre Kunden, sollte man meinen, sind ihr schließlich sicher. Jährlich sterben 840 000 Menschen in Deutschland. Doch die Branche hat es schwer, weil immer mehr Menschen auf den Preis achten und vermehrt auf Billiganbieter setzen, oft sogar im Ausland. Feuerbestattungen werden als billigere Alternative dem klassischen Begräbnis vorgezogen.

Auch die Zahl anonymer Bestattungen steigt. Vielen ist ein prunkvolles Grab nicht mehr wichtig, oder es gibt keine Angehörigen in der Nähe, die es pflegen könnten. Der Markt ist hart umkämpft. Zu viele Bestatter kommen auf eine begrenzte Anzahl an Todesfällen. Jedes Jahr müssen deswegen hunderte Unternehmen schließen.

Die Krise bekommt auch der Marktführer zu spüren. „200 Sterbefälle pro Jahr weniger in einem Bezirk sprechen für sich“, sagt Brigitte Schramm, Sprecherin des Berliner Bestatters Ahorn. Dann wurde das gesetzliche Sterbegeld gestrichen. Aber eines weist Ahorn-Sprecherin Schramm weit von sich: Ein schlechtes Image habe die Branche nicht.

Das sieht der Verband anders und versucht jetzt, das Bild der Branche aufzubessern. Hierzu hat er junge Menschen aufgerufen, sich mit der Werbung in der Bestattungsbranche auseinanderzusetzen. 134 junge Kreative haben sich mit 321 Einsendungen an dem Plakatwettbewerb beteiligt. Sprüche wie „Finale – Bestimm’ Dein Endspiel selbst!“ und „Weil es oft schneller geht, als uns lieb ist“ gehören zu den Gewinnerslogans. „Wir wollten sehen, wie junge Menschen mit dem Thema umgehen, und haben uns Neues und Frisches erhofft“, erklärt Kerstin Gernig. Nicht gewollt sei Werbung, bei der es um die Kosten geht. Ziel sei stattdessen, die Werte einer würdigen Bestattung hervorzuheben. „Ich will zufriedene Kunden, damit sie dann wieder zu uns kommen – beim nächsten Trauerfall“, sagt Ralf Michal, Inhaber von Michal Bestattungen in Schweinfurt.

Die preisgekrönten Plakate kann man in den Bestatterläden sehen. Sie gingen jeweils als Tausenderauflage an über 1500 Bestattungsunternehmen in ganz Deutschland. Was dem Verband wichtig ist: Die Aktion richtet sich nicht an Trauernde, sondern an Menschen, die ohne aktuellen Trauerfall unbelastet auf das Thema reagieren können. „Als Trauernde weiß ich nicht, wie ich auf so ein Plakat reagieren würde“, räumt Gernig ein. Der Verband wolle vor allem junge Menschen ansprechen. Nur zehn Prozent aller Deutschen haben eine Bestattungsvorsorge abgeschlossen, das soll sich ändern.

Dazu gehen Bestatter viele Wege. Stände auf Verbrauchermessen oder Konfirmandengruppen, die ein Institut inspizieren, sind nichts Ungewöhnliches. Die einen versuchen, sich durch einen auffälligen Internetauftritt abzuheben. Andere veranstalten Krimilesungen im Sarglager oder sammeln Liebesgedichte von Trauernden. Wer einen weiten Weg zum Friedhof hat, kann sich bei Pütz-Roth in Bergisch Gladbach in den virtuellen Friedhof einloggen. Angehörige können auf einer Internetseite die Gräber der Verstorbenen besuchen, Nachrichten hinterlassen und Nachrichten anderer Angehöriger und Freunde lesen. Ein „Grabpfleger“ gestaltet die Seite, indem er neue Fotos einstellt.

„Wenn die Grenzen des guten Geschmacks eingehalten werden, spricht nichts gegen Werbung in der Bestatterbranche“, sagt Stefan Förner, Sprecher des Erzbistums Berlin. Die Dienstleistung der Bestatter sei immer wichtiger, die Bestattungsprozedur immer komplizierter geworden. Da sei es gut, jemanden zu haben, der alle Fäden in den Händen hält. „Bei der Werbung trennt sich dann die Spreu vom Weizen“, meint auch Förner. Schwarzer Humor und Bestattungskultur – das passe nicht zusammen.  

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